Laufen, wo andere Urlaub machen

Als zugezogener Fischkopp möchte ich die Laufwolke nutzen, die langen Läufe in meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern vorstellen und auch dafür werben, hier nicht nur Urlaub, sondern auch Laufurlaub zu machen. Zumindest für manche unserer Läufe lohnt sich ein Kurztrip an die See. Wobei das nicht unbedingt die Ostsee sein muss: Es gibt so einige Seen, die man laufend umrunden kann. 

Meine Laufgeschichte:
Beginnen werde ich mit dem Lauf, den ich am besten kenne, da ich seit 2019 immer irgendwie dabei bin – dem Fischland-Darß-Zingst-Ultramarathon. Damals war ich auf dem Weg zum Ostseeschwimmen in Prerow (recht frisch im Juni, so viel sei verraten) mit dem Fahrrad vom Barther Bahnhof unterwegs und sah noch in Barth einige merkwürdige Hinweise auf eine mir bis dato unbekannte Sportveranstaltung. Zunächst waren es Markierungen mit roter Sprühkreide, die Pfeile und das Kürzel „FDZU“ trugen, später kamen Absperrbänder und ein Verpflegungspunkt hinzu. Bei der Passage eines Läufers an der Meiningen-Brücke erklärte mir seine Radbegleitung (Klapprad!), dass sie gerade einen 115km-Ultramarathon absolvieren. Im nächsten Jahr las ich zufällig von einem freien Staffelplatz und durfte mit einer tollen Truppe ein tolles Rennen miterleben. 2021 lief ich in Vorbereitung des Mauerweglaufs selbst. 2022 konnte ich nach der Deutschlandquerung wegen Schienbeinkantensyndrom nicht laufen und betreute einen VP. In diesem Jahr waren wegen „Bremen-Sankt Pauli“ erneute Helferdienste geplant, doch weil ich diesen abbrechen musste und beim FDZU bereits viele Helfer vorhanden waren, lief ich sehr kurzfristig doch noch, wenngleich nicht in bestmöglicher Form.


Der FDZU verbindet die beiden MV-Landesteile:
Start ist im mecklenburgischen Ortsteil Ribnitz, die Brücke zum vorpommerschen Damgarten wird kurz nach dem ersten Kilometer überquert; erst nach über 90 km geht es dann zurück nach Mecklenburg. Der Lauf darf somit aktuell als der einzige (mehrheitlich) in Vorpommern stattfindende Ultramarathon gezählt werden (ja, Start und Ziel sind in Meckelbörg). Er verläuft zunächst auf dem Festland und passiert dann entgegen Uhrzeigersinn und Veranstaltungsnamen den Zingst, den Darß und das Fischland. Diese drei Landesteile waren vor langer Zeit Inseln, die sich zur nunmehrigen Halbinsel verbanden – Küsten sind selbst ohne Meeresanstieg ständiger Veränderung unterworfen.

Videoempfehlung:
Thomas Steinicke hat vom FDZU 2021 eines seiner schönen Videos ins Netz gestellt. Vieles des nachfolgend Beschriebenen ist darin gut zu erkennen, u.a. die Helligkeit beim Start, entgegenkommende Läufer nahe der Barther Schleife, den schmalen Pfad dort, die Brücken, den Deichweg, die lange Strecke am Bodden, den Strandabschnitt. https://www.youtube.com/watch?v=6SYAeO62wfg

Wettbewerbe:
Man kann sich prinzipiell zwischen zwei Distanzen entscheiden (100 km / 115 km), wobei die längere Strecke eher 12-13 km als die offiziellen 15 km länger sein dürfte. Es ist möglich, sich für 115 km anzumelden und spontan nach 100 km auszusteigen und direkt in die 100er-Wertung zu kommen. Auf der etwas längeren Distanz wird die Fünfer-Staffel mit vorgeschriebenen Wechselpunkten angeboten. Wer mal bei einem Ultralauf etwas gewinnen möchte, hat hier hervorragende Chancen: Normalerweise sind weniger als eine Handvoll Staffeln am Start, 2023 sogar keine einzige (für 2024 ist bereits eine gemeldet). Dabei gibt es einiges zu gewinnen, von handgetöpferten Medaillen und Vasen bis hin zu Bernsteinschmuck, zumindest für die drei Erstplazierten jeder Kategorie (und jeden Staffel-Starter!). Eine weitere, sehr interessante Variante ist Run+Bike. Ein Team aus zwei Startern kann sich mit dem Laufen und der Fahrradbegleitung beliebig ablösen, solange sie sich nicht weit voneinander entfernen. Man kann das paritätisch machen und beispielsweise alle 1, 3 oder 10 km wechseln – oder aber einer läuft 100 km und der andere den Rest. Die schnellen Spezialisten -es gibt mehrere Wiederholungstäter- haben erstaunlich kurze Abschnitte, teils unter einem Kilometer. Es gab aber auch ein Pärchen, bei dem sich der Mann zunächst kurz auspowerte und die Frau dann für über 80 km übernahm, bevor er wiederum finishte. Sie nutzten den FDZU als Testlauf für ihren Mauerweglauf, wobei sowohl die lange Laufstrecke als auch die Radbegleitung getestet wurden. Neben dem Belastungstest für das Sitzfleisch betrifft das die Befestigung von Navi-Systemen, Trinkflaschen, Körben, Seitentaschen und deren logistisch sinnvolle Nutzung auf der Strecke.

Damit kommen wir zum nächsten Punkt. Auch das scheinbar simple „Neben-dem-Läufer-fahren“ ist nicht ganz ohne, gilt es doch, keinen Druck aufzubauen (durch Vorausfahren) und nicht vom Rad zu fallen.
Radbegleitung für Einzelläufer:
Hier macht der Veranstalter auf der Webseite etwas widersprüchliche Angaben: Zum einen heißt es dort: „Die Wege sind durchweg für Fahrräder geeignet. Daher hat es neben dem run-and-bike auch die Möglichkeit der Fahrradbegleitung für Ultramarathonläufer gegeben. Es gibt keine besonderen Ansprüche an die Fahrräder. Sie sollten allerdings den allgemein gültigen Verkehrsregeln entsprechen.“ So kenne ich das auch. Zum anderen steht bei „Allgemeine Laufbedingungen“ etwas missverständlich: „Eine Begleitperson, die nicht startberechtigt ist und auch keine offizielle Startnummer erworben hat, darf den Läufer/in nicht begleiten.“ Damit sind wahrscheinlich laufende Begleiter gemeint. Eine offizielle Registrierung für Begleiträder ist bei der Anmeldung weder vorgesehen noch erforderlich. Wie erwähnt, wurden Radbegleitungen stets willkommen geheißen. Da sie meist mehr dabei haben als die Läufer und sie selbst benötigen, ist die Verpflegungsfrage auch keine wirklich relevante.

Anreise und Briefing:
Die Anreise nach Ribnitz-Damgarten am Freitag ist wegen der Startzeit quasi obligatorisch. Für Alleinreisende ist die Jugendherberge in Bahnhofsnähe empfehlenswert; bis 2022 fand hier auch die Startnummernausgabe statt, 2023 erstmals im Stadion. Für Gruppen kann sich auch eine Ferienwohnung lohnen – frühe Buchung ist zu empfehlen. Beim Briefing ist auch die Abgabe eines Dropbags für den VP Zingst Seebrücke bei ca. 60 km möglich. Da Start und Ziel etwa zwei Kilometer voneinander und einen Kilometer von der Innenstadt und der Jugendherberge entfernt liegen, werden gern Fahrgemeinschaften gebildet. 2023 boten Crew-Mitglieder auch den morgendlichen Transfer vom Parkplatz am Ziel zum Start am Stadion an, zumindest soweit sie bei ihrer eigenen Anfahrt noch Platz im Auto hatten. Wer es nicht bis zum offiziellen Briefing um 18 Uhr schafft (beispielsweise, wenn die Anreise erst nach der Arbeit und per Bahn möglich ist), bekommt seine Startunterlagen (und ein paar Worte der Einweisung) auch noch kurz vor dem Start.

Start:
Der Start ist bemerkenswert früh um 4 Uhr! Das macht ein sehr zeitiges Aufstehen erforderlich, hat aber seine Vorteile: Wenn man erst einmal läuft, ist es praktisch, weil der Lauftag früher endet. Selbst nach 16 Stunden Lauf ist es mit 20 Uhr noch halbwegs früher Abend und längst nicht dunkel. Außerdem sind die morgendliche Ruhe und der Blick aufs platte Land am Bodden mit typischem Frühnebel sehr schön. Auf wenig anspruchsvoller Strecke Kilometer lassen sich schrubben, die eigentlichen Herausforderungen sind noch fern. Nahe der Sommersonnenwende Mitte Juni ist es an der Ostsee gegen 4 Uhr bereits hell genug; Stirnlampen werden keinesfalls benötigt, auf den ersten Metern mit ein paar Bäumen sorgen die Veranstalter mit Leuchtmarkierungen vor. Besonders stilvoll ist der Start mit Feuerschalen direkt auf der Laufbahn des Stadions. Normalerweise ist es nicht sehr kühl, so dass im Vergleich zur „sommerlichen Tagesbekleidung“ höchstens noch eine dünne Jacke oder ein zusätzliches dünnes Shirt benötigt werden, die an einem der ersten VP abgegeben werden können.

Verpflegungspunkte:
Die insgesamt 15 VP sind so dicht gelegen, dass eigentlich keine Zusatzversorgung aus einem Rucksack erforderlich ist. Nur kann es ab mittags auch im Juni so warm werden, dass man sich vielleicht ständig etwas Kühlwasser wünscht. Die Versorgung selbst ist vielleicht als „Standard“ zu bezeichnen. Es gibt natürlich Wasser, Tee, Cola, Bananen, Riegel und teils auch noch mehr, aber der Ultraläufer ist inzwischen verwöhnt bzw. durchaus mehr gewohnt. Im Dropbag (VP8 nach 61 km) lassen sich Sonderwünsche deponieren; je nach Trinkgewohnheiten kann das vielleicht eine Trinkweste sein für die nachfolgenden sonnigeren Abschnitte. Weil es ein sehr überschaubares Teilnehmerfeld gibt, kann man bei Bedarf am Freitagabend mit den VP-Verantwortlichen reden und wird in der Regel jeden Wunsch erfüllt bekommen. Mancher verträgt ja nur bestimmte Gels oder benötigt spezielle Diät.

Strecke:
Der Untergrund ist vielfältig, wird aber dominiert von Asphaltabschnitten – Straßenschuhe sind eindeutig zu empfehlen. Die Strecke ist kaum bewaldet und so flach wie viele es von der Küste erwarten. Es gibt keine einzige Brücke über eine Straße zu erklimmen, lediglich an der Brücke über den Bodden vor Zingst, an einzelnen Deichen, am Ortseingang vor Prerow und zum Steilufer vor Wustrow geht es mal eine Handvoll Meter hoch. Dafür kann der Läufer nicht nur auf „Gut Glück“ hoffen, sondern auch durch einen gleichnamigen Ort laufen. Weitere klangvolle Orte wie Kückenshagen oder Saal am Saaler Bodden sind da bereits passiert, Neuendorf (das gibt es überall), Michaelsdorf und Bodstedt am Bodstedter Bodden folgten. Kurz danach gibt es eine Schleife bei Barth, die historisch entstanden und sonst nicht wirklich verständlich ist (km28-40). Hier gibt es nach dem VP4 (28 km) zunächst einen Abstecher auf eine Halbinsel, bei dem insbesondere der zweite Teil zurück einerseits ein tolles Panorama mit Bodden und Barth bietet, andererseits auch einen schwierigen Untergrund. Da der zweispurige Fahrweg so selten genutzt wird, dass nur schmale Spuren im Gras sind, kann man die Füße nicht nebeneinander und schlecht hintereinander setzen. Das ist schwer zu beschreiben, aber jeder ist froh, die vielleicht 3 km hinter sich gebracht zu haben. Nach kurzem Weg zum Barther Hafen mit Wendeschleife geht es wieder zurück zum VP5 (40 km, identisch mit VP4). Fahrradbegleitungen machen diesen Umweg teils gar nicht erst mit, sondern lieber eine Klönpause bei den netten VP-Betreibern oder einen Abstecher zum nahen gelegenen (Dorf-)Bäcker.

Mit absolviertem Marathon und beginnendem Ultramarathon geht es auf mehrere
Abschnitte, die sich erheblich in die Länge ziehen können:
Zunächst die Strecke über Pruchten und Bresewitz bis zur Meinigen-Brücke auf die Halbinsel (teils neben der alten Bahnlinie, deren Wiederaufbau langsam realistischer wird), dann nach Zingst und auf dem Deichweg bis zum Zingster Hafen (VP7 bei 50 km), dann laaange um den Ort Zingst herum (wunderschöne Strecke auf dem Deichweg am Bodden bis Müggenburg, aber dieses Jahr gegen den Wind…) und schließlich ostseeseitig auf dem Deich ewig bis nach Prerow (VP9 Krabbenort bei 69 km). Ein Sonnenbrand droht inzwischen dem, der nicht vorgesorgt hat, beispielsweise mit Creme aus dem Dropbag vom VP8 an der Zingster Seebrücke nach 61 km. Der Deichweg zwischen Zingst und Prerow ist stark befahren von Radfahrern, je nach eigener Form und Zufriedenheit mit sich und der Welt kann das eine wunderbare Abwechslung oder einfach nur nervend sein. Doch eigentlich stört man sich gegenseitig nicht wirklich, denn der Weg ist breit.

Auch hinter Prerow ist kaum Schatten und die Abschnitte können sich lang hinziehen. Das alles nun schon von mehreren Läufen kennend weiß ich so einigermaßen, was mich erwartet. Respekt vor der kommenden Herausforderung und Vorfreude nehmen zu, wenn auch nicht in gleichem Maße. Der VP10 am Hotel Haferland in Wieck (km75) wird von einem ehemaligen Ultraläufer betrieben und sorgte in der Vergangenheit mehrfach für leckere Überraschungen. Der Bereich hinter Born (um 80 km) ist sehr schön, denn man hat links den Bodden mit Schilfufer, sieht geradeaus schon Ahrenshoop und weiß um die Ostsee dahinter. Aber trotz gut laufbarem Untergrund scheint auch dieser eigentlich romantische Abschnitt bis zum Hafen Althagen nicht enden zu wollen. Vom dortigen VP12 nach 90 km dort geht es nun vergleichsweise abwechslungsreich noch kurz am Bodden entlang, dann über die Hauptstraße und auf den „Berg“ Richtung Steilküste vor Wustrow. Hier erreichen wir laut GPSies das Dach unserer „Tour de Bodden“ mit der gewaltigen Höhe von etwa 12 m! Wir nähern uns mit großen Schritten der Ostsee. Durch ein kleines Wäldchen geht es zum quirligen Urlauberleben in Wustrow und auf die Seebrücke mit VP13 bei km 94.

Es folgt der Höhepunkt des ganzen Laufs, der
Strandabschnitt von der Wustrower Seebrücke bis Dierhagen Ost:
Während die armen Fahrradbegleiter auf der asphaltierten (mit Ausnahme der ersten 500 m) „Deichsautobahn“ fahren müssen und aufpassen müssen nicht einzuschlafen, haben die Läufer auf dem kaum 100 m entfernten und rund 6 km langen Strandstück das Glück, endlich ihre gute Form herausholen und präsentieren zu können.  Wer sich dabei am fittesten zeigt, genauer gesagt natürlich wer den Abschnitt am schnellsten bewältigt, erhält als Sonderpreis ein Fass Bier. Weil der weiche Strandsand oft recht tiefes und anstrengendes Geläuf darstellt, ist es dabei günstiger, auf dem festeren Untergrund gleich an der Wasserkante zu laufen. Dieser Bereich mit feuchtem Sand ist aber nicht immer trittfest, manchmal kann man dort einsinken und bekommt nasse Füße. Feucht ist der Bereich auch deshalb, weil die Wellen immer mal wieder dorthin getragen werden – ein vorausschauender Blick nach rechts ist also sinnvoll. Zu beachten gibt es noch die Sandburgen und Minibuchten, die von Urlaubern erschaffen werden und die es ebenso zu umschiffen gilt wie Kinder, Spaziergänger, Badende auf deren Weg in die und aus der Ostsee. Buhnen müssen übersprungen werden und je nach vorheriger Sturmlage bilden sich zwischen den Buhnen gerade Stücke oder Mini-Buchten aus. Verschiedene Taktiken lassen sich anwenden, um sowohl den Strandabschnitt als auch den nachfolgenden Teil gut zu bewältigen. Ich persönlich liebe es, am Strand barfuß zu laufen. Dadurch werden die Laufschuhe nicht nass oder sandig und man kann sich die Füße und zumindest auch die Waden wunderbar in der Ostsee abkühlen. Ob man im erwähnten festen Sandbereich barfuß oder mit Laufschuhen schneller ist, würde ich als Ansichts- und Gewohnheitsfrage betrachten. Hier „oben“ im Norden kennen wir keine Berge oder das, was wir als solche bezeichnen würde, läuft anderswo als „‘ne Schippe Sand“ oder „kleine Delle“. Der Sandstrand ist unsere beste Alternative zu den „Entsaftern“ der Läufe in den Bergen. Also würdigt und genießt sie bitte entsprechend! Der Ausblick ist nicht allein wegen der Strandkörbe, Seebrücken, Nackedeis und Surfer konkurrenzfähig, sondern auch wegen der schönen Landschaft, oft mit Sonne und Wind.

Wichtig: Das Ende des Strandabschnitts ist von Wustrow aus noch nicht markant erkennbar. Die Streckenlänge anhand der Zeit abzuschätzen ist wegen des anderen Untergrunds schwierig. In früheren Jahren gab es sowohl Läufer, die zu früh auf den Deichweg abbogen als auch zu weit liefen, auch weil Markierungen des Veranstalters nicht erkannt oder von Urlaubern entfernt oder verdeckt wurden. Zuletzt war das perfekt, da direkt am Strand Helfer standen. Im Grunde genommen ist es recht einfach, wenn man auf die beiden weißen Holzbuden am Strand achtet, die in Dierhagen Ost stehen. Je nachdem, wie gut der Strandabschnitt lief, kann man entweder zur 100-km-Marke (VP14) aussteigen oder läuft noch weiter zurück nach Ribnitz. Für mich hat die 100er Strecke den besonderen Reiz, barfuß ins Ziel laufen zu können, das kurz hinter dem Strandabschnitt folgt – nach Überqueren des Deichs waren es vielleicht noch 200 m auf Asphalt oder dem Gras neben dem Weg bis zum Zielbogen. Wo bitte ist so etwas sonst möglich? Den Schuhtransport muss man dann aber regeln oder die Dinger in die Hand nehmen. Fahrradbegleiter sind hier natürlich sehr hilfreich, aber es ging 2023 auch, die Schuhe an der Wustrower Seebrücke abzugeben, sie kamen später am Ziel an. Manche Läufer haben die Crew des VP14 vor dem Start angesprochen und bei ihnen Wechselschuhe und Socken deponiert – was irgendwie möglich ist, versuchen die Helfer zu ermöglichen. Die Mehrheit läuft allerdings mit den gleichen Schuhen bis ins Ziel und hofft, von Sand und Nässe in den Schuhen verschont zu bleiben.

Transfer:
Wer bei 100 km aussteigt, wird nach einer Wartezeit nach Ribnitz gefahren. Wie lange das dauert, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wenn andere VPs schließen und die Helfer von dort zurückfahren, können sie oft noch jemand mitnehmen. Alternativ bestellt der Veranstalter ein Taxi. Daher ist es manchmal sinnvoll, noch ein Weilchen auf weitere Finisher zu warten. Bisher war es zumindest bei mir jeweils schneller als ich das Buffet plündern konnte.

Königsstrecke:
Der 115er Lauf führt weiter über die Dörfer Dierhagen, Dändorf , Körkwitz Hof und Körkwitz nach Ribnitz. Dabei wird teils ein Radweg neben der vielbefahrenen Hauptstraße der Halbinsel genutzt, teils sind schöne Abschnitte am Bodden bzw. am Bernsteinsee (VP15) zu absolvieren. Auch wenn sonnige Bereiche dominieren, gibt es hier immer mal wieder Bäume und damit Schatten, bis endlich das Ziel an der Bodden-Therme in Ribnitz erreicht wird. Wer sich nicht auskennt und nicht auf ein Navi bauen kann, wird positiv überrascht, wenn es rechts vom Radweg weg geht und nach wenigen Metern bereits das Ziel erreicht ist. Ein DJ sorgt hier für Stimmung. Die Schwimmhalle hat bis 20 Uhr geöffnet; wer es rechtzeitig schafft, der kann dort wunderbar duschen. Wie üblich sitzen die Läufer meist noch einige Zeit im Schatten neben dem Zielbogen und feiern sich selbst und alle anderen Finisher. Wer sie so sitzen sieht, könnte glauben, der ganze Spaß diente hauptsächlich dazu, Bier trinkend zu klönen. Auch die Finisher der 100er Strecke kommen dorthin und werden ausgezeichnet. Irgendwann verläuft sich das dann aber, weil viele einen Kurzurlaub mit Freunden machen und zum Abendessen wollen oder weil sie nach Hause fahren wollen. Die allerletzten Läufer sehen deshalb wahrscheinlich nur noch wenige Leute im Ziel. Aus diesem Grund und wohl auch weil die Helfer von DRK und Co. nach den vielen Einsatzstunden gern Feierabend machen möchten, wurden zuletzt die Zielzeiten angepasst.

Zeitlimits:
Wer am 100km-Punkt später als 18:30 Uhr eintrifft (Laufzeit >14.5 h), wird mit dieser Zeit gewertet und muss aussteigen, auch wenn der Cut-off erst eine Stunde später erfolgt (keine Wertung nach 19:30 Uhr, also bei >15.5 h auf 100 km). Wer diesen Punkt früher passiert und weiterläuft, muss es bis 21:00 Uhr ins Ziel an der Bodden-Therme schaffen, das sind mindestens zusätzliche 2.5 Stunden für die letzten ca. 13 km bzw. insgesamt maximal 17 Stunden für 115 km. Letzteres entspricht ungefähr dem 24h-Limit für 100 Meilen (6.7 km/h). Angesichts der sehr flachen Strecke, bei der vor allem die erste Hälfte relativ flott gelaufen werden kann, scheint das keine übermäßig harte Bedingung zu sein. Wenn allerdings unterwegs aufgrund Hitze, Gegenwind, Einsamkeit und nicht zuletzt Strandabschnitt ein Einbruch erfolgt und längere Gehabschnitte erforderlich sind, kann selbst ein komfortables Zeitpolster recht schnell aufgebraucht sein. 2023 waren die Zeitlimits noch anders und die Formulierung des Veranstalters deutete auf große Kulanz hin. Als jedoch einige Läufer aufgefordert wurden, ebenfalls bereits nach 100 km den Lauf zu beenden, obwohl sie den (noch gültigen) Cut-off von 18 Stunden locker schaffen konnten, waren diese verständlicherweise verärgert. Letztlich führte das nunmehr zu den aktuellen Regeln. Betrachtet man die Ergebnisse von 2023, so wären von den nur vier (!) Finishern bei 100 km alle gewertet worden. Eine Frau mit 14:00 h und ein Mann mit 13:35 h hätten auch noch weiter laufen dürfen, die beiden anderen Männer nach knapp über 14.5 h hätten nach dem neuen Cut-off auch aufhören müssen (darunter auch ich selbst mit 14:33 h, ich hatte ja eigentlich helfen wollen und mich am Vorabend spontan zur Teilnahme entschieden). Bei den 115 km hätten es nur 3 von 6 Frauen geschafft und 10 von 15 Männern geschafft: Eine Frau und zwei Männer gaben ohnehin nach der Streckenhälfte auf, eine Frau und drei Männer wären am 17h-Limit gescheitert und 3-4 weitere wären nach 100 km gestoppt worden. Das (ab 2024 neue) Limit von 15.5 h für 100 km hätten ein Mann und eine Frau gerissen und wären damit aus der Wertung gefallen. Das zeigt, dass die Zeitlimits durchaus beachtenswert sind, insbesondere für alle Läufer, die eher langsam laufen und den FDZU als lockeren Trainings- bzw. Vorbereitungslauf auf einen Saisonhöhepunkt nutzen. Vielleicht klingt das zuvor Beschriebene ein wenig hart, darum als vereinfachte Zusammenfassung: Es gilt innerhalb von 15.5 Stunden eine 100-Kilometer-Strecke zu finishen, deren erste Hälfte relativ schnell zu bewältigen ist, die zweite Hälfte hingegen so einige Herausforderungen aufweist. Auch wenn ein halbes Dutzend gefinishte 100er keine großen Vergleiche zulässt – meine offizielle Bestmarke stammt vom FDZU.

Mein Fazit:
Der Fischland-Darß-Zingst-Ultramarathon ist einer von drei fest eingeplanten Terminen meines (Lauf-)Kalenders – neben Rennsteig- und Mauerweglauf. Das bedeutet, dass ich mir vorgenommen habe jedes Jahr entweder als Teilnehmer auf oder als Helfer an der Strecke dabei zu sein. Das kommt nicht von ungefähr. Ich mag diese schöne, vielfältige und herausfordernde Strecke, das Organisationsteam und die Tatsache, dass wir Vorpommern einen Ultra im Laufkalender haben (ja – mit Hilfe der Mecklenburger). Kommt doch mal vorbei und tut Euch was Gutes!

Ich drehe schon seit Stunden hier so meine Runden …

https://www.lav-halensia.de/cms/index.php/6-stunden-lauf

Ultraläufe haben die Eigenschaft, eine lange Strecke mit einer langen Zeit zu verknüpfen. Im Grunde gibt es drei Optionen: Zum einen die Punkt-zu-Punkt-Läufe, bei denen man hinterher auf die Karte zeigen kann „von hier nach da bin ich gelaufen“ und die organisatorisch die größten Anforderungen stellen. Deutlich einfacher ist die Organisation, wenn eine oder zwei große Runden zu laufen sind und das Ziel wieder in der Nähe des Starts. Diese Variante gilt für die Mehrheit auch der Ultraläufe. Als dritte Möglichkeit bleiben noch die Rundenläufe, bei denen man immer wieder an Start und Ziel vorbei kommt. Für Läufe nach Zeit ist das fast die einzige Alternative, wobei sich Rundenlängen von 1-2 km als besonders geeignet erwiesen haben. Typisch sind neben dem 1h-Lauf im Stadion die Ultrastrecken mit 6, 12 oder 24 Stunden.

Der Hallenser 6h-Lauf wird im Park auf der Peißnitzinsel an der Saale ausgetragen. Über 50 Teilnehmer liefen am ersten Novembersamstag 2023 bei strahlendem Sonnenschein und frischen 9-12°C (Einzel, dazu kamen 9 Viererstaffeln, die nach jeder Runde wechselten). Die weitgehend windgeschützte Runde verlief brettflach auf breiten, zumeist grob asphaltierten Wegen. Zum Ende bemerkten einige Läufer allerdings einen „Berg aus dem Nichts“, der sich innerhalb 100-200 m fast auf einen ganzen Meter auftürmte und zu Gehpausen einlud. An den Zugangswegen standen kleine Verkehrshütchen und große Helfer, die nicht nur Runde für Runde alle Läufer motivierten, sondern auch Radfahrer und Spaziergänger mit Hunden, Kindern und Fortbewegungsmitteln aller Art auf den Lauf aufmerksam machten und um gegenseitige Rücksichtnahme baten. Dank breiter Wege klappte das hervorragend, Respekt und Anerkennung der Leistung traf auf große Dankbarkeit und Freude über die Abwechslung. An einer etwas rutschigeren Stelle wurde kurzerhand noch während des Laufs das frische Herbstlaub weggefegt. Kurzum, es waren nahezu pefekte Bedingungen.

1439 m Rundenlänge ergibt gut 10 km pro 7 Runden – das machte die Berechnungen einfacher (mit zunehmender Erschöpfung kann ich deutlich schlechter rechnen). Hilfreich waren auch eine große Digitaluhr mit der verbleibenden Restzeit und ein Monitor, der jeweils für 6 Teilnehmer die aktuelle Platzierung, Rundenzeit, zurückgelegte Runden und Kilometer und das Durchschnittstempo sehr schön sichtbar anzeigte. Blindfische wie ich (beim Laufen ohne Brille) liefen ganz nah vorbei und hofften, dass keine Neugierigen direkt vor dem Monitor standen. 1-2 mal habe ich auch einfach gewunken und nach meiner aktuellen Rundenzahl gefragt, die mir auch prompt hinterher gerufen wurde.

Unmittelbar hinter Start/Ziel befand sich der Verpflegungsbereich, der die übliche Auswahl an Getränken (Wasser, Tee, Cola und Kaffee) sowie fester Nahrung (Stückchen Banane, Kartoffelscheiben, Salz, Brot, Salzbrezeln, tuc, Kekse, …) bot. Zusätzlich waren Tische für die Eigenverpflegung der Läufer aufgestellt – für diese konnte man sich bei der Anmeldung einen Platz reservieren, der dann mit Startnummer gekennzeichnet war. Da ich annahm, dass jeweils ein weiterer Tisch aufgestellt wird und ich diesen aus meiner Sicht zu großen Aufwand vermeiden wollte, hatte ich nichts angemeldet und wollte nun auch nicht meine wenigen Sachen dazwischen quetschen. So stellte ich meine Trinkflasche (selbstgemachtes Isogetränk) sowie eine Dose mit Essen und ergänzenden Sachen wie Mütze/Stirnband, Handschuhe, Jacke, Schlauchtuch und mp3-Player direkt auf den Boden. Das war natürlich weniger bequem, doch über sechs Stunden wird man ja noch nicht so hüftsteif wie bei noch längeren Läufen.

Nachdem ich zuletzt das Gefühl hatte, auf allen Strecken von 10 bis 100 km immer langsamer zu werden, wollte ich die Gelegenheit nutzen und testen, wie lange ich ein schnelles Marathontempo (zuletzt vier Stunden plus einige Sekunden) halten kann. Mein eigentliches Ziel waren dabei nicht die 6h, sondern die 50 km. Diese wurden offiziell vermessen, es wurde extra eine zusätzliche Matte verlegt und da wollte ich in die Nähe von 5h kommen. Die Taktik lautete: Gegenüber einem Stundenschnitt von 7 Runden ( 10 km/h) in den ersten beiden Stunden eine Runde „herausarbeiten“ und das möglichst auf den nächsten beiden Stunden halten – und dann mal schauen. Jeder Coach sagt einem, dass dieses „Dann mal schauen“ eine ganz miese Strategie ist, aber mehr (optimistischer) zu planen habe ich mich nicht getraut. Letztlich war ich nach moderatem Start auf den ersten zwei Runden gut und locker genug drauf, den Rundenplan sogar ein wenig zu überbieten (oder unterbieten, je nach Sichtweise). Es passte halt irgendwie: Die (inoffizielle) Marathonmarke passierte ich quasi in Bestzeit (seit meinem Wiederbeginn des Laufens vor vier Jahren, nur als Student war ich schneller) und die 50 km gleich eine Viertelstunde unter den magischen 5 h! Nun war Feiern angesagt und das geht so: Nach Beendigung der 35.Runde erhält der glückliche Läufer eine Fahne (1m-Fahnenstange inklusive), die er auf der nächsten Runde stolz laufend präsentieren darf. Alle können das sehen, alle kommentieren und gratulieren (schließlich hat man das selbst bei den Läufern zuvor auch so gemacht). Es war eine Prozession, ich fühlte mich wie ein 10min-Promi! Da es nun nicht mehr drauf ankam, war die Motivation zum Weiterlaufen geringer und schnell ging es sowieso nicht mehr. Es dauerte zwei Runden, bis sich die Überzeugung durchsetzte, nicht abzubrechen und im Ultraschlappschritt weiter zu laufen, bis irgendwann die 6h um waren.

Die Umkleiden boten zwar Sofas und viele Toiletten, aber für die Dusche hätte man in ein anderes Gebäude gehen müssen, so liess ich das aus. Eine Siegerehrung war für 17 Uhr angekündigt und da ich genug Zeit hatte, wollte ich dort auch hin gehen. Wie sich herausstellte, war es sogar eine kleine Nachfeier, bei der alle in einem holzofenbeheizten Raum saßen und den Lauf und andere Abenteuer besprachen. Es gab ein leckeres Kürbiscurry mit (etwas zu wenig) Reis. Bei der Siegerehrung erhielten die ersten acht Frauen und Männer Pokale und alle Läufer Urkunden und Medaillen: Obendrein durfte sich jeder aus einer recht attraktiven Auswahl an Preisen etwas aussuchen. Gleich drei Frauen überboten den alten Streckenrekord und liefen zwischen knapp 73 und fast 70 km. Sie waren Nationalmannschaftskader für die demnächst anstehende 24h-WM in Taiwan und nutzten den Lauf als Formtest.

Anreise: Eine morgendliche Anfahrt ist weiträumig möglich, da der Start erst 10 Uhr erfolgt und das Briefing nur eine Viertelstunde früher. Halle ist per Bahn hervorragend erreichbar. Vom Bahnhof führen die Straßenbahnlinien 2 und 7 Richtung Kröllwitz in die Nähe der Peißnitzinsel. Für die Autobahnanbindung gilt Ähnliches; (kostenlose) Parkplätze sind unweit des Startbereichs reichlich vorhanden.

Gelungener Saison-Abschluss in Dresden

Am 22.10.2023 habe ich die Gelegenheit genutzt und meinen 70. Marathon/Ultramarathon gefinisht. Das war eine Marke, die ich noch dieses Jahr erreichen wollte und ich hatte die ganze Zeit nach einen Marathon in der Nähe Ausschau gehalten. Da kam der Dresden-Marathon genau zur rechten Zeit und ich hatte richtig Bock.

Am frühen Sonntagmorgen machte ich mich dann mit dem Deutschlandticket auf den Weg und kam pünktlich in Dresden an. Es galt eine Halbmarathon-Runde zwei Mal zu bewältigen. Die erste Runde führte durch den historischen Stadtkern mit einem Ausflug zum Großen Garten um das Palais. Die zweite Runde führte dann zur Abwechslung anfangs an der Promenade an der Elbe entlang, bevor wir wieder die vertraute Runde zu bewältigen hatten. Zum Ende war es dann etwas Arbeit für mich, da es immerhin der dritte Marathon/Ultramarathon innerhalb von vier Wochen für mich war.

Insgesamt war es eine schöne Laufveranstaltung bei schönem Oktoberwetter und mit meinen 04:30 Stunden im Ziel war ich wieder einmal in meiner vertrauten Pace. Erschöpft und überaus zufrieden kam ich dann abends wieder in Berlin an und war froh, dass ich mir den Montag zum regenerieren frei genommen hatte.

Von Burg zu Burg zu Schloss zu Burg

Der Drei-Burgen-Lauf in Bad Belzig

Hatte ich noch letztes Jahr aufgrund der ambitonierten Cut-Off-Zeit von sechs Stunden als „Genuß-Läufer“ vor einer Teilnahme am Bad Belziger Burgenlauf-Ultra zurückgeschreckt, war es dieses Jahr aufgrund der Ausweitung der Cut-Off-Zeit auf sieben Stunden für mich aktzeptabel. Tom und Sonja Schmitts Interventionen sei Dank!

Den Burgenlauf kannte ich bereits aus der Vor-Corona-Zeit als ich 2019 am 25 km-Lauf teilgenommen hatte und hatte die Gegend in überaus guter Erinnerung. Zudem reizte auch der Umstand, dass einige Teilnehmende der „Deutschlandquerung“ aus dem vergangenen Jahr ebenfalls in der Meldeliste zu finden war. Ich wartete noch ab, wie ich den Berlin-Marathon verkraftete und meldete mich dann am letzten Tag der Meldefrist für den 14 Tage später stattfindenden Natur-Ultra-Lauf an.

Am 08.10.2023 machte ich mich dann auf den Weg nach Bad Belzig, um im Rahmen des Burgenlaufs am 50 km-Ultra-Lauf durch den Hohen Fläming teilzunehmen und sollte es nicht bereuen.

Die einstündige Anreise mit dem Auto verlief problemlos und ich kam pünktlich und Just-in-Time an der Burg Eisenhardt in Bad Belzig rechtzeitig an, um meine Startunterlagen abzuholen und dem Kurz-Briefing teilzunehmen. Den Track hatte ich mir bereits auf meine Laufuhr heruntergeladen. Kurz noch einige Deutschland-Querulanten begrüßen und ab ging die Luzie ..

Die Strecke war sehr abwechslungsreich und ein echter Naturlauf. Wir liefen fast ausschließlich Wald- und Forstwege und kreuzten gelegentlich Bundesstraßen. Die Strecke war in einem erstaunlich gutem Zustand, nachdem es die Nacht zuvor durchgeregnet hatte. Glücklicherweise hatte der Regen am Morgen aufgehört und es war ein sonniger Oktober-Tag.

Ich lief wie immer frei Schnauze los und lies das Tempo einfach laufen, obwohl ich wußte, dass ich es wieder einmal zu schnell anging und dafür am Ende wieder bezahlen würde …. Als Nebeneffekt konnte ich jedoch mit einigen Bekannten gemeinsam laufen und dabei Erfahrungen austauschen. Bis zur Halbmarathon-Marke bei Burg Rabenstein lief es in diesem Sinne. Ab dann ließ ich es etwas ruhiger angehen und ließ die anderen ziehen.

Ab dann lief ich mein eigenes Rennen und wechselte bis ins Ziel regelmäßig die Positionen mit anderen Laufenden, die ebenfalls mein Leistungs-Niveau aufwiesen. Ab Schloss Wiesenburg  bei km 38 wurde es dann auch wieder etwas zäh für mich, was ich aber auch am Ultra-Lauf überaus schätze. Dann kommt immer die Phase der Leidensfähigkeit und des Durchhaltevermögens, was ein alter „Schiffs-Diesel“ – wie ich einer bin – durchaus schätze.

Zum Schluss war auch noch eine Endzeit von unter sechs Stunden im Bereich des Machbaren und ich machte mich daran, das auch zu erreichen. Mit 05:56 Stunden kam ich dann an der Burg Eisenhardt wieder an und war sehr zufrieden damit. Im Burghof war dann noch Gelegenheit, etwas Läufer-Latein auszutauschen, bevor es dann wieder zurück gen Berlin ging.

Alles in allem ein wirklich sehr guter Natur-Lauf. Liebevoll organisiert von den Veranstaltern, mit guter Verpflegung und sensationellen Helfern an der Strecke!

Die Generalprobe (es wird ernst )

Noch exakt vier Wochen bis zum Berlin Marathon und es besteht bei der Generalprobe in Steglitz (Halbmarathon) die Möglichkeit, seinen aktuellen Leistungsstand zu erfahren und damit zu schauen, wo geht die Reise in vier Wochen hin. Natürlich nutze ich die tolle Möglichkeit und meldete mich als SCC Mitglied dafür an. Für mich war es sehr wichtig zu ermitteln, wie meine Leistung nach längerer Laufpause ausschaut. Die letzten Wochen liefen gut und ich trainiere auch schon wieder sehr ambitioniert.

Die Anmeldung ist als Mitglied immer sehr entspannt, da man über das Anmeldeportal in wenigen Minuten registriert ist. Da ich es aus zeitlichen Gründen nicht geschafft habe, die Startnummer zu holen, war der liebe Dirk so nett und hat Sie für mich mit abgeholt. Wieder total aufgeregt und voller Vorfreude, fuhr ich am Sonntag mit Roberto nach Steglitz. Bei der Fahrt unterhielten wir uns über unsere gewünschten Zielzeiten. Roberto wolte einfach gemütlich ankommen und plante in 2 ½ h ins Ziel zukommen, wobei ich gerne eine 1:30 h zu stehen hätte, wenn alles gut lief. Organistaorisch muss ich leider sagen, dass vor allem die Taschenabgabe sehr chaotisch ablief und ich dann meine Sachen in das Auto eines Freundes gepackt habe. Das geplante Erwämen/Einlaufen war daher auch nicht möglich und es wurde doch etwas stressig. Das schönste aber war, dass ich einen Freund in der Masse gefunden habe (Karsten), mit dem ich dann auch gemeinsam an die Startlinie gegangen bin und wir beschlossen haben, gemeinsam zu laufen, da wir das geiche Ziel vor den Augen hatten. Wir machten uns auf ins Startgebiet, wo einige Tausend Laufbegeisterte sehnlichst auf den Start warteten. Um 09:03 Uhr war es endlich soweit, der Startschuss fiel. Karsten und ich machten uns auf die Spur und liefen konstant eine 4:30 Pace und sammelten damit fleißig die etwas langsamen Läufer ein. Das Wetter war perfekt und es lief auch alles nach Plan, die Stimmung war sehr schön und gefühlt hatten alle viel Spaß. Die erste Runde lief ich in 45 Minuten, leider hatte ich Karsten bei km 7 ziehen lassen, da er doch recht flott unterwegs war. Der Plan war es gewesen, nach dem ersten kleineren Anstieg schneller zu werden und zu schauen, was so geht. Ab km 12 passierte leider etwas, was ich so nicht auf dem Schirm hatte. Ich bekam Kreislaufprobleme und Salztabletten hatte ich einfach vergessen mitzunehmen. Ich bemerkte sehr schnell, dass ich definitiv ohne Salze so nicht weiter laufen konnte, da ich nicht umkippen wollte und es gab auch an der Strecke kein Salz. Somit brach ich das Rennen bei km 15 ab und lief dann gemütlich bis zum Start/Zielbereich. Für mich war es nicht schlimm abzubrechen, da ich aufgrund einer Medikamenten-Einstellung erstmal schauen muss, wie mein Körper unter Belastung so reagiert. Sicher im Zielbereich angekommen traf ich Kartsen wieder und wir kamen in den Austausch, wie der Lauf so war und was passiert ist. Karsten kam zufrieden an und lief seine 1:35 h. Ich war trotzdem happy, dass ich mit diesem Tempo soweit gekommen war. Also rundum ein tolles Erlebnis, was man zur Marathonvorbereitung gerne nutzen sollte.

Wer Lust und Zeit hat, sollte es auf jeden Fall ausnutzen.

Mit sportlichem Gruß

Euer Jan

100 Meilen-Staffel – Die „Aerosole“

Es war mal wieder so weit. Dieses Jahr ging es für Christine, Günther, Franz und mich als Staffel bei den 100 Meilen in Berlin (Mauerweglauf) an den Start. Eine Erfahrung die ich so auch noch nicht teilen durfte und dieses sollte etwas Besonderes werden.

Günther und Christine hatten ja schon Staffelerfahrung bei den 100 Meilen aber auch noch nicht in dieser Konstellation. Günther war so nett und lud Franz und mich zu der Staffel ein und wir sagten gerne zu. Christine war ja sowieso schon fester Bestandteil der Staffel.

Wir waren auch alle ganz bestimmt aufgeregt, denn es ist ja immer etwas Besonderes bei so einer Veranstaltung, die auch noch in Gedenken eines Maueropfers stattfindet. Dieses Jahr war es in Gedenken an Erna Kelm, die beim Fluchtversuch am 11. Juni 1962 in der Nähe von Sacrow beim Überqueren der Havel ertrunken war.

Die Startnummernausgabe fand traditionell am Freitag im H2O Hotel am Alexanderplatz statt, wo auch die Pastaparty und das Briefing für den Lauf war. Für Sonntag war dort auch die Siegerehrung der Einzelläuferinnen und Einzelläufer ( 161 km) geplant. Die Siegerehrung für die Staffeln war im Erika-Hesss-Eisstadion vorgesehen.

Unsere Aufteilung für die 100 Meilen:

  1. Franz:  Erika-Hess-Eisstadion – Sportplatz Teltow (56,1 km)
  2. Jan : Sportplatz Teltow – Schloss Sacrow (31,7 km)
  3. Christine: Schloss Sacrow – Ruderclub Oberhavel (36,9 km)
  4. Günther: Ruderclub Oberhavel – Erika-Hess-Eisstadion (36,6 km)

Das Rennen für die Vierer-Staffeln begann anderthalb Stunden nach den Einzelläufern und Einzelläuferinnen um 07:30 Uhr und Franz ging frohen Mutes an die Startlinie Er war höchst motiviert seinen Teilabschnitt in 7 Stunden zu absolvieren. Franz lief wie immer mega konstant und spulte sein Tempo ab. Nach einer kurzen Übergabe des Transponders stieg Jan am Sportplatz Teltow ins Rennen ein. Zu dieser Zeit benötigte Franz knapp 06:55:22 Stunden mit einer Pace von 7:24 Min./km.

Das Wetter wurde wie versprochen im Laufe des Tages sehr drückend und schwülwarm. Zeitweilig regnete es und es war sehr lange sehr bewölkt. Jan war flott unterweg und lief seine  31,7 km in 03:25:02 Stunden mit einer Pace von 6:28 min/km. Ab Potsdam wurde es extrem heiß und alle Läuferinnen und Läufer hatten mit der Hitze zu tun. Leider gab es viele, die schon ab km 60 ausstiegen. Jan hatte dann auch schwer mit der Hitze zu kämpfen, berichtete er voller Demut. Er musste von seiner anfangs sehr guten Pace von 05:45 Min./km runter gehen, was aber auch bei dieser Wtterung  völlig in Ordnung war. Besser als mit körperlichen Problemen später durch das Rennen zu schleichen. Jan kam gut durch und gab vollen Eifers in Sacrow an. Christine hatte bereits vor dem Wechselpunkt an der Gedenkstele von dem Maueropfer Erna Kelm auf ihn gewartet.

Christine ging dann am Schloss Sacrow mit einer Gesamtzeit von  10 Stunden und 20 Minuten ins Rennen und musste von dort bis zum Ruderclub in Hennigsdorf laufen. Es war auch klar, dass sie jetzt in die Nacht hinein laufen würde. Auch Christine ist mit einer konstanten Laufleistung zum Ruderclub gelaufen und hat Ihre 37,9 km in 05:27:05 Stunden mit einer Pace von 08:51 Min./km absolviert. Auch sie war mit ihrer Leistung sehr zufrieden. Das Tolle war, dass sie von ihrem Ehemann mit dem Fahrrad durch die Nacht begleitet wurde und mentale Unterstützung hatte.

Zuletzt ging Günther auf die letzten 36,60 km durch die Nacht, um unsere Staffel sicher ins Ziel zu bringen. Er war in einer stabilen Form, hatte aber die Nacht vor sich. Ausgerüstet mit Stirnlampe, Rettungsdecke, Soft Flack und einer Warnweste ging es nun los. Voller Tatendrang lief Günther ganz stabil duch die Nacht. Günther erzählte voller Begeisterung, dass er in der Nacht eine Mitläuferin hatte, die die volle Distanz lief und super fit war. Diese hatte ja immerhin schon gut 130 km in den Beinen und war wohl so fit das Sie noch hätte Stunden weiter laufe können. Zusammen finishten die beiden und unterhielten sich noch ein wenig.

Am Samstag war dann die Siegerehung der Staffeläufer. Es kochten natürlich noch einmal die Emotionen hoch und alle Läuferinnen und Läufer kamen zusammen. Es war ein tolles Gefühl und alle bejubelten die letzten Einzelläuferinnen und Einzelläufer, die währenddessen ihre 161 km finishten. Es war megaspannend. Dann war es soweit, wir belegten den 35. Platz von 52 angekommenen Vierer-Staffeln und erhielten die Urkunden und Medaillen. Wir machten nochmal tolle Fotos von uns. Ein starkes Team und ein wunderschönes Event ging zu Ende.

Neuer Autor an Bord

Seit heute ist Ralf mit von der Partie. Ralf ist ein erfahrener Ultra-Läufer, den ich bei den 100 Meilen von Berlin 2021 kennenlernen durfte und mit dem ich im letzten Jahr gemeinsam die Deutschland-Querung gelaufen bin.

Ralf wird hier Erfahrungsberichte und Tipps einstellen und trägt auf jeden Fall zur Bereicherung diese Seite bei. Ein erster Bericht ist bereits online.

Herzlich willkommen, Ralf!

Von Bremen nach Sankt Pauli – Scheitern als (Lern-)Chance

Ein Erfahrungsbericht

Das Laufmotto reizte mich ungemein: „100 Miles in a Day: Von Bremen nach Sankt Pauli laufen“. https://www.bremensanktpauli.de/

Das Ganze startete am Pfingstsonntag um 00:00 Uhr und sollte bis Mitternacht beendet sein. Die allgemeine Vorbereitung auf diesen Saisonhöhepunkt 2023 startete wie bei mir üblich ein halbes Jahr zuvor nach einer anstrengenden Saison 2022 und einer längeren (erkältungsbedingten) Ruhephase im Oktober, die lediglich durch den gemütlich absolvierten Rügenbrückenmarathon unterbrochen war. Meist lief ich 3x wöchentlich nach der Arbeit eine Stunde mit einigen Kollegen sowie längere Einheiten am Wochenende, dabei auch den Teammarathon in Leipzig im Januar, zwei Ultras (55 & 100 km) im Februar, 100 km in Grünheide-Störitz im Februar sowie 170 km beim JUNUT im April. Als Auflockerung probierten ein Laufkollege und ich auch mal das Backyard-Format und liefen mal von 6-12 Uhr und einmal von Mitternacht bis 12 Uhr, was eine Gelegenheit bot, die ungewohnte Startzeit auszuprobieren. Franz kennt das ja von Biel, wo die 100 km um 22 Uhr gestartet werden.

Im Wesentlichen war ich mit dieser Vorbereitung zufrieden, allerdings hatte ich dabei einen überraschenden Aussetzer ausgerechnet in Störitz: Bei der 3.Teilnahme in Folge schaffte ich es dieses Mal nicht, die 100 km in rund 12 h zu bewältigen. Im Gegenteil, nach 2/3 der Strecke waren Kopf und Beine so leer, dass es mein erstes „DNF“ überhaupt wurde (von einem Kurztriathlon mit strömendem Regen in den Neunzigern abgesehen, den ich zähneklappernd nach dem Schwimmen abbrechen musste).

Nun kam also gleich das zweite DNF dazu, wovon ich hier berichten möchte. Schließlich ist halt nicht immer nur Erfolg und Sonnenschein. Insbesondere bei den Ultraläufen scheint es, als wäre ein Abbruch mit zunehmender Streckenlänge immer wahrscheinlicher. Bei manchen Läufen ist die Abbrecherquote sogar höher als die der Finisher. Bremen-St. Pauli zählt definitiv dazu: Von 20 gemeldeten Teilnehmern starteten letztlich 16; davon gaben die Hälfte unterwegs auf und von den anderen 8 schafften es nur Matthias Kranz und Matthias Kröling sowie Katrin Grieger in weniger als 24 h, die anderen fünf blieben zusammen anderthalb Stunden über dem Zeitlimit. Daran kann man schon erkennen, dass es keine leichte Aufgabe war, den Lauf fristgemäß zu finishen.

Woran es bei mir letztlich gelegen hat, dass ich selbst nach etwas mehr als der Hälfte aufgab, kann ich gar nicht genau sagen, wahrscheinlich war es eine Mischung mehrerer Ursachen. Im Vorfeld hatte ich mich auf gedanklich diese Möglichkeit eingerichtet und den JUNUT 170 zum zweiten Saisonhöhepunkt erhoben, der ja dann erfolgreich war. Das hat auf jeden Fall den Druck etwas herausgenommen und die Enttäuschung enorm reduziert.

Einerseits ist 100 Meilen in 24 h zu laufen für mich ein ambitioniertes Ziel, zu dessen Erfüllung einige Dinge passen müssen. Bisher sind meine diesbezüglichen Erfahrungen nicht gerade groß: 2021 in Berlin waren es knapp 25 h, andere Läufe waren kürzer oder langsamer, weil bergig. Andererseits war ich letztendlich so weit weg davon, die 100 Meilen zu schaffen, dass es mich etwas überraschte.

Der ursprüngliche Plan beinhaltete eine sehr frühe Anreise. Das hätte bedeutet zwischen 20 und 23 Uhr wartend allein zu verbringen, da die Organisatoren aus Hamburg stammen und erst spätabends anreisten. Der Start war direkt am Weser-Stadion, wo freundlicherweise einer der Fan-Räume genutzt werden konnte. Übrigens kamen gerade Werder-Fans vom Union-Spiel aus Berlin zurück, die nicht ganz zu wissen schienen, ob sie sich wegen des verlorenen Spiels ärgern oder den Abschluss einer erfolgreichen Saison feiern sollten.

Um einen langen Aufenthalt vor dem Stadion zu vermeiden, bin ich letztlich spät angereist und war erst 20 min vor dem Start da: Trotz Umziehen und Sachen packen im Zug war die Vorbereitung mit Briefing, T-Shirtausgabe, Dropbag, Fotos, etc. natürlich etwas hektisch! So haderte ich zu Laufbeginn noch mit den Einstellungen am GPS-Gerät und schaltete auch den Tracker nicht ein. Ob ich das hätte tun müssen oder nicht, weiß ich gar nicht, aber er lief nicht richtig und beim ersten VP gab es einen neuen.

Es liefen alle sehr schnell los, jedenfalls für mich viel zu schnell. Mittlerweile überrascht mich das nicht mehr so sehr, aber so richtig verstehe ich es immer noch nicht. An mangelnder Erfahrung liegt das definitiv nicht, denn die war auch hier bei meisten Teilnehmern riesig, was mir enormen Respekt einflößte. Sicherlich kann bei einem (langen) Ultralauf kaum jemand sein Tempo über die gesamte Distanz beibehalten wie es bei kürzeren Läufen bis zum Marathon noch möglich ist. Da ich nicht sofort abgehängt und allein sein wollte, blieb ich erst mal hinten dabei. Gefühlt waren es 9-10 km/h und der erste VP nach ca. 18.5 km war schon nach glatt 2:00 h erreicht. Gegenüber dem erforderlichen Mindesttempo für 100 Meilen in 24 h von 6.7 km/h ist das fast das anderthalbfache! Eine meiner Sorgen ist das freie Navigieren mittels GPS-Gerät, also das Finden der Strecke und rechtzeitige Abbiegen, aber hier war das (noch) entlang des Weser-Radweges und daher sehr einfach. Da hätte ich also wirklich langsamer laufen müssen, vielleicht hätte das dann noch jemand anderes gemacht.

Die Dunkelheit war kein Problem. Ende Mai, in der Nähe bzw. an den Ausläufern der Großstadt in einer sternenklaren Nacht mit etwas Mondschein war es auf dem Deich alles andere als stockdunkel, da genügte selbst eine recht schwache Stirnlampe. Das war auch kein Problem, als es später in der Nacht kleinere Waldabschnitte gab. Die Morgendämmerung setzte bereits vor 4 Uhr ein und 5 Uhr war es sogar hell genug, um ohne Stirnlampe zu laufen.

Da meine alten Schuhe bereits alle sehr herunter waren (im Durchschnitt hatten sie deutlich über 1000 km weg, wobei ich einige spezielle Paare nur zur Abwechslung oder bei bergigen Trailläufen trage), hatte ich zwei Wochen zuvor beim Rennsteiglauf zwei Paar Laufschuhe gekauft. Nach einem in der zweiten Hälfte (vor allem bergab) zu schnell gerannten Rennsteiglauf-Marathon war ich aber erst einmal körperlich geschafft. Ein Paar erlebte zumindest das Auslaufen am übernächsten Tag, doch wegen schmerzender Oberschenkel lief es nicht recht (5-6 km Traben). Dann kam die große Erkältung, ausgehend oder begleitet von Allergie-Problemen. Damit lag ich erst im Bett und war dann so schlapp, dass ich lieber gar nicht erst gelaufen bin. Das ist natürlich nicht optimal vor 100 Meilen, doch auch sonst ist vor so einem langen Lauf in der letzten Woche fast nur Ruhe angesagt. Die neuen, nicht eingelaufenen Schuhe drückten jedenfalls und belasteten die Fußgelenke, was beim Lauf deutlich zu spüren war.

Dazu kam ein fast stechender Schmerz beidseitig an den Rippen, wo die Laufweste an den Brustkorb drückte. Das war völlig neu und unangenehm! Ein wenig Linderung verschaffte es, die Laufweste nur oben zu schnüren, aber dann schlackerte es wegen der beiden Trinkflaschen. Wie viel Trinken erforderlich ist, kann ich oft nicht gut einschätzen. Manchmal trinke ich zu wenig, meist aber reichlich. Wegen der Wärme am Tag war natürlich der Salzhaushalt zu beachten. Der Plan bestand ursprünglich darin, meist eine Flasche mit Wasser und die zweite Flasche mit Iso-Getränk zu füllen; das Pulver war selbst zusammengestellt und in kleinen Tüten dabei. Das ging zunächst ganz gut, aber möglicherweise habe ich mich doch verschätzt und es wurde hier eines der größeren Probleme.

Sowohl bei VP2 (40 km) als auch VP3 (61 km) wurden meine jeweiligen MitläuferInnen kurz vor dem VP langsamer und beendeten dann leider den Lauf. Ich selbst fühlte mich nach 40 km noch gut, doch beim VP3 nach 61 km merkte ich schon so einige Probleme. Nun wurde es warm und sehr einsam, Die Orientierung klappte ohne Probleme, aber permanent das GPS-Gerät in der Hand zu halten war noch immer ungewohnt. Die Strecke bis zum nächsten VP4 bei 78 km zog sich ganz schön hin entlang einer wenig befahrenen Straße, an Feldern vorbei über kleine Hügel, querte die A1 unten und oben. Abgesehen von einem Pärchen, das wir überholt hatten und von dem nicht sicher war, ob sie noch im Rennen waren (sie liefen deutlich über 100 km), war ich nun allein hinten, wobei das bei so einem kleinen Feld wenig bedeutet.

Nach glatt 10 h waren bei VP4 mit 78 km knapp die Hälfte der Strecke absolviert. Eigentlich eine gute Zeit, die genügend Reserven für die anstrengendere zweite Hälfte, die beginnende Hitze und die Müdigkeit am Abend bieten sollte. Am VP4 startete gerade ein Läufer und ein anderer machte noch Pause. Da es ein „großer“ VP mit besonders umfangreichem Angebot einschließlich warmer Gemüsesuppe und dem Dropbag zum Nachfüllen der Vorräte sowie für Kleiderwechsel war, war eine längere Pause sinnvoll. Wegen der unsicheren Schuhsituation hatte ich ein Paar meiner uralten Laufschuhe eingepackt und wechselte auf diese. Hier sollte vielleicht endlich einmal erwähnt werden, dass der Lauf von 5 Enthusiasten aus Hamburg organisiert wurde, die etwas Großartiges auf die Beine stellten:

Obwohl sie nur so eine kleine Gruppe sind und sich das Feld erwartungsgemäß weit auseinander zog, gab es etwa alle 20 km die Verpflegungspunkte mit einem sehr breiten und spezifisch für Ultraläufer ausgewähltem Angebot. Wasser, Iso, Cola, Fanta, Kaffee gab es überall, meist auch Brühe und Bier. Salzige und süße Snacks, selbstgebackener Kuchen, Obst und Gemüse, Brot mit Aufstrichen sowie Riegel wurden angeboten. „Der Einfachheit halber bieten wir alles vegan an“ – was für eine Knalleraussage für jemand wie mich, der Probleme mit Milchprodukten hat und normalerweise gar nicht erst das Wort „laktosefrei“ anbringen mag, um nicht wie ein Nörgler zu wirken. Klar, bei den 100 Meilen von Berlin ist die Vielfalt noch größer, auch dank der ganzen Helfer sind die Stände größer und individueller bestückt. Aber was bei vielen hundert Teilnehmern geboten wird, kann von einer Handvoll Leute für anderthalb Dutzend Läufer unmöglich erwartet werden. Es war einfach toll!

Zurück auf der Strecke gab es nun immer mehr Radfahrer. Der Weg führte entlang eines Radwanderwegs, des nächsten Flusses, des nächsten Orts (Sittensen) – und da waren sie wieder, die ewigen treuen Krisenbegleiter Erschöpfung und Zweifel. Wozu das alles – Du bist doch müde und geschafft, wer weiß, ob die Zeit überhaupt reicht, es ist heiß und Durst hast Du auch… Der Podcast war wie geplant nicht zu aufregend, sollte mich ja noch stundenlang beschäftigen ohne aufzuregen. Manchmal hilft dann noch, in den Power-Modus überzugehen: Aufputschende Musik und reichlich Cola. Aber irgendwie hatte ich für beides scheinbar die Gelegenheit verpasst…

Der nächste VP, Nummer 5 nach 95 km, ist der einzige unbesetzte VP. In der Mitte des Rennens wird es nicht nur schwierig, die sich überschneidenden VP-Zeiten zu bedienen, sondern auch so warm, dass die einzelnen Abschnitte nicht zu lang sein sollten. VP5 lag klar beschrieben und einfach zu finden an einem Schuppen der Bahnanlagen direkt neben einem Bahnübergang und bot Getränke zum Auffüllen von Körper und Trinkflaschen. Langsam kam er näher, doch als er schließlich nach knapp über 13 h erreicht war, stand die Entscheidung schon fest: Aufgabe! Daran änderte auch das Trinken nichts. Schweren Herzens rief ich die Rennleitung an und teilte den Entschluss mit. Da gab es keinen Überraschungsmoment, schließlich lag ich recht weit hinten, es hatten schon mehrere Läufer aufgegeben und welchen anderen Grund sollte es sonst auch geben für einen Anruf? Überzeugungsarbeit kann man vielleicht leisten, wenn es sich um einen Lauf mit kurzen Runden oder geringen Abständen zum nächsten VP handelt. Hier war auch die Aussicht auf Nudelsalat nicht verlockend genug, weitere 11 km zu absolvieren. So holten mit die freundlichen Organisatoren mit einem Auto ab und fuhren mich zum nächsten Bahnhof, während des zweite mit meinen Sachen ebenfalls dorthin kam (Dropbag und Rucksack fürs Ziel). Damit konnte ich direkt heimfahren und hatte noch als Trostpflaster etwas restliches Pfingstwochenende zum Ärgern, äh zur mentalen Aufarbeitung des Laufs.

Der Lauf schien zunächst ein Versuch der Organisation eines Ultralaufs zu sein, bei dem nicht klar war, ob es eine Wiederholung geben würde. Am Veranstaltungstag  hieß es dann bereits, dass die fünf mit dem bisherigen Verlauf der Premiere insgesamt ganz zufrieden waren und eine Neuflage in zwei Jahren planten. Inzwischen wurde die 2.Ausgabe von Bremen-St. Pauli auf Pfingsten 2024 gelegt – eine Woche nach dem Rennsteiglauf. Da ist sie, die Gelegenheit, eine offene Rechnung zu begleichen, liebe Freunde!

So verabschiede ich mich mit einem „Manche lernen’s nie“,

Ralf

PS: Es lohnt sich wirklich, diese kleine aber feine Veranstaltung anzugehen. Kein Megaevent, aber eine Herausforderung für Körper und Geist mit sehr schöner Streckenwahl.

Bieler Nächte

Am zweiten Juni-Wochenende war ich zum dritten Mal zu den Bieler Lauftagen. Es gibt ja solche Orte und Läufe, zu denen es einen immer wieder hinzieht. Biel gehört für mich definitiv dazu. Nachdem ich bereits 2015 und 2018 dort die 100 km gefinisht hatte, war es nun nach überstandener Corona-Zeit überfällig.

Voraus ging eine mehrmonatige Planungsphase mit mehreren Lauffreunden, von denen letztendlich Jan und ich übrigblieben. Dies tat aber unsere Euphorie keinen Abbruch. Wir reisten bereits am Donnerstag an und hatten uns am Flughafen Zürich verabredet. Die letzte Teilstrecke nach Biel bewältigen wir gemeinsam mit der Schweizer Bahn.

Angekommen in Biel wollten wir gleich unsere Startunterlagen abholen und machten uns auf den Weg zur Tissot-Arena, die zu unserer Überraschung etwas außerhalb der Stadt lag. Wir waren bei unseren vorherigen Teilnahmen an den Startbereich im Stadtzentrum gewohnt und vermissten vor allem die Läufermesse und das Merchandising. Hatte ich mir doch fest vorgenommen, eine Biel-Mütze zu erstehen.

Anschließend ging es zu unserer Unterkunft der Lago Lodge, einem Hostel in Nidau unweit vom Bieler Bahnhof und fast direkt am Bieler See gelegen. Dort war ich bereits bei meiner letzten Teilnahme in Biel und hatte die Unterkunft in bester Erinnerung. Mein damaliger positiver Eindruck bestätigte sich erneut. Eine Super-Unterkunft mit gutem Ambiente und sehr empfehlenswert! Wir bezogen unser Zimmer und gingen früh schlafen. Die Strapazen des Reisetages waren spürbar und das Tapering für den anstehenden Nachtlauf am kommenden Abend hatte Priorität.

Den Race-Day begannen wir mit einem gemütlichen Frühstück und Schweizer Käsespezialitäten – ein Genuß! Anschließend nutzten wir die Gelegenheit und machten vormittags eine ausgedehnte Schifffahrt auf dem Bieler See. Eine herrliche Art der Fortbewegung ohne sich körperlich anstrengen zu müssen. Wir wussten, dass wir dann abends genug gefordert würden. Den restlichen Tag verbrachten wir mit Ausruhen, Schlafen und Grübeln, welche Ausrüstung wir mit auf der Strecke nehmen würden. Ich entschied mich dann doch für den Laufrucksack und ein Drop-Bag für Kirchhberg.

Abends machten wir uns dann auf den Weg zur Tissot-Arena. Unterwegs trafen wir viele Läufer und insbesondere einen Biel-Veteranen aus Duisburg, der uns aufklärte, dass die Tissot-Arena der historische Startort der Bieler Nächte war. Die Atmosphäre dort war magisch. Die Dämmerung brach bereits an und der steigende Adrenalinspiegel aller Teilnehmenden lag spürbar in der Luft. Pünklich um 22 Uhr erfolgte dann der Start der 100 km vor vollbesetzten Tribünen, Pyrotechnik und dem Lied der Toten Hosen „An Tagen wie diesen …“. Gänsehaut!

Es ging dann gleich flott los und ich überzog meine geplante Pace spürbar. Nachdem wir das Stadtzentrum passiert hatten, ging es hinaus nach Port und den ersten Anstieg nach Bellmund. Danach ging es weiter in der Nacht auf Feld- und Flurwegen Richtung Aarberg – dachte ich zumindestens. Doch nicht nur zu meiner Überraschung führte die Streckenführung an Aarberg vorbei und leider nicht über die historische Brücke über die Aare – ein Highligt und HotSpot meiner vorherigen Teilnahmen – schade …

Es ging weiter nach Lyss, wo die Radbegleiter auf Ihre Läufer warteten und ins Rennen miteinsteigen durften. Jan hatte bereits – wie in der Vorbereitung auch – wieder Probleme mit der Wade, die stetig zunahmen und ihn schweren Herzens in Lyss zur Aufgabe zwangen. Wir verabschiedeten uns und wünschten uns alles Gute.

Nun war ich alleine auf der Strecke und hatte noch knapp 80 km vor mir. Ein völlig neues Gefühl, hatte ich doch bei meinen bisherigen Teilnahmen jeweils durchgehend oder fast bis zum Ende Begleitung dabei. Nach etwa 30 km kam dann die Krise! Auf einem Schlag war alles weg. Keine Kraft, keine Zuversicht, keine Ressourcen – leerer  Tank! Damit hatte ich nicht gerechnet. Zwar wusste ich, dass so lange Läufe auch Krisen beinhalten, aber so früh hatte ich noch keine gehabt. Was nun folgte war ein einziger mentaler Kampf mit meinem inneren Schweinehund und ich biss mich durch. Ich wurde immer langsamer und hatte teilweise das Gefühl, dass ich nur noch im Schneckentempo voran kam. Die Krise endete erst bei km 53 kurz vor Kirchberg, wo ich innerlich schon meine Aufgabe akzeptiert hatte. Doch wie durch ein Wunder war ich plötzlich wieder bei Kräften. Krisen kommen und Krisen gehen! Non Stop Ultra! Wohl auch die Aussicht auf mein Drop-Bag und den Wechselklamotten hatte mich beflügelt. Nach einer erholsamen Pause in Kirchberg lief es dann wie am Schnürchen und ich machte Plätze gut.

Letztendlich kam ich dann nach 14 Stunden und 40 Minuten erschöpft und glüklich ins Ziel und war wieder um eine Erfahrung reicher!