Kalt – Hart – Schön? Der Nachbericht

(Der Vorbericht findet sich hier)

Es ist halt wie es ist, so auch mit dem Werbeversprechen der Brocken-Challenge:

Kalt war es nun wirklich nicht. Beim Start morgens um 6 Uhr waren 10 Grad angekündigt und wohl auch vorhanden, später wurde es etwas kühler (=weniger warm) und am Brocken endete der Lauf in der Nähe des Gefrierpunkts. Aber für einen Lauf Mitte Februar auf den höchsten Berg Norddeutschlands mit ausgewiesen alpinem Klima, der in den vergangenen Jahren oft mit eisig-kaltem Wetter, Glatteis, meterhohem Schnee oder ähnlichen Wetterbedingungen für die größten Herausforderungen sorgte, glich das Ganze eher einem „Lauf in den Frühling“. Der leichte Westwind (eher im Rücken als im Gesicht) und wenige matschige Abschnitte änderten daran nicht viel. In vergangenen Jahren war auch das manchmal anders, da gab es teils Schlammbäder auf früheren Wanderwegen nach Einsätzen von „Harvestern“. Zwar hatte es im Vorfeld reichlich Regen gegeben, aber glücklicherweise waren die Wege nicht zerfurcht und meist gut laufbar. Nur ein matschig-schlammiger Anstieg über etwa einen Kilometer ist mir in Erinnerung geblieben.

Das sind perfekte Bedingungen für schnelle Zeiten und die gab es reichlich (Ergebnisse), unter anderem Streckenrekorde bei Männern und Frauen!

Schön ist vieles an der Landschaft! Es gab mehrfach schöne Aussichten bei teils hoher Sichtweite, auch wenn der Himmel zwischendurch immer wieder bewölkt war. Noch kurz unter dem Brocken gab es ungewöhnliche Blicke, oben war dann „natürlich“ Brockenwetter, also Nebel. Weniger schön hingegen ist, was man in der Nähe sieht: Totalschaden am Wald, wie es mittlerweile nicht nur vom Harz, sondern auch von anderen Mittelgebirgen bekannt ist (siehe Franz Bericht zur Deutschland-Querung 2022). Bilder davon zeigen unter anderem die Berichte anderer Läufer, die man auf der Homepage des Laufes findet. Lichtblicke geben jedoch nicht nur die fehlenden Baumkronen, sondern auch immer öfter Neubewuchs und Anpflanzungen. Ein Teil der Spendengelder geht an entsprechende Projekte.

Laufen mit dieser speziellen Ultra-Familie ist sowieso eine schöne Sache und die Erlebnisse sind auf jeden Fall da.

Hart kann jeder Lauf sein, wenn man das Tempo entsprechend gestaltet. Die vielen Bergpassagen bieten dazu reichlich Gelegenheit! Der (erste) Entsafter kurz nach Marathondistanz prägte mich am stärksten, da Axel, mein Begleiter über den ganzen Lauf, mich nach der kurzen und sehr steilen Gehpassage anspornte, diesen über fast 10 km gleichmäßig seichten Anstieg möglichst durchgängig zu laufen. Das klappte sogar weitgehend, aber danach war es erst einmal vorbei mit der Wohlfühlatmosphäre! Insgesamt hat die zweite Streckenhälfte viel mehr (positive) Höhenmeter, aber wir bewältigten sie in etwa der gleichen Zeit, ganz entgegen meinen ursprünglichen Plänen und Absichten. So kamen wir sogar noch im Hellen an und sahen auf dem Goetheweg die Brockenbahn passieren (siehe Beweisfoto). Natürlich war ich sehr geschafft, aber glücklich, endlich oben angekommen zu sein. Dusche (heiß und kurze Wartezeit!) und Essensbuffet (eher kein Hunger, nachdem ich am letzten VP das Kuchenbuffet geplündert habe) sowie ein schöner Holzaufsteller statt einer klassischen Medaille waren ein wohlverdienter Lohn für die Mühen. Insgesamt hatte ich das Gefühl, mich nicht komplett verausgabt zu haben, womit ich sehr zufrieden war. Der 7 km lange Abstieg wurde zu einer netten Nachtwanderung in einer Gruppe und nach moderater Wartezeit in der Hochmoorbaude bei Tee und Resten der Verpflegung kamen wir alle noch im ersten Bus nach Göttingen unter (21:30 Uhr, der zweite Bus fuhr erst 23 Uhr). Zugeben muss ich jedoch, dass ich mich zwar in den nächsten 2-3 Tagen gut und besser fühlte, obwohl sich noch eine Dienstreise anschloss, aber dafür nach 5 Tagen total fertig war und das Kreuz / die Hüfte Probleme bereitete. Keine gute Voraussetzung für die „Reise in den Süden“, die für das nachfolgende Wochenende anstand! Die Anmeldung musste aber wegen knapper Startplatzressourcen bereits im November erfolgen, also bevor am 1.Dezember das Ergebnis der BC-Lotterie verkündet wurde.

Fazit: Die Brocken-Challenge ist bei jedem Wetter eine Reise wert! Aber ich habe die Warmduscher-Version erwischt – ob das extra wegen mir Warmduscher war? Naja, so wichtig ist keiner.

Die größte Challenge ist und bleibt nun einmal, den Anforderungen des harten (Winter-) Wetters zu trotzen und heldenhaft zu finishen, im Orkan oder mit vereisten Augenbrauen und Trinkflaschen oder Füßen im Eiswasser oder Schnee bis zu den Hüften oder Schlamm bis zu den Waden oder oder oder. Für mich steht fest: Das war ein Finish außer der Reihe, zählt als harter Ultralauf, aber nicht als „echte“ Bewältigung einer Brocken-Challenge. Ich werde es wohl noch einmal versuchen und meinen Namen in den Lostopf werfen. Dann in Erwartung geringerer Chancen bezüglich der BC-Lotterie, aber höherer Chancen bezüglich der Wetter-Lotterie à BC 202x – Here we go!

Der Berg ruft! Vorbereitung auf die Brocken-Challenge am 17.02.2024

Ein Lottogewinn
Immer wieder muss ich an den berühmten Loriot-Sketch mit „Erwin Lindemann“ denken, dem Lotto-Gewinner, der ein Fernsehinterview geben soll und durch die ganze Filmcrew und immer wieder neue Aufnahmen am Ende so aufgeregt ist, dass er nicht mal seinen eigenen Namen nennen kann. Ein Lotterie-Gewinner bin auch ich – bei der BC-Verlosung habe ich einen Startplatz gewonnen1. BC steht für Brocken-Challenge und ist eine wunderbare Veranstaltung Göttinger Lauffreunde, die sich im Ausdauer- Sport für Menschlichkeit (ASFM) organisiert haben.

Die Idee
Die eine Idee: Lasst uns doch mal auf den Berg um die Ecke laufen. Nun gut, jener Berg namens Brocken steht halt 80 km weit entfernt, aber das gehört zu den Details, nix was Ultraläufer vom Plan abbringen würde. Die nächste Idee: Wenn schon, dann bei bestem Wetter, also Mitte Februar; im Sommer kann das ja jeder. Die dritte Idee: Verbinden wir das Ganze mit einer Spendenaktion. So gibt es keine Startgelder, alle Leistungen der Veranstalter und seiner Helfer erfolgen unentgeltlich, hinzu kommen viele Sach- und Geldspenden. Alle Einnahmen gehen in die große Spendenkasse, aus der in 19 Jahren fast 400 000 € an eine lange Liste karitativer Einrichtungen und Organisationen in der Region und der Welt verteilt werden konnten.

Die Vorbereitung:
Keine Winterpause
Wie bereitet man sich auf etwas Unbekanntes vor, das viele Unwägbarkeiten verspricht? Normalerweise machen Läufer zwar keinen Winterschlaf, aber doch einige Wochen Pause bzw. stark reduziertes Programm zur Erholung im November/Dezember. Nach den Festessen geht es mit guten Vorsätzen ins neue Jahr und die meisten haben dann im Mai bis Juni den ersten läuferischen Jahreshöhepunkt, auf den sie typischerweise um die 20 Wochen trainieren. Das funktioniert nicht, wenn man zur BC im Februar fit sein will, zumindest fit genug, um mit guter Wahrscheinlichkeit und Zufriedenheit ins Ziel zu kommen. Also gab es dieses Mal keine Winterpause, dafür im November noch zwei Läufe (ein kurzer schneller Rundenlauf und ein langsamer langer Ultra beim „kleinen“ KoBoLT) und mehr oder weniger normales Training.

Wintertraining
Die spezifische Vorbereitung begann kurz vor Weihnachten mit einem Ausflug in die nächste Kleinstadt: Mit Wintersachen und Laufweste laufen, sich zwischendurch selbst verpflegen und im Supermarkt nachkaufen für ein Mittagessen. Später kamen Läufe im (in Greifswald eher ungewöhnlichen) Schnee hinzu, erste Tests mit neuen, unterschnallbaren Spikes für Schnee und Glatteis (ohne die wird es sonst im Hochgebirge zum Risikospiel) sowie mit Neopren-Socken. Letztere Neuerwerbung ist der Sorge geschuldet, dass bei Kälte in Kombination mit Schnee oder (überfrorenen) Pfützen ein längeres Laufen mit nassen und kalten Füssen erforderlich sein könnte. Von früheren Ausgaben der BC gibt es reichlich Berichte darüber. Dagegen sollen die Socken gut helfen, nach dem gleichen Prinzip wie bei ihren großen Geschwistern, den Neoprenanzügen für Wassersportler. Diese sind zwar auch nicht wasserdicht, helfen aber eine wärmeisolierende (Wasser-) Schicht um den Körper aufzubauen. Bei perfekten Bedingungen in Form von Schneematsch und Niesel mit Temperaturen leicht über dem Gefrierpunkt erfolgte kürzlich noch ein Härtetest. Ich habe mir das bei den Experten im Matschwesen abgeschaut – Kindern, die mit Gummistiefeln und Matschhose so lange in Pfützen herumspringen, bis es von Erziehungsberechtigten verboten wird. Mangels Letzterer bin ich allein und nur durch alle Pfützen gelaufen, die ich auf der Laufstrecke finden konnte. Das genügte für die Feststellung, dass das irre Spaß bereitet und dass die Füße zwar gut naß, aber bei laufender Bewegung bald darauf auch wieder warm werden. Natürlich auch, um die Hose knieabwärts ebenfalls einzunässen. Wie sich das auf die bei Nässe üblichen Blasen an schrumpeliger Haut auswirkt, muss dann der Langzeittest zeigen, da reichen zwei Stunden noch nicht aus (zum Glück).

Warmduscher
Das Laufen bei Schneefall und Dunkelheit zu trainieren war ein ähnlicher Spaß. Mit Stirnlampe ausgestattet, war die gefühlte Sichtweite ungefähr eine Armlänge – ein großartiges Vergnügen! Tatsächlich sieht man schon ein paar Meter mehr vom Weg und reflektierende Verkehrsschilder gar hundert(e) Meter. Was sich hier im Norden Deutschlands ebenfalls einfach üben läßt, ist das Laufen bei Sturm, Regen und Kälte. So ließen sich immer wieder Übungseinheiten mit dem Schwerpunkt „Frieren und Laufen“ einstreuen. Dabei stellte ich fest, dass nicht mehr viel von einstiger Abhärtung durchs Freiwasserschwimmen übrig ist, auf die ich mal mindestens so stolz war wie die klappernden Zähne weit zu hören. Die finale Transformation zum laufenden, warmduschenden Weichei scheint vollzogen.

Berglauf?
Skeptiker werden vielleicht einbringen, dass bei knapp zwei positiven Höhenkilometern auch das Berglaufen eine gewisse Bedeutung haben könnte. Das mag sein, aber Berge in dem Sinne von Höhenunterschieden gibt es hier eben nicht wirklich. Manche der höchsten Erhebungen sind in fast jedes Training eingebaut, aber der Trainingseffekt ist zweifelhaft bei einer Straßenbrücke bzw. Unterführung. Ansonsten setze ich auf Altbewährtes: Streckenprofile anstarren und Internetvideos gucken sowie Berichte lesen. Das hat mir schon beim bisher einzigen Ausflug in die Welt der Etappenläufe nach wenigen Tagen „Shin-splints“ eingebracht, das klassische wie äußerst schmerzhafte Schienbeinkanten-Syndrom. Bei Eintagesläufen bin ich bisher davon verschont geblieben. Mut macht, dass meine Probleme eher beim Bergablauf liegen und es vor allem am Ende zumeist aufwärts geht. Allerdings gilt am Brocken die alte Flieger-Regel „Oben geblieben ist noch keiner“, denn zum Parkplatz, von dem aus dem Busse oder Autos zurück nach Göttingen fahren, führt nur der 7km-Fußweg mit 400 Höhenmetern abwärts.2

Warten auf ToGo
Die Woche der Brocken-Challenge hat begonnen, der Kilometerzähler gaukelt einen zu diesem frühen Termin im Jahr noch unerreichten Trainingszustand vor (trotz zwei festen Ruhetagen wöchentlich ergibt sich ein Tagesdurchschnitt von 10 km oder einer Laufstunde). Lange Listen zu Reisedetails, Streckenabschnitten, Laufsachen, Inhalten von Laufweste, Dropbag und Brockentasche sind geschrieben, Hinweise der Organisatoren und der Streckenplan sind ausgedruckt und als GPX-Track auf dem Telefon gespeichert. Nun heißt es nur noch abwarten, 1-2 mal gemächlich joggen um nicht die Fortbewegungsart zu vergessen und am Freitag alles in mich hineinstopfen, was geht. Füße eincremen, Brustwarzen abkleben, Wetterbericht verfolgen und die Laufsachen möglichst nicht völlig falsch wählen.

Nächste Woche gibt es einen Nachbericht, versprochen.3 Bis dahin hoffen wir mal, dass es Spaß macht, wenn es heißt:
„Brocken-Challenge 2024 – here we go!“

  1. Wenn doch mal jemand fragen würde: „Wie laufen Sie denn hier herum? Sie haben wohl Ihre Lauferlaubnis im Lotto gewonnen?“, könnten fast alle antworten: „Na klar!“. Fast alle, denn für (frühere) Helfer und Traditionsläufer gibt es Sonderstartrechte. ↩︎
  2. Mit wenigen Ausnahmen, denn manche Teilnehmer übernachten auch im Hotel auf dem Brocken ↩︎
  3. Danach geht es zum Aufwärmen in den Süden, zu den Bergvölkern. Es wird unterirdisch… ↩︎

Ein guter Start in das Laufjahr

Die letzten beiden Monate im zurückliegenden Jahr hatte ich damit verbracht, mich zu regenerieren und die Weichen für das kommende Laufjahr zu stellen. Meine Umfänge an Laufleistung waren dementsprechend auch geringer und ich fing mit Beginn des neuen Jahres wieder damit an, diese zu steigern und in Ausdauer zu kommen. Galt es doch rechtzeitig zum Ludwig-Leichhardt-Trail (LLT) am 17.02.2024 in Form zu kommen.

Gleichzeitig wollte ich die Laufplanung – zumindest für das erste Halbjahr – abschließen und in trockene Tüchern bringen. Ich hatte mich schon zusätzlich zum LLT auch für den Rennsteig-Supermarathon und den Fischland-Darß-Zingst-Ultra (FDZU) bereits angemeldet. Zudem liebäugele ich immer noch mit meiner Teilnahme am Etappenlauf direkt vor meiner Haustür der HEIDI-Challenge Ende April/Anfang Mai. Dies jedoch nur, wenn ich mich bis dahin soweit in die dafür nötige Form bringen würde.

Ich startete also Anfang Januar mit meinen Long Runs an den Wochenenden  und konnte diese von 23,5 km und 26,5 km am dritten Wochenende auf 30 km steigern. Das lief recht zäh, da auch noch eine winterliche Witterungslage hinzukam, die – jedenfalls für mich – recht beschwerlich war, da ich auch meine Long Runs fast alle alleine laufe.

Vor diesem Hintergrund hielt ich also Ausschau nach geeigneten organisierten Läufen in unmittelbarer Umgebung zur weiteren Vorbereitung und wurde auf den 1. Ufer Trail – einen sog. Einladungslauf – aufmerksam, der direkt in Potsdam-Babelsberg startete und 50 km durch das Umland führte. Glücklicherweise bekam ich noch einen Startplatz und fuhr mit mulmigen Gefühl (hatte ja lediglich als längsten Long Run nur 30 km in den Beinen) dort hin.

Antje, die Initiatorin, hatte den Lauf direkt vor ihrer Haustür organisiert und eine kleine Schar von 23 Läuferinnen und Läufern hatten sich für diesen Winter-Ultra angemeldet. Alle waren recht flott am Start und ich lief nach wenigen Kilometern mein eigenes Rennen im Wohlfühl- und Genußtempo. Dank des zur Verfügung gestellten Tracks konnte ich die Route auch beibehalten und fühlte mich an manchen Stellen an den Etappenlauf in 2022 (Deutschlandquerung) erinnert. Ab km 30 spürte ich dann, dass ich langsamer wurde und kam dann erschöpft aber glücklich als letzter Finisher ins Ziel.

Der Lauf war liebevoll organisiert und fand in sehr famliärer Atmosphäre statt. Alle kannten sich untereinander und wir verbrachten noch eine stimmungsvolle Läufer-Party im Anschluss.

Alles in allem war es ein guter Start ins Lauf-Jahr und für mich eine gute Vorbereitung für die anstehenden Ultras.