Test Self-Supported Running oder Greifswalder und Berliner trainieren zusammen

Die Idee:
„Berlin, Berlin – wir laufen nach Berlin!“

Das war ursprünglich mehr oder weniger mein Motto für einen besonders langen Trainingslauf. Dahinter stand die Frage oder Herausforderung, ob ich es schaffen würde, selbstorganisiert so weit zu laufen. Die Entfernung von Greifswald nach Berlin ist nicht gerade gering, so dass auch ein „Doppeldecker“ an zwei aufeinander folgenden Tagen mit Übernachtung in Frage kam.
Bei der Planung stellte sich schnell heraus, dass mir die Strecke dann doch zu lang sein würde, weshalb im ersten Schritt Berlin durch Bernau ersetzt wurde, wo sich ja im Nordosten der erste S-Bahn-Anschluss befindet. Attraktiv erschien zunächst wegen der guten Ausschilderung der Fernradweg Berlin-Usedom (berlin-usedom-radweginfo.de), doch der hat schon ab Anklam 215 km, zu denen ungefähr 35 km von Greifswald nach Anklam hinzu kämen. Selbst mit zwei „halboffiziellen“ Abkürzungen zwischen Joachimsthal und Steinhöfel (Originalweg: 28 km, Abkürzung: 17 km, also -11 km) sowie zwischen Werbelow und Bugewitz (Originalweg: 69 km, Abkürzung: 44 km, also -25 km) wäre es zuviel mit deutlich über 200 km – es musste also direkter sein.

Streckenplanung

Bei Google Maps oder Pedometer fanden sich kürzeste Wege für Fußgänger zwischen Greifswald und Bernau von etwa 177 km Länge. Das erschien erheblich realistischer. Allerdings führten diese teils auf stark frequentierten Straßen, teils komplett abseits größerer Orte – es ging durch Uckermark und Schorfheide. Die notwendige Läuferverpflegung erforderte aber unbedingt regelmäßige Einkaufsmöglichkeiten! Folglich suchte ich über diverse Stützpunkte eine Strecke heraus, die Supermärkte und Natur bot und bezüglich der Länge nur kleinere Kompromisse machte. Da der Lauf auch über Nacht geplant war, konnten das nicht nur Supermärkte sein. Zum Glück gab es erstaunlich viele Tankstellen mit 24h-Öffnung, insbesondere im Norden.

Zeitplan

Zeitlich bedingt ergaben sich mehrere Optionen mit Starts am Morgen mit Übernachtung, am Nachmittag oder frühen Abend mit Tankstellen in der Nacht und dem ersten Laden in einem Dorf hinter Neubrandenburg (öffnet 7 Uhr!). Als ich Franz meinen Plan vorstellte und ihn fragte, ob er vielleicht einen Abschnitt mitlaufen würde, antwortete er nach Art vom Sender Jerewan: Im Prinzip ja, aber … Dienstlich bedingt wäre es für ihn freitags günstiger als samstags und wegen des Werderseelaufs in Bremen sollte es das Wochenende um den 8.März sein. Kurz darauf hatte er sogar noch Fabian als Fahrradbegleitung angeworben. David meldete sich spontan auch an, einen langen Trainingslauf von irgendwo nach Greifswald machen zu wollen. Dazu bot sich das per Bahn erreichbare Neubrandenburg an. Unser Plan sah nun so aus: Freitagmorgens ab Bernau, Franz läuft mit bis Templin, dann folgt eine Solo-Strecke, bis David am späten Abend bei Neubrandenburg hinzu kommt.

Start

Kurzfristig änderte ich noch die Startzeit nach vorn, da die Sorge bestand, dass wir der Zeitplan vielleicht zu optimistisch war. So stand ich am Freitagmorgen zehn nach vier auf, joggte bereits in Laufklamotten anderthalb Kilometer zum Greifswalder Bahnhof und fuhr mit dem Regionalexpress nach Bernau. Da hatte ich reichlich Zeit für das Eincremen meiner Füße mit Anti-Blasen-Gel, fürs Frühstück (Baguette belegt mit 2 Bananen sowie einige Waffeln), für die finale Sortierung der Sachen in meinen Laufrucksack und in einen Extrabeutel für den Fahrradkorb, und für ein bisschen Dösen. Je näher Berlin kam, desto voller wurde der Zug. Um 7:15 Uhr angekommen war noch Zeit den Bernauer Bahnhof anzusehen (die ramponierte Digitaluhr aus den 80er auf dem Vorplatz blieb in Erinnerung) und zu frösteln, bis Franz und Fabian aus Berlin eintrafen und wir gegen 8 Uhr los liefen. Gleich nach hundert Metern nahm ich die falsche Straße, was aber gleich bemerkt und korrigiert wurde. Wir kamen am Stadtpark vorbei, der mir in bester Erinnerung blieb, weil ich dort im Coronajahr 2020 meinen ersten längeren Lauf nach 15 Jahren Laufpause absolvieren durfte und nach 12 Stunden über erreichte 100 km sehr glücklich war. Unter anderem waren einige Läufer der LG Mauerweg mit ihrem Partyzelt dabei, was zu meinem ersten Start bei den 100 Meilen im darauf folgenden Jahr führte. Bei jenem Mauerweglauf 2021 lernten Franz (radbegleitet von Fabian) und ich (radbegleitet von meinem Bruder) uns kennen, als wir mitten in der Nacht aufeinander trafen, einer kaputter als der andere, und eine längere Strecke bis kurz vor das Ziel zusammen schwankten (laufen war es nicht mehr). Fabian ist in Berlin seit Jahrzehnten beheimatete österreichische Prominenz, denn er hat nicht nur viele Berliner (Straßen-)Kunstwerke geschaffen, sondern auch das wunderbare Laufwolke-Logo!

Straße oder Waldweg?

Nach Verlassen eines Vororts Bernaus kam die erste Stunde der Wahrheit: Straße oder Waldweg? Im Vorfeld hatte ich lange gegrübelt, wo es lang gehen sollte. Manchmal gab es eindeutig erkennbare Radwege neben der Straße, dann war es klar und einfach. Manchmal waren die besten Verbindungen zwischen Ortschaften lange, direkte Wald- oder Feldwege oder (vermutlich) kaum befahrene Kreisstraßen – auch dann fiel die Entscheidung leicht. Auf einigen Abschnitten konnten aber weder Open Street Maps noch Google klare Aussagen liefern, wie befahren die Straßen wirklich waren und ob es Radwege daneben gab. So war es auch hier, zwischen Bernau und Lanke. Die alternativen Waldwege wollte ich nicht unbedingt nutzen, weil ich lange und kraftraubende Zusatzkilometer befürchtete, vielleicht auch komplizierte Navigation. Genau so kam es dann auch! Die Straße war für einen Freitagmorgen mäßig befahren, hatte aber immer wieder Leitplanken. Auf solchen Abschnitten versuchten wir zunächst links zu laufen, um den entgegenkommenden Verkehr gut sehen zu können. Fabian hatte dabei ein sehr schlechtes Gefühl und hielt sich mit seinem Fahrrad besser rechts. So besetzten wir aber beide Straßenränder und konnten froh sein, dass die Autofahrer recht rücksichtsvoll waren, sich selten auf unserer Höhe begegneten und falls doch, auch mal warteten. Uns war aber schnell klar, das musste nicht immer so bleiben und wir wollten nicht als Verkehrsopfer enden. So versuchten wir es teils auf einem parallel zur Straße verlaufenden Waldweg – der war allerdings abschnittsweise nicht fahrradtauglich und ging auf weichem Geläuf permanent auf und ab, während die Asphaltstraße höhennivelliert war. Als dieser Weg abrupt endete, kehrten wir wieder auf die Straße zurück und liefen rechts vor dem Fahrrad. Wie war ich froh, als dieser Abschnitt endlich vorbei war! In der Nachbetrachtung stellte ich fest, diese 7 km hätten sich mit knapp einem Kilometer Umweg durch den Wald deutlich entspannter bewältigen lassen, aufgrund unserer gelaufenen Ausweichmanöver wäre die alternative Strecke vielleicht auch schneller gewesen.

Traumhafte Natur

Das nächste Teilstück entschädigte uns für den stressigen Start. Es ging -abseits der zur Autobahn führenden Straße- auf breitem Feldweg an zwei Seen entlang. Die Sonne schien, es wurde warm, man hätte fast baden wollen, doch wir hatten ja noch einiges vor. Es war auf jeden Fall so, wie man sich einen Lauf durch Brandenburger Landschaft vorstellt. Im nächsten Ort trafen wir zwar nicht ganz den Weg, aber den nächsten wunderschönen See und liefen in Richtung einer Autobahnbrücke. Eigentlich sollten wir hundert Meter weiter rechts sein, doch das war oberhalb eines Hangs und dahin führte erst einmal nichts. Unser Weg ging dann unter der Brücke hindurch, die den schmalen See überspannte. Nun mussten wir „nur noch“ zurück auf den eigentlichen Pfad gelangen. Doch die auf der Karte eingezeichneten Waldwege verliefen leider irgendwo im Nirgendwo! Für unsere tapfere Fahrradbgleitung war das ein Albtraum, denn es ging hoch und runter durchs Gebüsch, bis sich endlich eine „Waldautobahn“ fand, die die Fortsetzung unserer Originalstrecke war. Von da an gab es lange Zeit kaum Probleme, aber viel schöne Natur. Es folgte ein Radweg an einer kaum befahrenen Straße bis zum Finowkanal und entlang des Kanals ein schöner Rad- und Wanderweg bis zum Ortsende von Zerpenschleuse, von wo es auf Feld- und Waldwegen direkt nach Groß Schönebeck zum ersten Stopp ging. Zwei Bonusmeilen inklusive hatten wir gut 33 km hinter uns gebracht, als wir dort 12:45 Uhr eintrafen, etwa 30 min später als ursprünglich geschätzt.

Im Supermarkt stellte ich fest, dass mein Trinkbedarf zwar groß, der Hunger aber noch überschaubar war. Franz konnte ein Eis verdrücken, mir genügten Salzbrezeln, Cola und eine große Flasche stilles Wasser. Die war sogar aus Glas und damit besonders nachhaltig, hatte aber doch nur 0.75 l. Das stellte noch kein Problem dar, fürs erste genügte die Menge und unser nächstes Ziel Templin sollte ja keine 30 km entfernt sein. Hinter Groß Dölln kamen wir an einem ehemaligen Militärflugplatz vorbei, der vor über zehn Jahren mit der damals größten Photovoltaikanlage Deutschlands bebaut wurde. Dabei ergab sich erneut das Problem, das einmal zu spätes Abbiegen sich nicht immer so leicht korrigieren liess, wie es die Kartendarstellung des Navis suggerierte. Letztlich standen wir wenige dutzend Meter vor unserem weiterführenden Weg und es ging (eigentlich) nur nach rechts oder links. Fabian machte über links einen kleinen Umweg von ein paar hundert Metern, Franz und ich schlugen uns direkt durch die Büsche. Nach fünf Minuten war der Weg erreicht, vermutlich an der alten Landebahn, nun mit Solarmodulen bebaut. Ein bißchen Brandenburger Sandwüste, etwas mehr Kiefernwald, noch einige Kilometer beste Wege, schon hatten wir Templin erreicht. Kaum war der lokale Edeka gefunden musste sich Franz zwischen baldiger Zugabfahrt vom 3-400 m entfernten Bahnhof und einem Einkauf entscheiden und wählte die dritte Option: Beides! Klingt salomonisch, doch am frühen Freitagabend ging es an den Kassen so gemächlich zu, dass sie leider den Zug verpassten. Immerhin gab es stündliche RE-Verbindungen! Ich hatte immer noch genug feste Vorräte und füllte den Flüssigbedarf nach mit einer Brause für den Magen und einem (ganzen!) Liter für die beiden Softflasks. Nur ein Erdnussriegel kam noch hinzu. Meine kurze Hose behielt ich an, zog aber ein warmes Unterhemd unter das T-Shirt und Ärmlinge an. Dazu kamen Buff, Pulswärmer, Stirnlampe und Warnweste, die ich hinten halb über meine Trinkweste (Laufrucksack) drapierte, um für die beginnende Dunkelheit gewappnet zu sein. Die Sachen von Fahrrad musste ich nun natürlich selbst tragen, aber es passte alles in den kleinen Rucksack hinein.

Finstere Zeiten

Kurz nach halb sechs ging es weiter Richtung Norden, zunächst 2 km an einer mäßig befahrenen Landesstraße ohne Radweg, dann auf kleineren Straßen und Wegen fast ohne Verkehr. Dank klarem Himmel und mehr als halbem Mond war die Straßenmarkierung noch lange sehr gut erkennbar und die Stirnlampe eher zur Vorwarnung entgegenkommender Autos als zur Straßenbeleuchtung erforderlich. Um Akkuzeit zu sparen, nutzte ich über längere Zeit lediglich die Sparstufe (10 Lumen) meiner Petzl Actik (Core). Diese hat drei weiße Helligkeitsstufen: 600 lm – hält maximal 2 h und sollte daher nur für kurzzeitige Ausleuchtung zur Streckenfindung, aber nicht versehentlich dauerhaft benutzt werden, 100 lm – hält mit 7-8 h nur in kurzen Sommernächten durch die ganze Nacht, ist aber komfortabel hell, 10 lm – hält mit etwa 70 h praktisch ewig, zumal die Lampe bei niedrigem Akkustand automatisch in diesen Modus wechselt. Kurz vor dem Lauf hatte ich sicherheitshalber einen Wechselakku gekauft und hätte also die Wege auch großzügiger ausleuchten können. Doch dann wollte ich es wissen und sparte über längere Strecken. Das ermöglichte immerhin die Lektion, dass sich die Akkulaufzeit -wie im Kleingedruckten erwähnt- bei niedriger Temperatur deutlich verringert, denn gegen Ende der Nacht war es schon ganz schön funzlig, weil nur noch 10 lm zur Verfügung standen. Leider war ich da schon zu faul zu allem, auch zum simplen Batteriewechsel. Beim JUNUT muss ich das unbedingt an einem VP einplanen! Mehr Licht sorgt doch für deutlichen Laufkomfort und wahrscheinlich auch mehr Aufmerksamkeit. Nicht ganz unwichtig, wenn es sich um Feldwege mit groben Pflastersteinen handelt, die auf dem Foto hoffentlich erkennbar sind. Doch die meisten Wege bis zu nächsten Station Feldberg (und auch danach) waren einsame asphaltierte Landstraßen, was mir sehr gut passte. Mit Hörspiel und Musik in den Ohren kam ich ganz gut voran.

Nächtliche Impressionen beim Schein der Kopflampe

Nix zu haben in und um Feldberg

Bei der Planung stand immer die Frage im Raum, welches durchschnittliche Tempo laufbar wäre. Wichtig war das an zwei Stellen: In Feldberg und beim Treff mit David. Feldberg bietet eine Menge Einkaufsmöglichkeiten wie Supermärkte, Discounter, Tankstellen, Imbisse und Restaurants. Leider schließen fast alle um 20 Uhr, mit Ausnahme eines Imbisses (21 Uhr) und diverser Gaststätten, die ich aber nur im Notfall zum Nachfüllen von Wasser aufsuchen wollte. Meine Planung war eigentlich von Anfang an mehr ein Wunsch, noch vor 20 Uhr in Feldberg zu sein. Deshalb entschied ich mich für den frühesten Zug aus Greifswald und wir starteten morgens um acht statt neun; doch spätestens in Templin war klar, dass es in Feldberg nix mehr geben würde. In dem (kleinen) Teil der Stadt, durch den ich gegen 22:30 Uhr lief, waren die Bürgersteige längst hochgeklappt und fast niemand war auf der Straße zu sehen. Das vorausahnend hatte ich noch ein wenig Reserve in den Trinkflaschen gelassen und nun musste es halt reichen bis ins rund 30 km entfernte Neubrandenburg, wo es 24/7-Tankstellen gab.

Wechsel auf Nachtmodus

War ich tagsüber bei frühlingshaftem Wetter (Sonne, über 15 °C) zumeist in kurzer Hose, langen Kompressionsstrümpfen, kurzem T-Shirt und Basecap gelaufen, so hatte ich bereits am frühen Abend mit Unterhemd, Ärmlingen und Buff nachgerüstet. Nun war es Zeit für die Nachtkleidung, es sollte auf wenige Grad über Null abkühlen. Das bedeutete, die Schuhe aus- und die langen Wintertights anzuziehen, was sich im Freien als keine leichte Übung herausstellte, die ich nur bibbernd und mich schüttelnd erledigen konnte. Dazu gab es ein langes Shirt, eine (halbwegs) winddichte Jacke, Handschuhe und Wintermütze. Einige Kilometer weiter war mir wieder warm, doch lieber etwas Schweiß produzieren als frieren!
David war inzwischen in Neubrandenburg eingetroffen und 23 Uhr in meine Richtung losgelaufen, also nach Südsüdost. Es war abzusehen, dass wir uns etwa bei der Hälfte dieses knapp 30 km langen Teilstücks treffen würden. Kurz nach ein Uhr sah ich dann einen leicht flackernden Leuchtpunkt langsam näherkommen, ein untrügliches Zeichen, dass wir die gleiche Straße genommen hatten. Kurz hatte ich noch überlegt, mir irgendeinen blöden Scherz auszudenken wie meine eigene Stirnlampe auszuschalten und dann zurück oder einfach an ihm vorbei zu laufen, doch ich war schon zu geschafft und froh über die Begleitung, so das es eine ganz normale Begegnung wurde – so normal es eben sein kann, wenn sich nachts auf einsamer Landstraße zwei Läufer treffen. Wie viel wir von unseren bisherigen Tageserlebnissen erzählten und ab wann es schweigsamer wurde, habe ich schon wieder verdrängt oder vergessen. Noch erinnern kann ich mich, dass der Weg bis Burg Stargard länger war als gedacht, da sich auch weit entfernte Dörfer als Ortsteile bezeichneten (eine Gemeindereform förderte in MV die Bildung von Großgemeinden). Dass der Ort selbst recht lang war, wusste ich von der Planung her noch ganz gut; dass zwischen seinem Ende und dem Ortsanfang Neubrandenburgs nur ein kurzes Stück war, kam mir auf jeden Fall sehr entgegen. In Neubrandenburg liefen wir einige Zeit an der großen Bundesstraße B96 entlang, die -doppelspurig- wie eine der großen Magistralen Berlins aussah, aber morgens gegen drei fast verkehrsfrei war.

Auf den „Rewe2go“-Shop an der Tankstelle hatte ich mich schon lange gefreut, nicht nur wegen des dringend benötigten Flüssigkeitsnachschubs, sondern weil ich auf das nächtliche Einkaufserlebnis im Laden neugierig war, seit ich bei der Planung darauf gestoßen war. Wie sich herausstellte, handelte es sich um einen gewöhnlichen Tankstellen-Shop. Wie üblich, hatte der nachts seine Türen geschlossen. Man konnte also nicht durch wohlige Wärme wandeln und sich von seinen Bedürfnissen inspirieren lassen wie in meiner Phantasie, sondern musste seine Wünsche am Nachtschalter der Tankstelle äußern. So beschränkte ich mich erneut auf die üblichen Verdächtigen: 0.5 l Cola für mich und 1 l stilles Wasser für die Softflasks, von denen eine zusätzlich noch mit Isopulver versorgt wurde. Während der wenigen Minuten Standzeit wurde mir so kalt, dass ich auch noch meine Regenhose überzog und damit fast „all in“ ging bzw. „all on“ lief, denn nur durch baldigen Aufbruch war der Wärmehaushalt wieder zu besänftigen.

Die weitere Streckenplanung bot zwei Wege entlang von Straßen bis zum nächsten Etappenziel Altentreptow. Wir entschieden uns gegen die etwas kürzere Variante entlang der ehemaligen Bundesstraße B96, die hier degradiert wurde, seit sie parallel zur A20 führt. Es war unklar, wie viel Verkehr dort sein würde und wie sicher wir uns auf dieser Straße ohne Radweg fühlen würden. Die alternative Route westlich davon hatte zwar auch keinen Radweg, war aber nachts kaum befahren. David suchte noch einen kürzeren Zugang von Neubrandenburg heraus, der (anfangs) sogar als Radweg ausgeschildert war und durch nächtliche Wiesen und Felder führte – sehr schön! Es wurde langsamer wieder dämmrig und etliche Kilometer vor Altentreptow ging die Sonne als roter Ball über dem dunstverhangenen Tollensetal auf. Fotos können diesen Anblick kaum wiedergeben, vor allem nicht, wenn man sich vor ihrer Betrachtung nicht die Nacht um die Ohren geschlagen hat…

Die Sonne geht auf: Romantik pur (mit Windrädern)
Auf der Landstraße kurz vor Altentreptow

Wir erreichten Altentreptow gegen 7 Uhr. Meine optimistische Planung hatte urspünglich auf 4 Uhr geschätzt und weitere 8 h für die restlichen über 50 km bis Greifswald. Realistisch gesehen, konnten wir nun mit einer Ankunft in Greifswald zwischen 15 und 17 Uhr rechnen. Das war daheim so nicht kommuniziert worden und insgesamt wurde mir dieser Lauf auch etwas zu lang. So stellte sich eigentlich nur noch die Frage, wie lang wir noch laufen wollten – und gehen natürlich, denn inzwischen kamen immer mehr Gehpausen hinzu.
Davids hatte einen Telefonjoker! Seine Frau hatte angeboten, uns bei Bedarf aufzusammeln und nach Hause zu holen1. Da wir sie nicht vor dem Aufwachen anrufen wollten, einigten wir uns schon einmal darauf, dass wir auf jeden Fall noch ein Stück laufen würden; vielleicht nicht die 28 km bis zur nächsten geplanten Station Jarmen, aber etwa die Hälfte bis Klempenow. Mit diesem Wissen um das neue finale Ziel stellten wir fest, dass der eigentlich geplante Tankstellenstop in Altentreptow gar nicht nötig war, denn für den verbleibenden Teil hatten wir beide noch genug Vorräte. Hinter dem Ortsausgang nahmen wir nicht die samstagmorgens doch recht befahrene Straße, sondern einen Weg über einige Dörfer auf zunächst festen Feldwegen oder asphaltierten Nebenstraßen.

Frühnebel im Tollensetal

Auf den letzten Kilometern folgte ein Weg über Felder, der immer wieder schöne Ausblicke in die Ferne und ins Tollensetal bot, dessen wenige Höhenmeter mich aber ganz schön anstrengten. Ich musste mich motivieren, am nächsten Strauch wieder anzulaufen und dann bis zur nächsten Milchkanne oder dem nächsten kleinen Hügel weiterzutraben. Mit anderen Worten: Ich hatte endgültig den Punkt erreicht, wo es mehr um Willenskraft als Kondition ging und der vielleicht besonders wertvolles Training des „wichtigsten Muskels des Ultraläufers“ ermöglichte (der Psyche bzw. des Kopfes). So romantisch sich das anhören mag und so schön auch die Landschaft war, es reichte (mir) mittlerweile. Es war ein schönes Gefühl, den Burgturm von Klempenow, den dort beginnenden Radweg an der Straße, das Hinweisschild auf den Parkplatz und dann selbigen in einem finalen Ritt zu erlaufen. Es reichte aber auch.

Die Bilanz

150 km bedeutet: Mein längstes Lauftraining der Kategorie „selfsupported“! Zuvor bin ich 2021 als Vorbereitung auf die 100 Meilen einen Teil des Mauerwegs abgelaufen, als coronabedingt die „Generalproben“ verschoben wurden. Damals waren es am Samstag rund 72 km von Gesundbrunnen bis Griebnitzsee mit Verpflegung in Supermärkten und am Sonntag weitere 58 km bis Frohnau mit Tankstellen und Imbissen. Vor einem Jahr lief ich rund 75 km von Tessin bei Rostock mit zwei Tankstellenstops nach Greifswald. Sonst spielt sich mein Training überwiegend im Bereich 10-20 km ab, ab und zu streue ich auch mal 30 km ein, sehr selten einen Trainingsmarathon mit Supermarkt. Deshalb überwog die Freude über das Erreichte deutlich die Enttäuschung des Scheiterns.

Von der üblichen großen Erschöpfung und Müdigkeit abgesehen, ging es mir recht gut. Nur ein kleiner Ansatz einer Blase, der schnell wieder weg war. Die Beine waren in der nachfolgenden Woche sehr schwer, aber auch das ist als normal anzusehen. Der Kopf möchte sofort alle möglichen alten und dazu neue Ideen realisiert wissen, war beim Lauf aber auch nicht mehr imstande, den ermüdeten Körper zu überzeugen. Manches hätte sich besser planen lassen, doch im wesentlichen war es gut, „einfach mal zu machen und dann zu schauen“. Das Gefühl, genug Zeit und auch ausreichend Strecke vor sich zu haben, nicht hetzen zu müssen und einfach zu genießen, ist im Training fast noch besser als bei manchem Wettkampf. Die Sicherheit eines Verpflegungspunktes mit warmen Getränken und oft auch Speisen, nachts zumeist auch mit einem warmen Raum, in dem man sich etwas ausruhen kann ohne zu unterkühlen, ist grandios und lässt sich bei eigener Organisation nicht kompensieren. Es stellte sich aber heraus, dass der wichtigste Bedarf unterwegs darin besteht, genug Flüssigkeit zu bekommen. Dabei reicht Wasser erst einmal aus, denn mit etwas Isopulver lässt sich ausreichende Versorgung herstellen. Cola, Tee, Brühe und andere Getränke sind doch eher nice-to-have als unverzichtbar. Vorräte an fester Nahrung kann man so viel mitnehmen, dass es locker 100 km weit reicht. Das hätte ich zuvor nicht gedacht! Darüber hinaus bieten Supermärkte, Tankstellen, Imbisse und dergleichen ein Grundsortiment fester Nahrung an, bei dem auch Problemkinder wie ich nicht verhungern müssen. Sie sind in Deutschland meist recht engmaschig verfügbar, so dass mit etwas Planung und kleinen Umwegen die Versorgung gewährleistet werden kann. Trotzdem sind gerade in der Natur und auf dem Land auftretende „Dunkelflauten“ zu beachten, wenn Läden 20 Uhr schließen und auch Tankstellen nicht rund um die Uhr geöffnet haben. Das soll kein Plädoyer sein, dass überall alles 24/7 geöffnet sein muss, ganz im Gegenteil! Manchmal wünschte ich mir aber, dass es ein Pendant zum Apotheken-Notdienst gibt, also einen Laden, der auch dann verfügbar ist, wenn es sich eigentlich kaum lohnt. Die Kosten müssten irgendwie umgelegt werden. In der Realität gibt es einen Wettbewerb, der oftmals alles gleichmacht: Wenn ein Laden unsinnig lange öffnet, machen das alle, und wenn dann alle geschlossen sind, gibt es keine Ausnahme. Naja, bis in die frühen 90er sah das in Deutschland noch ganz anders aus, da war 18 Uhr meist Feierabend und alle waren daran gewöhnt.

Verbrauchswerte

150 km in 25 h ergibt glatte 6 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. Das ist in Anbetracht der relativ günstigen Bedingungen (flache Strecke, moderate Temperaturen, nur kurze Querfeldein-Passagen) nicht herausragend schnell, doch für einen Selbstversorger-Trainingslauf ganz okay. Im Vergleich dazu sind beipielsweise beim Mauerweglauf die bessere Streckenmarkierung und -beschaffenheit, die permanente Verpflegung, das Gruppengefühl und auch eine längere Radbegleitung wichtige Faktoren, die das Laufen erleichtern können.

Essen und Getränke inklusive Frühstück bei der Bahnanreise (in Klammern: Kohlenhydrat-Anteil):
200 g Bananenchips (130 g KH), 200 g Datteln (120 g), 2 Bananen (50 g), 250 g Baguette (140 g), 2x 40 g Salzstangen (50 g), 300 g Oat bars (160 g), 100 g Riegel (60 g), 2×40 g Erdnussriegel (30 g), 175 g Honigwaffeln (100 g), 2x 65 g Waffeln (80 g), 1x Traubenzucker (10 g), 150 g Isopulver (150 g), 2×0.5 l Cola/Limo (100 g), 0.8 l Tee, 2.75 l Wasser
–> 1180 g Kohlenhydrate
Das entspricht mehr als 20 000 kJ oder 7.5 kg gekochten Kartoffeln!
–> 4.5 l Getränke
Das ist nicht übermäßig viel. Vermutlich hätte ich bei besserer Verfügbarkeit am Nachmittag und Abend mehr getrunken. Im Sommer ist sicherlich deutlich mehr notwendig als Anfang März.

  1. Davids Frau erzählte später, dass ihre Mutter nach Davids erstem Marathon meinte: „Hoffentlich artet das nicht aus“, was damals noch völlig unverstanden blieb. Inzwischen fragt sie sich, ob es eigentlich eine normale Reaktion auf die Planung eines solchen nächtlichen Trainingslaufs durch den Ehemann ist, wenn sie sofort nachdenkt, woher sie einen „Rettungswagen“ nimmt, weil das eigene Auto gerade nicht zur Verfügung steht… ↩︎

100 Meilen zum Jahresziel – Mein Mauerweglauf 2024

Saisonziel 2024

Nun war er endlich da, der Saisonhöhepunkt 2024 mit meinem großen Jahresziel: 100 Meilen innerhalb von 24 Stunden zu finishen und mir einen „Buckle“ zu verdienen, wie für viele Ultraläufer auch für mich ein großer Meilenstein des persönlichen Erfolgs und Fortschritts. Dafür hatte ich ohne Winterpause und in einem Umfang trainiert wie noch nie zuvor, noch deutlich mehr als vor dem ersten Versuch 2021. Damals bekam ich Probleme mit den sommerlichen Bedingungen insbesondere ab Streckenhälfte und konnte das geplante Tempo nicht mehr schaffen. Nach WP3 in Hennigsdorf ging ich längere Strecken, lernte dabei auch Franz kennen und finishte nach knapp 25 h. Dieses Mal sollte das alles etwas besser klappen.

Vorbereitungsläufe

In der diesjährigen Vorbereitung sorgten die Brocken-Challenge (80 km) und der Kristall-Marathon im Februar, der abgebrochene Junut (bis 138 km), der Heidi-Etappenlauf (5x 60 km), der Rennsteiglauf (74 km), der FDZU (115 km) und der Thüringen-Ultra (100 km) für viel Wettkampfgewöhnung und Trainingsmotivation mit recht vielfältigen Anreizen. Insbesondere der Etappenlauf bei teils sehr warmem Wetter und mit diversen Passagen des Mauerwegs diente als mir sowohl als Formtest als auch als intensives Mehrtagestraining und war von der Strecke her eine sehr gute Einstimmung. Noch besser wären zusätzlich die alljährlich angebotenen Testläufe der LG Mauerweg auf der Originalstrecke gewesen, doch leider lagen sie etwas ungünstig für meinen Terminplan. Ergänzt durch die Ultra-Erfahrungen der letzten Jahre fühlte ich mich sehr gut vorbereitet. Die Strecke selbst und das für den Buckle erforderliche Tempo machten mir wenig Sorgen; die entscheidende Frage schien eher, ob ich es kräftemäßig, mental und abhängig von Wetter und potentiellen körperlichen Problemen durchstehen würde, den Laufanteil genügend hoch und den Geh- und Pausenanteil entsprechend gering zu halten, um meine persönliche „Schallmauer“ zu knacken.

Kurzfristige Änderung

Am Wochenende vor dem Lauf wurde es plötzlich noch spannend: Das Start+Zielgelände am Eissportstadion stand (wegen eines Defekts?) von einem Tag auf den nächsten nicht mehr zur Verfügung. Wenn die Veranstaltung nicht ausfallen sollte, musste die Kerntruppe des Organisationsteams instantan einen neuen Ort finden! Dank sehr engagierter Mitarbeiter eines Bezirksamts konnte tatsächlich schnell ein Ersatz sehr nahe am Mauerweg gefunden werden, der im Wedding und somit nur wenige Kilometer vom ursprünglichen Start und Ziel entfernt lag. So weit so gut, doch damit ergab sich der berühmte Rattenschwanz an Folgeproblemen, die angegangen werden mussten: Die VP-Planungen verschoben sich um Stunden. Teils wurden aus kurzen morgendlichen VPs plötzlichen lange Nächte, die mit Schichtpersonal zu versehen waren. Die erstmals angebotene Wanderung würde statt 60 km gut 10 % länger (die Wanderstrecke wurde dann im letzten Teil vom Mauerweg abweichend auf einen direkteren Weg verändert, um halbwegs bei der Länge zu bleiben). Die Tracks mussten aktualisiert und hochgeladen werden, die lokale Umleitung ausgeschildert werden, zusätzliche Verkehrsgenehmigungen waren erforderlich, Busshuttles mussten neu geplant werden. Da die Wechselpunkte (WP) der Zweier- und Vierer-Staffeln an die festen großen VPs mit Dropbags gebunden sind, verschoben sich die zu laufenden Abschnitte erheblich (da das erste kurze Teilstück erheblich kürzer und das längste deutlich länger würde, wurde es den Staffeln letztlich komplett selbst überlassen, an welchem VP sie wechselten).

Volunteersarbeit

Für den Freitag vor dem Lauf hatte ich mich als Helfer für den Start+ Zielbereich angemeldet. Im Vergleich zum Eisstadion waren die Bedingungen deutlich anders und erforderten eine Menge Improvisation. Es gab nicht nur erheblich weniger Platz, sondern auch noch den normalen Betrieb eines lokalen Sportplatzes, der von Freitag bis Sonntag nebenher gewährleistet werden musste: Trainings und Wettkampfspiele, frei zu haltende Bereiche an Umkleiden, Toiletten und Spielflächen. So war spannend zu erleben, wie bei jedem Punkt immer wieder Unwägbares berücksichtigt werden musste. Egal was wo aufgebaut werden sollte, es war nicht die gewohnte Stelle und eine schnelle Alternative konnte vollkommen ungeeignet sein, weil ein kleines Rädchen im großen Getriebe nicht gleich vorhergesehen und einberechnet wurde. Als ich am späten Nachmittag zum Alexanderplatz fuhr um die Startunterlagen abzuholen und Pasta in mich hineinzustopfen (Danke für die schnelle Umbuchung des längst verpassten Timeslots!), hatte ich das Gefühl, das Zielgelände würde zwar nicht herausragend sein, aber die Mindestanforderungen erfüllen. Am nächsten Morgen vor dem Start sah es gleich viel besser aus, weil noch ein paar Anpassungen erfolgten und so viele Leute da und zufrieden waren. Beim Zieleinlauf war es einfach nur großartig!

Letzte Vorbereitungen

Die abendliche Vorbereitung bei meinem Bruder und Radbegleiter verlief fast routiniert; bei unserer Premiere 2021 waren wir deutlich aufgeregter und weniger organisiert. So waren die Fahrradtaschen schnell vorbereitet (dank zuhause gepackter Beutel) und auch die finalen Absprachen bald erledigt. Sogar eine kurze Abkühlung im Pool war noch drin. Mit eingecremten Füßen, abgeklebten Brustwarzen, angerührtem Haferbrei und bereit gelegten Klamotten und einer Schlaftablette im Magen legte ich mich planmäßig gegen zehn ins Bett. Die Nacht war recht gut für eine Nacht vor einem Lauf, das ist ohnehin weniger Schlaf als normal. Am Morgen hatte ich das Glück, dass -nach kurzem Fußweg zum Wachwerden- ein Bus direkt zum Start fuhr. Allerdings habe ich das Gelände erst nicht erkannt und bin eine Station zu weit bis zum S-Bahnhof Wollankstraße gefahren, doch es war noch genug Zeit.

Kleidungswahl

Wegen milder Temperaturen und guter Wetteraussichten trug ich nur das Volunteer-Shirt vom Mauerweglauf 2022, mein Favorit bei warmem Wetter. Dazu kamen Unterhose, Shorts, Zehensocken und Calves sowie anfangs Pulswärmer und Stirnband, später ein Basecap. Telefon mit Geldschein und Notfallausweis (Organspender) hatte ich in der neuen* linken Oberarmtasche, Brille, ein Riegel und den MP3-Spieler mit Kopfhörern in der rechten.

Mein Zeitplan

Mein Zeitplan für ein 24h-Finish war von einem Versuch von Michael Irrgang inspiriert und basierte auf einer reinen Laufgeschwindigkeit, die mit jedem Kilometer etwas abnehmen sollte, beginnend bei 7:00 min/km und endend bei gut einer Minute mehr je Kilometer. Zusätzliche drei Minuten Pause waren für jeden VP eingeplant sowie eine Stunde Puffer für Krisen, stärkere Wettereinflüsse und vermehrte Gehpausen in der finalen Phase. Eine laminierte Tabelle mit den VP-Positionen, deren Namen und Abstände und die jeweils geplanten Ankunftszeiten, der Einfachheit halber gerundet auf Viertelstunden, nahm ich für den ersten Streckenteil in der Hosentasche mit; für den weiteren Verlauf befand sich das entsprechend präparierte Blatt am Fahrradlenker. Ohne Armbanduhr zu laufen empfinde ich immer mehr als angenehmen Luxus. Bei diesem Lauf erfolgte der erste Zeitvergleich planmäßig nach etwa 20 km – mit einer Punktlandung.

Gemütlicher Start

Mit den letzten 20-30 Läufern startend war das geplante Anfangstempo gut umsetzbar, so ergab sich eine Zwischenplatzierung um 300 am ersten VP. Danach ging es bei lockeren Gesprächen langsam voran im Feld. Neben diversen bekannten und unbekannten Läufern war auch einer dabei, der permanent ging. Beim Anblick dieses „Wanderers“ meldete mein Gehirn, dass das Tempo ja wohl kaum hoch sein kann und ich da locker mithalten könnte. Während des sehr interessanten Gesprächs mit dem Ultrahiker Jannik Giesen klarte sich mein Irrtum immer mehr auf und ich liess ihn besser davon ziehen.
(Was Jannik über dutzende Stunden als Tempo zurücklegen kann, ist weit jenseits meines Leistungsbereichs. Er legt typisch 100 Meilen in der Woche zurück und hat beim Laufhaus Backyard im Juli mit 48 h = 322 km den zweiten Platz belegt, was zwei Buckles hintereinander entspricht! Den Mauerweglauf finishte er als Gesamt-Dreißigster in 19:40 h.)

Zwischenhoch

Das Wetter blieb zunächst nahezu perfekt mit sommerlich milden Temperaturen und teils bei leichtem Nieselregen, so das bis zum ersten großen WP in Hennigsdorf bei 29 km für mich alles recht locker lief. Im Vergleich zu meinem Zeitplan baute ich einen 15-minütigen Puffer auf und diesen langsam aus. Den Abschnitt kurz vor Hennigsdorf und bis Nieder Neuendorf hatten wir kürzlich bei der Heidi-Challenge in umgekehrter Richtung. An den Bereich um den Eiskeller habe ich kaum mehr Erinnerungen als jene, dass die ersten Staffeln überholten und die meisten Vierer dort ihre ersten Wechselpunkte hatten. Nicht viel später stiegen auch die Radbegleiter ein und so langsam wurde es sonnenklar und immer wärmer. Die meisten Fahrradbegleiter reisten ja mit S+U-Bahn an, wobei eine Anfahrt ab Bahnhof Spandau nach Westen zum VP 8 „Falkenseer Chaussee“ (47 km) empfohlen wurde. Da ich in dieser noch frühen Rennphase noch keine Probleme und keinen besonderen Betreuungsbedarf erwartete bzw. erhoffte, hatten wir bereits lange im Vorfeld abgemacht, dass mein Bruder von Spandau aus gleich Richtung Süden zum 6.5 km entfernten VP 9 „Karolinenhöhe“ fährt und dort auf mich wartet. Dadurch konnte er sich vormittags etwas mehr Zeit daheim nehmen und war nicht ganz so ewig im Sattel. Das galt nun noch mehr, da sich durch Verschiebung von Start und Ziel eine erheblich längere Begleitstrecke ergab (ca. 107 km). Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt war die erheblich einfachere Pärchenfindung auf dem schmalen Weg neben der Kleingartenanlage bei VP 9. Außerdem lenkten die gegenseitige Begrüßung und Berichte über den bisherigen Tagesverlauf vom etwas eintönigen Teilstück entlang der B2 ab. So war der berühmte VP 10 „Pagel & Friends“ (59 km) bald erreicht und das bekannte Highlight. Jeder Läufer wird dort namentlich begrüßt und das Buffet ist herausragend, Sonderwünsche werden erfragt und nach Möglichkeit erfüllt – auch musikalische, glaube ich. Bei dieser Ausgabe kam mir der VP allerdings noch etwas zu früh, um ihn mit längerer Pause angemessen zu würdigen. Etwas Melone, ein paar Salzstangen sowie eine Kartoffel genügten, dann ging es weiter Richtung Altglienicker See mit der etwas anstrengenden Ortsquerung auf dem teils schmalen Fußweg und nach Sacrow über hügelige Abschnitte, die mir -Heidi sei gedankt- noch gut in Erinnerung waren und vielleicht auch daher recht leicht fielen. Am WP 2 (VP 11) beim Schloss Sacrow (66 km) hatte ich wie am WP1 keinen Dropbag hinterlegt, da der Wechsel auf Nachtkleidung und Beleuchtung nach dem aktualisierten Zeitplan erst beim WP 3 in Teltow erfolgen sollte und dank Radbegleitung noch genug Lebensmittelvorräte und notfalls auch Wechselsachen zur Verfügung standen. Deshalb war auch hier nur eine kurze Pause von wenigen Minuten angesagt. Im ursprünglichen Zeitplan war noch vorgesehen, eine Ersatz-Stirnlampe und eine Reflektorweste in die Radtasche zu packen für den Fall, dass WP3 erst nach 21 Uhr erreicht wird.

Hitze und Reibestellen

Ab dem Schlosspark Sacrow geht es bis zur Halbzeit an der Glienicker Brücke etwa 15 km mehr oder weniger am See entlang, obwohl die Luftlinie kaum mehr als einen Kilometer beträgt. Erneut war ich froh, diesen Abschnitt dank Heidi-Challenge gut zu kennen. Es war inzwischen ein schwülwarmer Sommernachmittag und der Schweiß schien besser zu laufen als wir Läufer. Jede Kühlung war willkommen, doch gerade hier folgten einige sonnige Abschnitte. Vereinzelt boten Anwohner ihre Gartenspritze als Duschbrause an. Ich wässerte mein Shirt und zog es wie Halstuch mit freiem Oberkörper oder -besonders schräg- nur über eine Schulter an. Später sollte ich feststellen, dass feuchte Sachen auf salzbeschichteter und empfindlicher Haut besonders gut reiben: Gerötete und wunde Stellen gab es dort, wo das nasse Shirt auflag, wo der laminierte Zeitplan in der Tasche überm Hintern auf meinem unteren Rücken rieb, und wo die Laufhose am Oberschenkel endete. Das alles wurde übertroffen vom linken Oberarm. Es gibt ja heutzutage nichts ohne 20-seitiges Handbuch! Auch eine Oberarmtasche für Handys braucht zwingend so ein Anhängsel, in dem in mehreren Sprachen steht, dass man es nicht bügeln, essen oder heiß waschen soll. Leider hatte ich diese Schnipsel nach dem Kauf am Freitag noch nicht entfernt und durfte im Tagesverlauf erleben, wie gut sich auf verschwitzter Haut erst rote Stellen und dann aufgeriebene Wunden bildeten, die teils unangenehm Flüssigkeit absonderten und heftig schmerzten.

Auf dem Königsweg nach Teltow

Hinter der Glienicker Brücke wartete eine kurzfristig angekündigte Überraschung: Werner Hanke begrüßte uns! Das angebotene Bier musste ich zwar ablehnen, die Limo schmeckte dafür um so besser. An der Brücke war in diesem Jahr die erste Streckenhälfte absolviert und das von mir 30 min früher als nach den im Marschplan ausgewiesenen 11 Stunden. Das zusätzliche Zeitpolster gab mir die beruhigende Gewissheit, dass mein Ziel wirklich zu schaffen sein würde, und reichlich Motivation, mit Ruhe und Optimismus weiter zu laufen. Hinzu kam das Wissen, kurz nach VP 14 „Gedenkstätte Griebnitzsee“ (85 km) auf den langen Königsweg einzubiegen, der sich zwar bis zum VP 15 sehr hinziehen und wie immer überraschend wellig sein würde, aber im Düppeler Forst und damit im Schatten liegt. Die sonnige Hitze sollte damit überwunden sein und damit einer der kritischen Punkte. Natürlich war es noch sehr weit bis zum Ziel und es konnte noch sehr viel passieren. Aber als ich 19 Uhr am WP 3 (VP 15, 98.2 km) in Teltow ankam, war ein wesentlicher Meilenstein erreicht: Nun waren es „nur“ noch etwas über 60 km, die dank bald einsetzender Dunkelheit ohne Hitze zu absolvieren waren und ich hatte für das große Ziel noch fast 11 h Zeit! Das waren 30 min mehr als im Zeitplan, der ja auch noch den einstündigen Puffer hatte. Zum ersten Mal gönnte ich mir eine längere Pause, setzte mich in der Teltower Turnhalle auf eine dicke Matte und ließ mich nach hinten fallen. Es sollte nur ein kleines „Powernapping“ sein, teilte ich meinem Bruder zur Beruhigung mit. Mit den Füßen auf dem Hallenboden schloss ich meine Augen und hörte die aufputschende, laute Musik in der Halle. Als ich nach ein paar Songs wieder die Augen öffnete, meinte mein Bruder, zwischendurch wäre eine junge Frau vorbei gekommen und hätte nach einem Blick auf mich gefragt: „Is he still alive?“ Das war Xuehe Jiang aus Hamburg, die mit mir beim FDZU längere Strecken um Zingst und auf dem Strandabschnitt zusammen gelaufen war. Sie hatte mich bereits erkannt und gegrüßt, als sie an einem VP auf ihren Staffelpartner wartete. In der Halle hatte ich sie bei meiner Ankunft gesehen, aber weil sie offensichtlich gerade gefinished hatte, wollte ich sie erst einmal zu Atem kommen lassen. Nun war sie leider bereits aufgebrochen und auch für mich war es Zeit, wieder auf die Beine zu kommen. Zunächst wollte ich wie üblich mit Essen und gefülltem Trinkbecher in der Hand losgehen und erst dann anlaufen, wenn alles weitgehend vertilgt wäre. Aber etwas war anders: Mir war plötzlich kalt! Der Körper hatte in den rund 20 min Pause seine Dauerleistung weit heruntergefahren und die Außentemperaturen lagen nur noch um 20 Grad. Das stellte sich als zu wenig für meine Sommerbekleidung heraus und es fehlte nicht mehr viel zum Schüttelfrost. Um diesen zu vermeiden, trabte ich los. Innerhalb der wenigen hundert Meter bis zum Marktplatz, an dem die Walker starteten (geniale Idee, das an diesem schönen Platz zu machen und gleichzeitig den Turnhallenbereich nicht zu überlasten!), wurde mir wieder wärmer. So ging es ohne zusätzliche Jacke, die auch gerade nicht verfügbar war, da mein Bruder endlich auch mal eine Pause haben sollte und ich ihn ermuntert hatte, noch ein wenig und möglichst in Ruhe zu essen und erst im Laufe der nächsten Kilometer aufzuschließen.

Ein langes Finale

Der folgende Abschnitt am Berliner Südrand bis Rudow war von der einsetzenden Dunkelheit geprägt. Bei den nun moderaten Temperaturen ging es teils recht angenehm auf wenig anspruchsvollen Postenwegen gut voran, teils gab es aber recht schmale Trampelpfade im Wald. Was oft als Single-Trail romantisiert wird, war für die Fahrradbegleiter eine echte Herausforderung und erschöpfte die Läufer zumindest auch mental ganz erheblich. Spätestens in diesem Bereich wünschte ich mir wieder etwas Musik vom Begleitrad, aber dafür notwendige Ausrüstung hatten wir nicht dabei. Kurzzeitig blieb ich mal an einem (Staffel-?)Läufer dran, dessen Radbegleitung eine musikalische Unterstützung bot. Erinnern kann ich mich nur, dass es zwar überhaupt nicht mein Musikstil war, das jedoch völlig egal und sehr willkommene Abwechslung war. Irgendwann ging es dann in die Stadt und der VP 20 in Rudow war erreicht.

Den nun folgenden, vermeintlich ewig langen Abschnitt neben dem Teltowkanal links und der Autobahn A113 rechts habe ich stets auf meiner Liste besonderer mentaler Herausforderungen. Sicherlich war es auch dieses Mal nicht leicht, aber wir hatten das große Glück, gefühlt immer zusammen mit anderen Läufern zu laufen. Es war keine feste Gruppe, aber stets war jemand in der Nähe, machte mal kürzere oder längere Gehpausen, überholte oder wurde überholt. So war für Abwechslung und Motivation gesorgt, wenngleich die Zeit für tiefschürfende Gespräche längst vorbei war. Nun wollte jeder nur noch ins Ziel kommen. Doch am Dammweg (VP 22), an dem ich vor zwei Jahren selbst die ganze Nacht über stand und dessen Standort wir bei der Heidi-Challenge ebenfalls passierten, war noch immer mehr als ein Halbmarathon zu bewältigen! Zunächst mussten wir durch die Partyzone Neuköllns, von der ich beunruhigende Dinge gehört hatte. Am Ende war es recht harmlos: In der Heidelberger und der Harzer Straße war wenig Party, den langen dunklen Park am Wiesenufer und Schlesischen Busch passierten wir „kontaktfrei“ und auf der Schlesischen Straße lief ich vor meinem Begleitrad auf dem (neuen) breiten Radstreifen und entging so der Party auf dem Bürgersteig. Auch an der morgens um drei Uhr immer noch gut besuchten East Side Gallery war der Radweg die logische Wahl, für meinen Bruder allerdings in der falschen Richtung. Wenig später fragte uns jemand, was wir denn hier machten. Um diese Uhrzeit wird wohl jede Antwort, die eine sportliche Betätigung beinhaltet, als verrückt eingestuft. Ob es sich um „so etwas wie ein Marathon“ handelt wie vermutet oder halt um fast das Vierfache, spielt dabei keine Rolle.
Bei mir stellte sich spätestens am Checkpoint Charlie (VP 24) langsam das Gefühl ein, dass wir nun gleich da sind. Doch es ging ja nicht wie üblich „nur noch“ durchs Regierungsviertel bis zum Erika-Hess-Eisstadion, sondern Straße für Straße weiter und weiter auf einem langen Weg über Gartenstraße und Bernauer Straße hoch Richtung Jahnsportpark, dann über die lange Fußgängerbrücke am Gesundbrunnen und unter der Bornholmer Straße durch, bis wir endlich Richtung S-Bahnhof Wollankstraße schwenken und kurz hinter diesem vom Mauerweg abbiegen konnten zum nun sehr nahen Ziel. Der Zieleinlauf war ein Hochgenuss, mit einer kleinen aber langen Gasse geformt aus Kugelleuchten und dem anschließenden Weg auf dem roten Teppich! Geschafft und superglücklich kam ich mir vor, als würde ich noch total locker sein. Das war sicher nicht der Fall, doch es fühlte sich nicht nach der totalen Erschöpfung an, nach welcher der Körper völlig austicken könnte. Wie sich bereits in den letzten Stunden des Laufs immer mehr abzeichnete, war das selbst gesetzte Ziel mit reichlich Zeitreserve geschafft!

Geschafft!

Wie zu erwarten, strömten trotz des relativ gering gefüllten Zielgeländes sehr viele Eindrücke auf mich ein: Hier das Zelt mit meinem Gepäck, dort etwas zu essen und trinken, dann weitere Mitstreiter der letzten Stunden, die ebenfalls eintrafen. Ich fand kaum Zeit, meinem Bruder zu danken, der inzwischen eine Suppe gegessen und sich auf den Heimweg gemacht hatte. Plötzlich war auch Franz da, den hatte ich beim Einlauf gar nicht bemerkt! Wie viel Glück wir noch mit dem Wetter hatten, stellte sich anhand des nass gewordenen Zielgepäcks heraus, denn am Samstagabend waren im Berliner Nordosten alle von enormen Regenmassen überrascht worden, von denen wir im Süden überhaupt nichts ahnen konnten. Das ging leider viel zu schnell für die Helfer im Zielbereich und so konnten sie hunderte zuvor akkurat angeordneter Beutel nicht mehr rechtzeitig ins Trockene retten. Manch einer musste deshalb mit seinen Laufsachen nach Hause oder ins Hotel fahren, um dort zu duschen und sich mit trockener Kleidung zu versorgen. Vermutlich wird das teils sehr ärgerlich gewesen sein, doch ich hörte definitiv niemanden klagen. Mir selbst kam eine (eigentlich untypisch) sorgfältige Planung zugute, denn ich hatte ja daheim eine Plastiktüte mit dem Zielgepäck gepackt und diese direkt in den vom Veranstalter gestellten Beutel getan. So wurde nur ein Unterhemd nass, das optional als Startkleidung eingeplant war und erst unmittelbar vor dem Start in den Beutel wanderte. Nasse Dropbags und Zielgepäck sind natürlich für einen Veranstalter eigentlich ziemlich peinlich. Doch da möchte ich unbedingt daran erinnern, dass es hier ein Provisorium gab und im vorgesehenen Eisstadion ganz andere Platzverhältnisse zur Verfügung stehen. Trotzdem lautet eine Lektion des Laufs, dass man seine Sachen in Dropbags lieber noch zusätzlich in regendichten Beuteln verstauen sollte (zumindest, wenn die lokalen Begebenheiten nicht genau bekannt sind!). In den Umkleideräumen lagen auf dem Boden einige Läufer in Schlafsäcken, die wohl für diese Nacht kein Hotelzimmer gebucht hatten und nun versuchten, Ruhe und Schlaf zu finden. Die Duschen waren schön warm und es war genügend Platz, so dass wir uns dort umziehen konnten. Auf den ersten Bus musste ich leider einige Zeit warten (wer zu früh ankommt, den bestraft das Leben halt auch manchmal…) und ging noch mehrere Haltestellen weiter, da ja sonst nichts zu tun war. Die S+U-Bahnen fahren am Wochenende zwar auch nicht durch, aber viel länger und haben stets Nachtlinien als Ersatz – insofern ist auch das am Eisstadion wohl eher kein Problem.

Die Siegerehrung am Nachmittag im H4 Hotel war eine schöne Veranstaltung, bei der ich dem wohl etwas überraschten Rainer Eppelmann dankte, dass er 1990 in seiner ersten Amtshandlung als DDR-Verteidigungsminister den Befehl gab, dass nun jeder Zivildienst leisten durfte. Unsere Kompanie war innerhalb drei Wochen nach Bekanntgabe weg ins nützliche Leben.

Fazit

Eine Schlussfolgerung stellte sich im Laufe der nächsten Wochen und Monate ein: Eine solch umfangreiche Vorbereitung wird nicht mehr oft möglich sein. Ich habe mir selbst gezeigt, dass ich es kann, die 100 Meilen innerhalb 24 h zu absolvieren, doch es hat enormen Aufwand gekostet. Zu schnelleren Zeiten ist nicht mehr viel möglich; eine Viertelstunde oder vielleicht ein paar Minuten mehr sind immer drin, doch bei etwas ungünstigeren Rahmenbedingungen bezüglich Wetter, Blasen, Magenproblemen oder dergleichen kann es auch schnell mal eine halbe oder ganze Stunde länger dauern. Deshalb glaube ich aktuell nicht, dass ich mir noch einmal eine solche Zeit vornehmen werde. 2025 steht die Back-to-back-Medaille auf dem Plan, aber dazu muss ich den Mauerweglauf nicht unbedingt in 24 h finishen, wenn der Cutoff bei 30 h liegt. Es ist ein wunderbar organisierter Lauf, ein eher leichterer Hundertmeiler wegen der wenigen Höhenmeter, der vielen Verpflegungspunkte, der hervorragenden Ausschilderung, der vielen Mitläufer, der möglichen Radbegleitung und begeisternder Helfer an der Strecke. Ich hoffe und plane, noch oft Mitte August nach Berlin zu kommen, sei es als Läufer oder als Helfer.

Heidi Tag 5: Finale

Am Morgen des fünften Tages fühlte es sich komisch an, gleichzeitig auch in den letzten Abschnitt zu starten. Mir kam es ein wenig so vor, als hätte ein lang vorbereitetes Abenteuer gerade erst begonnen. Die Gewohnheit des (Lauf-)Alltags war definitiv da und könnte, so schien es, eigentlich noch über diesen Tag hinaus gehen. Noch dazu standen heute ja vermeintlich „nur“ 57 km an, deutlich weniger als bei den bisherigen Etappen, um abends eine gemeinsame Feier zu gewährleisten.

Beim Start verpasste ich es erneut, mit David oder Franz zu laufen und blieb stattdessen in meiner gewohnten Blase. Ein Stück weit ging es auch wieder vorn mit Alexandra, doch wir blieben in einer kleinen Gruppe zusammen. Kein Interesse meinerseits heute an wilden, überfordernden Aktionen! Der Weg führte zunächst am westlichen Seeufer des oberen Havelsees entlang bis nach Hennigsdorf (nördlichster Punkt) und somit waren erneut einige Abschnitte des Mauerwegs dabei. Beim Ruderclub verließen wir diesen, um dem östlichen Seeufer weiter nach Süden zu folgen. Es war schönes Wetter und lange schattig und nicht zu warm. Fast auf Höhe Spandau ging es dann am Nordufer des Tegeler Sees weiter, wo die Strandbäder wieder deutlich leerer waren als am Vortag. In Tegel ging es über eine schöne Brücke über den Tegeler Fließ, dem wir noch weiter ostwärts folgten. An der Brücke waren bereits die Markierungen für den Rückweg erkennbar; heute gab es eine Schleife durch Tegel, bevor es am Seeufer zurück nach Spandau ging. Vom sehr schicken und modernen Wohngebiet am Tegeler Fließ (Nähe Humboldtmühle) ist das einzige Foto des Tages:

Es folgte ein kurzes Übergangsstück durch die Stadt, bis es durch ein Waldgebiet zur eigentlichen Wendestrecke ging. Entgegen der bisherigen Gewohnheiten wurde der Doppel-VP3+4 bereits einige Kilometer zuvor mit grüner Kreide auf der Straße angekündigt. An dieser Stelle war ich bereits angeschlagen von der bisherigen Strecke und der Wärme, hatte vermutlich nicht genug gegessen und getrunken und die Softflask wartete erst am VP. So frustrierte es mich etwas, bis zum unmittelbar erwarteten VP dann doch noch länger unterwegs zu sein als gedacht. Die Helfer dort standen zwar im Schatten, waren aber leider auch umschwirrt von vielen Mücken. Hoffentlich wirkte ihr Anti-Brumm gut genug! Wir Läufer konnten ja weiter.

„Zwischen“ dem Doppel-VP3+4 lag eine 8 km lange Runde, die als besondere Challenge in der Challenge diente: Wer rennt auf dieser Runde am deutlichsten schneller als seine Durchschnittsgeschwindigkeit der fünf Tage? Es gab extra einen jungen Helfer, der sorgfältig alle Läufer und ihre Zeiten beim Start auf die und beim Beenden der Runde sekundengenau notierte. Obwohl die meisten Läufer meinten, dass sie die Idee ganz nett fänden, aber normal weiter laufen würden (auch mangels Temporeserven wie bei mir?), schienen doch alle ein kleines bisschen flotter unterwegs zu sein. Es gab aber auch einige wenige Läufer, die sich gute Chancen ausrechneten und deutlich mehr bemüht waren, besonders gut zu performen. Der sonst eher in meinem Tempobereich jenseits von 8 min/km ansässige Thorsten schaffte die Runde in sehr beeindruckenden 40 min! Wir waren alle sehr überzeugt, das würde niemand mehr toppen, zumal es auch die bis dahin absolut schnellste Zeit war. Thorsten war stolz und glücklich, doch danach nicht mehr wirklich gut drauf, um die verbleibenden knapp 15 km bis zum Ziel locker durchzulaufen. Mit einer Mischung aus flottem Gehen und langsamem Laufen kamen wir langsam aber sicher voran. Weglaufen wollte ich da auch nicht und zog die Unterhaltung in der kleinen Gruppe vor. Ab und zu lief auch mal jemand vorbei, so auch Hervé in seinem gleichmäßigen, lockeren Tempo. Auf Nachfrage meinte er, dass er ebenfalls ein wenig auf diese Sonderwertung geschaut hätte. Wie sich dann herausstellte, war es nicht nur ein wenig: Er hatte sich zunächst am VP3 etwas erholt, getrunken und dann Laufweste und andere nicht dringend benötigte Sachen abgelegt, bevor er auf die Strecke ging. Nach 31 min (!) war er wieder zurück und hatte die 8 km inklusive roter Ampelphase in einem Schnitt von unter 4 min/km absolviert (3:54) – was für eine unglaubliche Leistung! Das war für mich persönlich die beeindruckendste Leistung der gesamten Challenge – gleichauf mit Nina, die auch die fünfte Etappe trotz Schmerzen und unrundem Lauf beendete. Alexandra wartete übrigens im Ziel auf sie, nachdem sie zuvor vier mal zusammen eingelaufen waren.

Unsere Reststrecke verringerte sich immer weiter, wir kamen nicht übermäßig schnell, aber stetig voran bis etwa zwei Kilometer vor dem Ziel. Dort sahen wir einen Mann mit Fahrrad, der offensichtlich große Probleme hatte. Er konnte sich kaum aufrecht halten, geschweige denn sein Rad die Schräge an einer Brücke hinauf schieben. Thorsten war gleich in seinem Modus als Rettungssanitäter, auch wenn ihn das letztlich über eine halbe Stunde zusätzlich kostete. Als der Krankenwagen gerufen war und nichts mehr so recht getan werden konnte, kamen David und Kay vorbei, mit denen ich dann bis ins Ziel lief. So konnte ich mich wenigstens mal mit David auf der Strecke unterhalten und nicht nur hinterher.

Im Zielbereich am Hotel saßen alle etwas länger als üblich, um die nachfolgenden Läufer zu begrüßen. So erwischte ich auch Franz‘ Zieleinlauf kurz nach unserem. Für alle Nicht-Hotelgäste gab es zwei Dusch-Zimmer, was einen sehr angenehmen Komfort darstellte. Ausgecheckt hatte ich bereits am Morgen. Die Siegerehrung am frühen Abend war eine sehr schöne Veranstaltung, auf der u.a. Kay sehr bewegende Worte zum Laufen in Berlin sagte. Vielen Dank! Leider musste ich nach dem Siegerfoto schnell weiter zu meiner Übernachtung bei meinem Bruder, da ich wegen anstehender Frühschicht dort möglichst nicht zu spät sein sollte. Noch etwas, was ich lernte bei diesem Etappenlauf: Die Nachfeier ohne Zeitdruck genießen! Das wird beim nächsten Mal bestimmt besser gelingen – und es wird mit recht hoher Wahrscheinlichkeit noch einen nächsten Etappenlauf für mich geben. Wie bereits angekündigt wurde, findet die nächste Heidi-Challenge voraussichtlich 2025 als Sommeredition statt. Eigentlich hatten wir bereits in diesem Jahr sehr sommerliche Verhältnisse, aber vielleicht ist es dann frühlingshafter oder herbstlich…

Den Bericht möchte ich nicht schließen, ohne wenigstens einmal danke zu sagen:
Danke, lieber Thomas, für die Idee Deinen Sportfreund genau so zu ehren – die wahrscheinlich beste Art, sich an einen Ultraläufer zu erinnern. Vielleicht war das gute Wetter der Tatsache zu verdanken, dass da oben jemand ganz genau zuschauen wollte….
Danke, liebe Martina, für die organisatorische Allroundbetreuung! Die läuferische und die organisatorische Erfahrung waren immer wieder zu spüren.
Danke, lieber Knut, Gunnar und all Ihr lieben Helfer, Fahrer, Einkäufer und Betreuer der Verpflegungsstände! Ohne Euch, die liebevoll zubereiteten Speisen und Getränke wäre diese erste Ausgabe der Heidi-Challenge nicht möglich gewesen!

Heidi Tag 4: Besser als erwartet

An den ersten Tagen habe ich es noch geschafft, abends ein kurzes Update zu schreiben, das dann später noch ergänzt und mit Fotos versehen wurde. Ab Etappe 4 gelang das leider nicht, und so folgen die beiden letzten Teile mit einigen Tagen Verspätung.

Die 4.Etappe war bereits im Vorfeld als eine besondere gekennzeichnet. Zum einen, weil am 1.Mai deutlich mehr Publikum unterwegs sein würde, weshalb die Berliner City-Tour auf den Vortag gelegt wurde. Zum anderen, weil am Feiertag und auch am nachfolgenden Donnerstag besonders viele Tagesläufer dabei sein würden, u.a. meine Lauffreunde Franz (Berlin) und David (Greifswald). Franz überraschte uns bereits am Montag, als wir in der Nähe seines Steglitzer Kleingartens (durch die Anlage) liefen und er mich ein Stück mit dem Fahrrad begleitete.

Vor der Etappe überlegte ich hin und her, inwiefern sich ein Teil zusammen mit zumindest einem der beiden laufen ließe. Sie wären ja frisch und ich selbst nach dreitägiger Vorbelastung deutlich angeschlagen und vermutlich zu langsam für die ganze Strecke. Zum Start am 1.Mai kam ich (mal wieder) sehr knapp, weil noch zu viele Kleinigkeiten in der kurzen Zeit nach dem recht gemächlichen Frühstück erledigt werden mussten: Zum Zimmer in den vierten Stock gehen, Zähne putzen, Toilettengang, Füße mit Antiblasen-Gel einreiben, nochmals Sonnencreme auftragen, Socken und Laufschuhe anziehen, Riegel zum Dropbag ergänzen, Treppe halb hinunter und wieder hinauf um die Brille im Zimmer zu lassen (beim Lauf genügte eine billige Plastikbrille in der Hosentasche, um bei Bedarf auf dem Handy den Track zu checken, die einmal bei unvorteilhaftem Hinsetzen ihre Gläser verlor), Dropbags in bereitstehenden Klappboxen deponieren und zum Start traben. So blieb gar keine Zeit, mit den anderen Vereinbarungen zu treffen oder Pläne zu machen. Mit gewisser Selbstverständlichkeit ordnete ich mich nach dem Start im Bereich der üblichen Verdächtigen ein, also denjenigen LäuferInnen, die zuletzt meist in ähnlichem Tempo unterwegs waren. Das war eher im vorderen Drittel unserer heute rund 15-20 LäuferInnen starken Gruppe der „Gemütlichläufer“. Franz und David blieben erst mal abwartend in der hinteren Hälfte – so hätte ich es als „Neueinsteiger“ vermutlich auch gehandhabt, um mir einen Überblick über das zu erwartende Tempo zu machen. Trotzdem erwartete ich ständig, dass sie bald aufschließen würden. Bereits während der ersten Kilometer zeigte sich, dass der Vormittag trotz wolkenfreien Himmels wohl recht erträglich sein würde, denn es ging zunächst auf der östlichen (Westberliner) Seite des Havelsees entlang nach Süden. Dadurch boten die Bäume fast permanent Schatten, der Wald war noch vor der Sonne. Hinzu kam ein ein sehr gut laufbarer Untergrund und eine noch moderate Frühtemperatur. Das Laufen machte so richtig Spaß! Nach und nach blieben von der Gruppe nur noch Kay und ich vorn bei Alexandra. Diese lief bisher stets mit Nina uns allen weit davon, doch Nina sah heute aufgrund von Beinproblemen (Knie?) schon beim Gehen etwas linkisch aus und musste erst einmal schauen, ob sie überhaupt noch laufen und wie sie zu einem Laufrhythmus kommen könnte (später holte sie uns alle ein und lief wie an den Vortagen zusammen mit Alexandra als Erste der langsamen Gruppe ins Ziel – eine ganz starke Leistung!). Bis zum ersten VP lief ich also mit Alexandra an der Spitze der Gruppe, was ein tolles Gefühl war. Natürlich war mit bewusst, dass das nicht mein normaler Leistungsbereich war und man für ein zu hohes Tempo früher oder später seinen Tribut zollen muss. Doch die schwere Berliner City-Etappe war geschafft, es stand nur noch eine etwas kürzere Folgeetappe an und so ließ ich es (mich) einfach laufen. Immer wieder gab es den bangen Blick auf das andere, sonnenbeschienene Seeufer, das am Nachmittag auf dem Rückweg zu absolvieren war. Bäume waren dort weniger zu sehen…

Der Wannsee mit dem Strandbad
Kirche im Schlosspark Sacrow aus der Ferne – vom östlichen Seeufer aus

Am ersten VP trafen in kurzer Folge einer nach dem anderen ein. Mein Aufenthalt war lang genug, dass Alexandra alleine weiterzog, doch es fand sich ein Tagesläufer (Sebastian?) als sehr nette Gesellschaft bis zum nächsten Zwischenstopp. Dieser Abschnitt bot mir bis dato unbekannte Anblicke des Strandbads Wannsee und des Schlosses und der Kirche Sacrow. Fähren über den See zeigten, dass man die Strecke auch schneller und mit viel geringerem Aufwand bewältigen kann, doch wir hatten unseren Spaß, nur eben anders irgendwie. Mittlerweile führt der Weg zum dritten Mal bei dieser Challenge über Glienicker Brücke und Schlosspark Cecilienhof. Der dritte VP lag nicht wie beim Mauerweglauf bei der Meierei, sondern kurz dahinter. Mit dabei mal wieder der omnipräsente Gunnar, heute schon zum dritten Mal an der Strecke. Dort ruhte ich mich erst einmal aus, während so einige Läufer eintrafen und weiterzogen, bis Gunnar mir einen Tritt in den Allerwertesten anbot (oder androhte). Er hatte natürlich recht, dass 20 min eigentlich eine viel zu lange Pausenzeit sind und der Kreislauf immer weiter herunterfährt, bis er gar nichts mehr leisten mag. Blöde Erfahrungen aus seinen zigtausenden Ultrakilometern, was soll ich da schon gegen einwenden, vor allem bei solch überzeugender Argumentationsweise? Also auf zu neuen Taten und herum um den See! Es stellte sich auch sogleich ein (Mauerweglauf-)Déjà-vu nach dem anderen ein: Die Brücke, der Abzweig, das Forsthaus Krampnitz mit dem Reiterhof, der steile Anstieg auf dem Trampelpfad, die Straße durch den Wald, der Single Trail durch die Wildnis mit querliegenden Bäumen… Moment mal, wie war das? Das kenne ich doch so gar nicht, hier können doch unmöglich im August tausend Läufer durch, noch dazu mit Fahrradbegleitung! Nun war ich doch etwas verunsichert. Zwar hatte Thomas etwas erzählt von einem Weg etwas näher an irgendetwas – dem Ufer, der Natur? – doch ist das wirklich noch alles richtig? Erst einmal ein paar Fotos gemacht als Dokumentation vermeintlichen Verlaufens in der Wildnis, dann bei der nächsten Gelegenheit nach links geschwenkt (leicht weg vom Seeufer) und schon war er wieder da, der deutlich breitere und klar ausgeschilderte Mauerweg. Abends bestätigten andere Läufer, dass ihnen der Abschnitt auf den Fotos bekannt vorkam – aber auch nicht alle…

Single Trails vor Schloss Sacrow …
… mit diversen …
… Hindernissen
Die Sacrower Kirche aus unmittelbarer Nähe
Das Ende des Sees und auch der Etappe rückt in Sichtweite

Wie erwartet zog sich der Weg zum Sacrower Schloss ganz schön hin, schließlich kamen der Park mit viel Sonne, die Kirche (endlich mal von innen gesehen, was sehr lohnte, aber nicht die Fotos von der zu Mauerzeiten komplett eingemauerten Kirche gefunden, was dank Internet nachgeholt wurde) und die Fähre am Parkausgang. Nun wurde es zum Glück wieder schattiger und auch die wichtigste Frage ließ sich klären: Eine Touristin(oder Helferin?) sagte mir, dass sich der VP am Ortsausgang befände, 1-2 km wären das noch. Damit ließ sich gut leben. Vom darauf folgenden Abschnitt (immerhin rund 14 km) sind nur wenige Erinnerungen geblieben, so ein schöner Blick auf das Strandbad Wannsee am gegenüberliegenden Ufer, ein längerer Straßenabschnitt und dass der mitgeführte halbe Liter Wasser gerade alle war, als nach einer Kurve überraschend VP5 auftauchte. Auch an die freundlichen Worte der beiden BetreuerInnen an diesem VP erinnere ich mich. Die letzten gut 10 km der Etappe waren nicht gerade leicht, doch mit dem wunderbaren Gefühl, es bald und deutlich besser als erwartet zu schaffen, waren sie bald bewältigt: Das Ende des breiten Sees war schnell abzusehen, dann folgten schon der Industriehafen auf der anderen Seite und die Brücken in Spandau, die sich am Montag noch sooo lang dahin zogen. Nun wusste ich, was mich erwartet, und es machte mich zuversichtlicher. Beim Zieleinlauf war ich von einer Menge Glückshormonen wie berauscht und musste erst einmal eine (sehr kleine) Extrarunde auslaufen, so gut ging es!

Heidi Tag 3: Heiß, heißer, Berlin!

In Billy Wilders Berlin-Klassiker „Eins, zwei, drei“ von 1961 antwortet die Südstatten-Teenagerin Scarlett auf die Frage, warum sie sich denn bei Ihrer Reise von einer zur nächsten europäischen Metropole ausgerechnet für diese (halbe) Stadt entschieden hätte: Sie habe gehört, Berlin sei gerade das heißeste Pflaster. So ähnlich konnten wir uns heute auch fühlen bei wolkenfreiem Himmel, offiziell 28°C Höchsttemperatur und sehr vielen Abschnitten in der Sonne. Es war eindeutig der bisher härteste Tag.

Die Waden werden fester, die Blasen an den Zehen rechts sind noch nicht schlimm, das rechte Schienbein meldet sich vorsichtig an: Noch alles okay, doch es kann bekanntlich schnell gehen bis ein kritisches Level erreicht wird. Die Erschöpfung ist noch kein Problem. Natürlich bin ich alles andere als frisch, deutlich angezählt, doch das ist halt Etappenlauf und es gibt noch Temporeserven (langsameres Laufen und späteres Abendessen, denn einen Cutoff gibt es bei der Heidi nicht!), die auch eine deutlich geringere Belastung ermöglichen würden. Der Gehanteil hat täglich zugenommen, aber selbst heute bei Hitze und Stadt waren es in der Summe wohl „nur“ wenige Kilometer. Die längsten Abschnitte waren eher so 200 m; dazu kommen die letzten knapp zwei Kilometer in Fünfergruppe, als keiner mehr den anderen weglaufen wollte.

Auch heute führte die Strecke zum sehr überwiegenden Teil an den Berliner Wasserwegen entlang, insbesondere an Spree und Landwehrkanal, hinzu kamen einige Verbindungskanäle. Doch trotz vieler schattiger Abschnitte und Abkühlung an flachen Ufern sowie einzelnen Brunnen und Toiletten (Mütze, Kopf) war es nur schwer erträglich. Es ist das erste Mal in diesem Jahr, das ich solche heißen Tage erlebe. Meine Strategie der 0.5l-Softflask ab der Rennhälfte kam eindeutig an ihre Grenze, sehr milde ausgedrückt.

Pinkelpause!

In der Großstadt ist es nicht ganz so einfach, schnell eine Stelle für gewisse Bedürfnisse zu finden. Deshalb gab es beim Briefing den Hinweis, dass man dazu bei km 12-15 vorerst die letzte Gelegenheit hat. Dies wurde auch noch mal auf dem Pflaster festgehalten, siehe Foto. Eine solche Aufforderung hatte ich bei einem Lauf wirklich noch nie gelesen!
Übermäßig lang war diese Passage mangelnder Möglichkeiten allerdings nicht: Im Treptower Park gab es Gelegenheit, beispielsweise im Ausflugslokal „Zenner“ – auch zur Erfrischung.

Die Strecke bot einige touristische Highlights. Zunächst waren Bereiche der Siemensstadt zu sehen, dann ging es am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal entlang zwischen Volkspark Jungfernheide und Flughafen Tegel (beides kaum wahrgenommen), ab Seestraße / Westhafen ein Stück parallel zum (Westhafen-)Kanal links und zur Autobahn 100 rechts, schließlich erreichten wir über einen weiteren (Charlottenburger Verbindungs-)Kanal die Spree und dieser gen Osten folgend sahen bald Goldelse und Schloss Bellevue auf der anderen Flussseite. Beim Bundeskanzleramt hatte ich etwas im Schuh und dachte gerade, dass hier eine Bank sehr nett wäre, als diese auch schon auftauchte. Zu den beiden Damen, die bereits darauf saßen, konnte ich zum Glück genug Abstand halten, um keine Anzeige wegen (Geruchs-) Belästigung zu riskieren, denn es war eine Doppelbank.

Der war echt!
Bundeskanzleramt von der Spreeseite – die Bank folgt hinter der Brücke

Am Hauptbahnhof gab es eine Diskussion um Schönheit und Zweckmäßigkeit dieses Bauwerks. Gleich im Anschluss machten Volker und ich einen kleinen Umweg, da er die aktuelle Gestaltung des Regierungsviertels ansehen und ich ihn begleiten wollte. Nach der Vorderansicht von Bundeskanzleramt und Reichstag wollten wir durch das Brandenburger Tor laufen und gerieten mitten in die Touristen. Ein Bauarbeiter brüllte mich an, weil er einen Lkw nahe dem Tor einparken wollte und wir im Weg waren. Er hatte da ein paar Hütchen aufgestellt und meinte, die müssten doch beachtet werden mitten im Gewusel. Berliner Freundlichkeit, bekannt und gefürchtet.

Hinter dem Plänterwald folgte die Strecke dem Britzer Verbindungskanal, der von der Spree Richtung West abzweigt. Der westliche Teil des Kanals war Teil der Grenze zwischen Ost- und Westberlin und liegt demzufolge am Mauerweg; wir bogen jedoch unmittelbar vor diesem Abschnitt auf den Mauerweg ein und folgten diesem nach Norden. Für mich bot das eine schöne Erinnerung an den VP Dammweg bei 146 km, den ich 2022 mit einigen Mitstreitern betreiben durfte und im August hoffentlich vor vier Uhr morgens passieren werde. Selbstverständlich hatte ich auch heute mein Volunteer-Shirt an und machte ein Foto dieses eigentlich unscheinbaren Ortes:

Kay und Volker am VP Dammweg des Mauerweglaufs

Dem Mauerweg folgten wir entlang dem Bach und der Kleingartenanlage bis kurz vor der Autobahn-Baustelle, die wir im Gegensatz zum östlich verlaufenden Mauerweg westlich passierten, um am Neuköllner Schifffahrtskanal entlang zum Landwehrkanal zu gelangen. Auf der einen Seite Neukölln und auf der anderen Kreuzberg, waren hier am frühen Dienstagnachmittag vor dem Maifeiertag und bei bestem Wetter sehr viele Menschen unterwegs. Ständig auszuweichen und Wege um die Spaziergänger, Läufer, Radfahrer und einfach nur Herumstehende sowie zwischen ihnen hindurch zu suchen, während diese sich ebenso unvorhersehbar bewegen wie man selbst, war nach kurzer Zeit sehr anstrengend. Hinzu kam, dass mich gerade auf diesem Stück mein hier ansässiger Schulfreund ein paar Kilometer mit dem Rad begleitete und wir eigentlich gern etwas entspannt gequatscht hätten. Trotzdem: Vielen Dank für die Unterstützung auf diesem schwierigsten Abschnitt des Laufs, lieber Thomas!

Ab dem Halleschen Tor sah man den Landwehrkanal kam noch, dafür aber die alte Hochbahnstrecke der Berliner U-Bahn, die im Musical „Linie 1“ ein Denkmal bekommen hat. Durch die vielen Kreuzungen wurde der Lauf zum Stop-and-Run. Hier muss man sich entscheiden, wie eilig und voraussehend man auf die jeweils nächste Ampel zu läuft: Entweder wählt man die entspannte Variante, läuft normal weiter und lässt sich überraschen. Oder man läuft möglichst zügig auf sie zu in der Hoffnung, vielleicht gerade noch eine Grünphase zu erwischen. Beim ersten Anblick der Kreuzung kommt dann die Entscheidung, ob noch ein „Sprint“ lohnt oder bereits der Wechsel zum gemütlichen Gehen indiziert ist. In Kombination mit großzügiger Interpretation der Ampelfarbe lässt sich so die eine oder andere Ampelphase „sparen“ – allerdings ist das auch deutlich anstrengender.

Der Rückweg war definitiv der härtere Teil dieses ohnehin schweren Tages, auch wegen der Temperaturen und der knallenden Sonne. Er bot aber auch noch Passagen des Tiergartens und des Charlottenburger Schlosses an. Eigentlich führte unser Track dort zwar am Landwehrkanal vorbei, doch Volker, Kay und ich entschlossen uns, mal das Schloss von vorn anzusehen und danach, den Weg durch den Schlosspark zu nehmen. Wir erhielten dafür ein schönes Fotomotiv, eine kurze Schlosspassage beim Souvenirshop und einen besonders schönen Umweg von knapp einem Kilometer.

Der restliche „Heimweg“ schien gar kein Ende nehmen zu wollen. Es zog und zog sich entlang des Kanals hin. Irgendwann haben wir uns auseinander sortiert, Kay ging mehr, Volker und ich liefen noch ein Stück. Zur Motivation meinte ich irgendwann, bis zu einer mehrere hundert Meter entfernten Biegung zu laufen, bis wir wieder eine Gehpause machen. Volker sagte nichts, lief aber dann stur weiter. Entweder hat er das nicht mitbekommen oder nicht verarbeitet. Er lief einfach immer weiter und hörte bis ins Ziel nicht mehr auf. Ich lief auf die nächste Gruppe auf und ging mit diesen bis zum Ziel, auch Kay schloss bald auf. Wir waren über 20 min nach Volker im Ziel und hatten erst mal genug von der Stadt.

Für heute war es das erst einmal. Der Bericht war nur in kurzer Form nach dem Abendbrot möglich, vorher war die Erholung kurz und dringend benötigt. Als Nächstes schaue ich mir die Wettervorhersage für morgen an, wenn es um die Havelseen und lange in waldiger Umgebung gehen soll.

Heidi Tag 2: Überall nur Bekloppte

Das war ein Kommentar eines Typen, an dem wir kurz vor dem Ziel vorbei liefen. Verrückt kam ich mir da auch vor, aber eher nicht „im positiven Sinne“ (was auch immer das sein soll). Der Montag war besonders am Anfang sehr entspannt. Ein Foto von der typischen Hektik am Start ist beigefügt. Die Straßen waren sehr voll von Autos, doch flanierende Spaziergänger standen nicht im Weg. Ein Schulkind lief mit seinem Ranzen eilig, als würde es uns zum Wettkampf herausfordern, doch vermutlich war es einfach nur spät dran. Es ging in Potsdam durch das Holländische Viertel, das ich mal in der Jugend angesehen hatte. Leider waren die Erinnerungen auf den (ungefähren) Namen beschränkt, so dass kein Vergleich mit den späten 80ern / Anfang 90ern möglich war. Jetzt ist es ein Hingucker und vermutlich ein großer Potsdamer Touristenmagnet. Morgens kurz vor acht war davon allerdings noch nichts zu spüren.

Drei Minuten bis zum Start: Es wird immer hektischer im Gerangel um die beste Ausgangsposition. Das Banner für Start+Ziel ist halblinks an den Standfüßen zu erkennen, die Treppe ging es 2x beim Start hinunter und 1x beim Zieleinlauf hinauf

Der Vormittag brachte einige Wolken, die Strecke recht viel Wald und die Höchsttemperatur von angesagten 21°C war doch sehr viel angenehmer laufbar als noch am Vortag. Am Havelsee angekommen ging es ein Stück auf dem fast allen Läufern aus eigener Erfahrung bekannten Mauerweg entlang. Nach erneuter Passage der Glienicker Brücke bogen wir nicht wie gestern Richtung Schlosspark Babelsberg/Potsdam ab, sondern liefen in nordöstlicher Richtung am Teltowkanal entlang. Das war sehr angenehm zu laufen, insbesondere ruhig und kühl. Als ich gerade dachte, dass es schon speziell ist, dort auch zu zelten, aber sicher schön für angelnde Camping-Freunde, fing das Rauschen der querenden Autobahn an. Die nächsten Dörfer Kleinmachnow und Stahnsdorf sind ebenfalls mit eher positiven Jugenderinnerungen verbunden, was diesen Abschnitt für mich besonders attraktiv machte. Den Teil bei Teltow, an dem der Mauerweglauf am gleichnamigen Kanal entlang führt, liefen wir zur Abwechslung auf der Nordseite, auch um später Richtung Schöneberg abzubiegen.

Idylle am Teltow-Kanal
Über diese Brücke sollst Du gehn

Es folgte ein längerer Bereich zunächst nach Westen durch sehr städtisches Gebiet mit mehreren Autobahnquerungen bis zum Grunewald. Im Grunewald ging es fast zurück nach Südwesten und an vielen schönen, kleinen Seen vorbei (Grunewaldsee, Krumme Lanke, Schlachtensee). Das gab immer wieder Gelegenheit, Basecap und Kopf zu wässern und kühlen. Badende und (freilaufende) Hunde waren reichlich vorhanden. Die allermeisten Läufer tragen auch bei der Heidi-Challenge Laufwesten oder -rucksäcke und damit einen wertvollen Vorrat an Getränken, Essen und auch Wechselsachen. Darauf verzichte ich hier lieber wegen der kurzen VP-Abstände zwischen 7 und 15 km, was den enormen Vorteil hat, leichter und mit etwas weniger Stauwärme am Rücken unterwegs zu sein. In der (nach-)mittäglichen Wärme geht das nicht mehr, darum deponiere ich in den Dropbags an VP 3-5 ein paar Riegel sowie eine Trinkflasche, die dann in der Hand gehalten werden muss bzw. in die Hosentasche passt, wenn sie leer ist. Der halbe Liter Reserve war anfangs reichlich, am Ende sehr knapp.

Die erste größere Herausforderung des Tages war ein 5-6 km langer schnurgerade Weg im Grunewald, mit kleineren Bodenwellen. Das gab Grund für „natürliche“ Pausen an den Anstiegen. Mein Glück waren zwei Läufer, die irgendwann in Sichtweite auftauchten. Stetiges Verkürzen des Abstands gab viel Motivation zu langen Laufpassagen – ein prima Training für den Mauerweglauf, denn dort gibt es die ähnlich lange Königsallee, die aus meiner Sicht eine der mentalen Herausforderungen darstellt. Nachdem wir diese hier zu dritt gemeistert hatten, ging es zu einer kleinen Sandkuhle mit Gewässer hinunter. Der Weg führte in langem Bogen am Waldrand an zwei sich sonnenden Pärchen vorbei. Aber es gab da noch einen weiteren Weg zwischen ihnen, der auch ganz nett aussah. Kay und ich entschieden uns für diesen und standen nach ein paar (hundert) Meter ratlos außerhalb des Tracks. Den fanden wir auch wieder, wir mussten nur den Anstieg hinauf und sahen eine abbiegende Wegmarkierung. Allerdings begann dort wieder die lange Gerade – wir hatten also eine schöne Schleife um die Sandgrube absolviert. Tanya, die gefühlt nur ein paar Meter hinter uns war, lief auf dem richtigen Track und bekam gar nicht mit, dass wir sie umrundeten wir ein Schäferhund die Herde. Angestachelt von unserem Missgeschick, war plötzlich alles ziemlich doof: Die erneut zu durchlaufende Kuhle war sandig und sonnig, der Anstieg irre steil, Tanya am kurz darauf folgenden VP längst schon weg und dann ging es auch noch steil auf den Teufelsberg – die zweite Sache, vor der ich bereits im Vorfeld Respekt hatte. Letztlich war der Anstieg schnell geschafft und es war beeindruckend zu sehen, welche Investitionen die Amerikaner im Kalten Krieg auf der höchsten Westberliner Erhebung getätigt haben, bevor auch sie vom Lauf der Geschichte überrascht wurden. Der Abstieg bot einen wunderbaren Weitblick, doch für uns war es einfach nur irre steil auf der Wiese, die im Winter als Rodelhang dient. Wir wollten nur noch ins Ziel. Letzteres sollte sich enorm hinziehen. Erst dauerte es lang und länger, in die Zivilisation zurück zu kommen. Als wir dann Häuser und Straßen kreuzten, folgte eine nach der andere, bis wir endlich die Heerstraße erreichten. Dann hatte ich mich komplett vertan in der Annahme, kurz hinter der Brücke in Spandau und Hotelnähe zu sein. Immer noch war Kilometer auf Kilometer zu absolvieren, nun am Havelkanal entlang, um einen Industriehafen herum und endlich über die Havel-Brücke. Die Sonne und Wasserknappheit halfen ebenso wenig wie die Tatsache, dass zu frühes Abbiegen die falsche Brücke und noch einen Umweg bedeutete. Es ging immer noch weiter und weiter. Am Ende sahen wir das Ziel erst 30 m vorher. Puh!

Zwischenpassage von S-Bahn-Ring und Autobahn
Rodelhang am Teufelsberg. Zu erahnen ist der südliche Havelsee von Etappe 4.

Heidi Tag 1: Havelseen umachtern

Anmeldung und Briefing am Samstag waren wie zu erwarten sehr entspannt, auch wenn ich leider ein paar Minuten zu spät kam. Der Organisator Thomas Steinicke gab eine sehr schöne Erläuterung des Namens und erinnerte an in vielen Anekdoten an seinen Freund Michael „Heidi“ Wichmann. Genau so hätte ich mir das gewünscht. Das mündete in dem bewegenden Moment, in dem er Heidis Frau als eine der Edelhelfer dieser Veranstaltung vorstellte.
Die Regeln des Laufs waren im Grunde schnell erzählt, da fast alles aus Ausschreibung und anderen Veranstaltungen bekannt war oder sich aus dem gesunden Menschenverstand ergibt. Wieviel davon am Ende noch übrig bleibt, dafür ist UltraläuferIn in erster Linie selbst verantwortlich. Wir lernten dabei auch Martina Ramthun kennen, die als „Mädchen für alles“ einen großen Teil der technischen Organisation abwickelte und sich um so viele Details und alle läuferischen Bedürfnisse kümmerte, dass sie mindestens drei Jobs parallel erledigte. Als sie am Mittwoch auch noch den Marathon mitlief, war wohl das Maximum erreicht, was mensch schaffen kann. Aber ich bin halt nur ein Mann und verstehe das wohl nicht.
Der rund einen Kilometer lange Fußweg zum Abendessen war schnell absolviert, heute (gleich) könnte das etwas anders aussehen – es geht wieder zum gleichen Ort. Das Essen war so gut und lecker wie erwartet, zumal es ein „Tischbuffet“ gab, also diverse Gerichte auf den Tisch, die dann nachgefüllt wurden. Heute ist Einzelbestellung angesagt, doch das wird auch gut bei der hohen Qualität.

Von einigen Frühstartern abgesehen starteten fast alle um 8 Uhr, die 9-Uhr-Option wurde heute nicht benötigt. Der Weg führte immer am Wasser der Havelseen entlang. Zumeist waren es Wald- oder asphaltierte Radwege, die später recht belebt wurden und ein regelmäßiges Ausweichen erforderlich machten, ohne dass es zu Problemen kam. Nach einer Handvoll Kilometern überquerten wir eine Einbahnbrücke und liefen auf der anderen Uferseite weiter, hatten den See also links statt zuvor rechts. Nach rund 25 km endete war so etwas wie ein Wendepunkt am „Ende des Sees“ und wir liefen zurück bzw. weiter mit dem See links bis zur Eisenbahnbrücke, an der erneut die Seeseite gewechselt wurde. Nach etwas über 50 km hatten wir den Ausgangspunkt fast erreicht und konnten unser Hotel sehen. Außerdem ging es am Restaurant vorbei – doch es wartete noch eine kleine Runde im Norden auf uns. Das war von der Motivation her so mäßig prickelnd, die nachfolgende Strecke dafür äußerst lohnend: Über die Glienicker Brücke ging es auf dem Mauerweg nach Berlin(-Zehlendorf) hinein und dann weiter über die nächste Brücke nach Potsdam(-Babelsberg), wo es im Park steil aufwärts zu einer traumhaften Aussicht ging (Bilder folgen demnächst, sorry). Ein Fotostopp folgte auf den nächsten und plötzlich waren die letzten drei Kilometer erreicht. Thomas kam uns dort schon auf dem Fahrrad entgegen und nach Unterquerung einiger Brücke war das Hotel erreicht. Allerdings – unten: Es waren vielleicht noch so 40 Stufen zu laufen(so haben wir das tatsächlich hier mal gemacht!) und dann wartete das Ziel auf uns.

Wenn ich so im Plural schreibe, liegt das daran, dass ich die meiste Zeit in kleinen Gruppen lief. Ganz am Ende gestartet, war das im ersten Teilstück eher so im mittleren bis hinteren Teil. Am ersten VP nach 12 km (Foto) nahm ich mir deutlich mehr Zeit als meine Mitstreiter und wurde durchgereicht. Dafür gab es Sonnenschutzspray von Gunnar, der hier und heute als einer der Betreuer anVP1 und 3 fungierte. Wohl in morgentlicher Aufregung hatte ich nämlich das Eincremen vergessen – trotz 2x Sonnencreme im Gepäck! Auch am zweiten VP brauchte ich etwas länger, so dass ich erstmal ein Stück allein lief. Das ging aber auch wunderbar, denn es war nach wie vor zumeist schattig und mit dem See an der (linken) Seite. Nachdem ich dann auf Hervè traf, liefen wir zusammen weiter bis zum Ende. Er ist hier fast mehr zu Hause als ich, denn er hat bereits sechs mal den Mauerweglauf absolviert und will in diesem Jahr aussetzen, um die Schweizer Heimat am Stück zu durchlaufen… Wir hatten selbstverständlich reichlich Gesprächsstoff und sahen an den VPs immer mal wieder die letzten vor uns. Aber erst auf den letzten 8-9 km nach VP5 erreichten wir sie auch. Von nun war die Dramatik kaum zu überbieten, denn wie ein Schneeball rollten wir gefühlt das halbe Feld auf und kamen letztlich in großer Gruppe ins Ziel, praktisch alle zur gleichen Zeit!

Die Erholungsphase mit Wasser, Softdrinks, Eiweißdrink, Keksen, Dusche, Eincremen und Hochlagern der Beine und ein wenig Ruhe wurde im Schnelldurchlauf absolviert, um diese Zeilen zu schreiben. Nun geht es zum Abendessen – in drei Minuten ist Treff und dazu sollte ich noch in die Hose und Sandalen kommen. Guten Appetit!

Der erste von insgesamt 25 Verpflegungspunkten
Bestes Ausflugswetter!
Immer wieder schöne Ausblicke

Das Dixi wackelte wie bei einer Schiffsreise
Neben der üblichen Verpflegung gab es auch Laufschuhe in Keksform oder umgekehrt
Der erste schöne Blick auf die Glienicker Brücke – diese haben wir heute zum ersten Mal passiert, doch so einige Male folgen noch.
Für viele gibt das auch einen Vorgeschmack auf den Mauerweglauf im August, der ebenfalls über die durch den Agentenaustausch und den markanten Anblick bekannte Brücke führt.
Anstieg zum Schlosspark Babelsberg
Die Gruppe wird langsam größer

Heidi: Accept the Challenge!

Vorbereitung Mauerweglauf
Auf dem langen Weg zum Saisonziel Mauerweglauf 2024 (100 Meilen Berlin) gibt es eine Reihe von Komponenten. Darunter sind mehrtägige Belastungen, um dem Körper mal die Gelegenheit zu bieten, den zu erwartenden Gesamtumfang kennenzulernen. Die mit Abstand wichtigste davon ist gleich eine Ultra-Variante.

Die Heidi-Challenge
ist ein Etappenlauf im Berliner Umland: https://heidichallenge.run/
Der Lauf wird organisiert von Thomas Steinicke, den Franz und ich von der Deutschland-Querung 2022 her kennen, an der Thomas ebenfalls teilnahm. Des weiteren kenne ich ihn vom FDZU sowie von seinen empfehlenswerten Videos von Ultras und Etappenläufen, die mir schon bei mancher Laufvor+nachbereitung halfen. So kann man kurzweilige Videos mehrerer Deutschlandläufe, aber auch von FDZU und Mauerwegläufen auf youtube finden: https://www.youtube.com/@thomassteinicke1077.
Inzwischen wechselte er die Seiten und ist als Organisator aktiv, hat nach meinem Wissen bereits einen Deutschlandland zusammen mit dem berühmten Oliver Witzke organisiert und nun wohl dessen Portfolio an etablierten (Etappen-)Läufen übernommen. Ganz großen Respekt! Seit kurzem laufen die Webseiten noch professioneller mit der Länderkennung „.run“ und die Firma Conibeta tritt als (Mit?-)Veranstalter auf.
Die Namensgebung hängt mit dem Gedenken an Michael „Heidi“ Wichmann zusammen, welcher zusammen mit Thomas Steinicke die Idee zu diesen Lauf während der Pandemiezeit entwickelte, als Läufe reihenweise ausfielen und Alternativen vor der Haustür interessant wurden.

5 Etappen
verlaufen soweit wie möglich entlang der Uferwege Berliner (und Brandenburger) Seen, Flüsse und Kanäle. Daher geht es zumeist sehr flach zu, eine kleine Ausnahme stellt der Teufelsberg im Grunewald dar. Die Distanzen wechselten während der letzten Monate immer mal wieder. Nachdem es im Durchschnitt mal fast 70 km waren, gab es zuletzt einige Kürzungen, um auch für langsamere Läufer zeitlich attraktiv zu bleiben. Somit ergeben sich folgende Streckenlängen:
62 km / 67 km / 63 km / 68 km und 57 km.
Am Samstag treffen sich die Teilnehmer in Potsdam. Nach Startnummernausgabe und Briefing geht es zum gemeinsamen Abendessen in eine „Genussmanufaktur“ – Essen ist wichtig! Gestartet wird am Sonntag, dem 28.April 2024. Wie bei vielen Ultraläufen und Etappenläufen üblich, gibt es mehrere Startgruppen, um unterschiedlichem Lauftempo genüge zu tun bzw. die Öffnungszeiten der Verpflegungspunkte zu begrenzen. Sonntag geht es um 6:30 / 8:00 / 9:00 Uhr los, an den nachfolgenden Wochentagen zumeist eine Stunde früher. Für die Frühstarter wird ein gesondertes Frühstück organisiert, denn die Hotels bieten dann normalerweise noch nichts an.
Apropos: Alle 7-15 km gibt es Verpflegungsstationen. Das sollte bei dem flachen Profil normalerweise genügen, um auf die Mitnahme von Essen und Trinken zu verzichten.

Meine Vorbereitung
auf diesen Etappenlauf war eher rudimentär, da es für mich eher als „ein „Trainingslager mit dem ganz großen Umfang“ in Vorbereitung auf die 100 Meilen dient und nicht einen Wettkampf im klassischen Sinne darstellt. Im Vorfeld des JUNUT habe ich mal versucht, mindestens eine Woche jeden Tag zu laufen. Heraus kamen immerhin 5+4 Tage mit einem Ruhetag dazwischen, allerdings auch mit vergleichsweise bescheidenen zwei Stunden täglich, was als Vorbelastung für einen Ultra-Etappenlauf eigentlich noch zu kurze Einheiten bedeutet. Mehr war nicht möglich. Dafür habe ich seit Jahresbeginn einen Kilometerstand erreicht wie bisher noch nicht: Gut 10 km (bzw. 1 h) am Tag im Durchschnitt! Stolz bin ich darauf, allerdings ist mir bewusst, dass andere ein Vielfaches leisten. Vor dem JUNUT zeigte mir eine Lauffreundin ihre Statistik, die fast das doppelte an Kilometern und dazu noch 25 Höhenkilometer auswiesen (beeindruckend, da sie aus Berlin kommt, was eigentlich nicht so viel alpiner ist als die Ostseeküste).

Meine Zielstellung
ist entsprechend demutsvoll: Ich möchte alle fünf Etappen beenden und dabei möglichst fast immer laufen! Der große Vorteil der Heidi-Challenge, weitgehend flach zu sein, bedeutet umgekehrt auch den „Nachteil“ , dass dadurch die „natürlichen Gehpassagen“ an den Anstiegen fehlen, die einem Ultra oft eine gewisse Struktur und Abwechslung und vor allem auch Erholung bieten. Auf jeden Fall wird es schwierig, die ganze Zeit durchweg zu laufen. Deshalb will ich das gar nicht einplanen oder versuchen. Bei den städtischeren Etappen wird es „mauerweglike“ zu einer Strukturierung durch rote Ampeln kommen, an denen man stehen bleiben und wieder anlaufen muss. Dazu kommen noch Verpflegungspunkte – und eventuell Fotostops. Denn ich plane, zwischendurch auf Laufwolke zu berichten. Vielleicht nicht jeden Tag. Ob es klappt mit Fotos, werden wir sehen. Wie ein Weg am Ufer eines Sees, Flusses oder Kanals aussieht, weiß ja eigentlich jeder. Klassische Berliner Fotomotive oder das Buffet der VPs sind auch nicht gerade spektakulär.
Die Laufgeschwindigkeit bzw. die Laufzeiten sind mir egal. Irgendetwas um die 7-8 vielleicht, dann ist es gleich, ob min/km oder km/h. Solange ich noch laufe, wird es deutlich schneller als das schnelle Gehen bei etwa 6 km/h sein; andererseits wird das gemütliche Laufen bei 10 km/h auf Dauer viel zu schnell. Das passt zum Ziel für den Mauerweglauf, 161 km unter 24 h zu finishen, denn das entspricht bekanntlich einem Durchschnittstempo von 6.7 km/h. Mit kleiner Sicherheitsreserve muss im August also 7 km/h gelaufen werden, wobei das bei Abzug der Pausenzeiten dann etwa 8 km/h entspricht.

Wer läuft noch mit?
Es starten ungefähr 25 Etappenläufer auf der Ultra-Distanz und drei weitere auf der Marathon-Distanz. Letztere werden jeweils etwas nach der letzten Startgruppe ins Auto geladen und dann zum Punkt 42.2 km vor dem Ziel gefahren und dort ins Rennen geschickt. Dazu kommt ein Dutzend Tagesläufer, die ein bis drei Etappen absolvieren, hauptsächlich am Sonntag und wegen des Feiertags am Mittwoch / Donnerstag. Prominentestes Beispiel ist Franz (Mi/Do). David, ein (ehemaliger) Kollege aus Greifswald, wird an diesen beiden Tagen seinen ersten Doppeldecker laufen. Vom Etappenlauf Deutschland-Querung sind die Hälfte der Teilnehmer bei der Heidi dabei. Generell ist schon eine Tendenz erkennbar, dass viele Läufer aus Berlin und Umgebung (5NBL) die Gelegenheit eines Etappenlaufs vor der Haustür nutzen. Fünf ausländische StarterInnen bringen eine internationale Komponente ein, wobei Sari (Finnland) und Tanya (USA) praktisch als eingebürgert zählen könnten…

Ist Konkurrenz wirklich immer gut?
Eigentlich war in unmittelbarer zeitlicher Nähe ein weiterer Etappenlauf geplant: Die LG Mauerweg bot ein ähnliches Projekt in / um Oberhof (Thüringen) an, ebenfalls mit festem Hotel, mit Etappen um die 60 km (bergiges Profil) und mit kürzerer Option (halbe Strecke, gut zum Wandern geeignet). Als Rennsteiglauf-Vereinsmitgleid wäre ich auch dort sehr gern gestartet, habe mich wegen des Profils und der zeitlichen Nähe zum Rennsteiglauf aber für die Heidi-Challenge entschieden, die besser zum Mauerweglauf passt. Leider fanden sich am Ende nicht genügend Teilnehmer, um den enormen Aufwand zu belohnen, schließlich benötigt es mindestens ein halbes Dutzend Helfer, die extra Urlaub nehmen und nach Thüringen reisen müssen – und dann nicht auch noch alle Kosten tragen und den Lauf subventionieren können. In der Folge haben nach meiner Beobachtung zwar einzelne Teilnehmer auf die Heidi-Challenge umgebucht, sich andere hingegen abgemeldet, die beide Läufe hintereinander absolvieren wollten. Insgesamt scheint mir das Potenzial an Etappenläufern nicht optimal genutzt, insbesondere bei der LG Mauerweg gibt es einige Läufer, die möglicherweise dabei wären, wenn es von Anfang an nur ein Angebot gegeben hätte. Das ist alles etwas spekulativ, doch ich finde es schade, dass einerseits viel Engagement und zeitlicher Aufwand inklusive Urlaubsplanung umsonst war, andererseits das mögliche Läuferinteresse nicht optimal genutzt werden konnte. Interessanterweise gab es eine ähnliche Situation schon 2022. Damals gab es für meinen ersten Etappenlauf zwei Optionen:
– Als „Touristischer Begleiter / Fan“ einige Etappen des Transeuropa-Laufs mitzulaufen, der aus dem Baltikum kommend in Swinemünde auf Usedom Station machte und dann nach Berlin sowie weiter Richtung Westen verlief (Franz wollte Berlin-Paris laufen!). Der Lauf wurde abgesagt, weil nach dem russischen Überfall auf die Ukraine viele Teilnehmer aus Übersee absagten und sich der Lauf nicht mehr finanzieren ließ und wohl auch die Querung der Königsberger Enklave schwierig geworden wäre.
– Als „Regulärer Teilnehmer“ die Deutschland-Querung von Thüringen nach Siegen zu laufen. Das passte letztlich besser, weil ich den Rennsteiglauf nicht missen wollte.
Wir alle sind abhängig von Enthusiasten, die ihre Freizeit opfern um Läufe zu organisieren und durchzuführen. Das kann man nie gut lobpreisen. Wenn man reale Kosten bezahlen müsste, beispielsweise weil Veranstalter die Organisation von Läufen professionell betreiben und davon leben oder gar noch Investoren bezahlen müssten, würden die Kosten ein Vielfaches des Gewohnten betragen und alles nur noch auf Show, Kommerz und Gewinnoptimierung ausgerichtet sein.

Vorhersagen
bezüglich des Wetters sind immer eine wechselvolle Geschichte. Man kann sie zwar Wochen im voraus erhalten, doch die Änderungen im weiteren Verlauf sind enorm! Aktuell, wenige Tage vor dem Start, werden für alle 5 Tage Höchsttemperaturen zwischen 23 und 25 Grad sowie (nächtliche) Tiefsttemperaturen von anfangs etwa 10 und später eher 17 Grad angesagt. Es soll weitgehend trocken bleiben. Das deutet auf ein paar sehr warme Tage hin, die wir in diesem Jahr praktisch noch nicht gewpohnt sind. Die gute Nachricht: Weniger (warme) Laufkleidung, mehr Platz im Koffer für Verpflegung und anderen Schnickschnack. Das beinhaltet nun wohl auch ein Tablet zur „Berichterstattung“.

Ausstattung
Meine Planung sieht vor, mit zwei paar Laufschuhen (langlebige Modelle von Lunge und Karhu) auszukommen. Kurze Socken (besser ohne Löcher…) und Calves (optional weglassen, wenn zu warm) sowie eine kurze Hose / Tights sollten genügen. Die Startnummer kommt an und ein kleiner Faltbecher in die Hose, auf eine Laufweste will ich verzichten und nur zwei Oberarmtaschen für das geforderte Mobiltelefon links sowie Brille, Taschentücher, Kleingeld und einen Riegel (rechts) mitnehmen. Auf dem Smartphone sind die einzelnen Tracks der Etappen abrufbar, doch die Strecke ist markiert und sollte leicht ohne Hilfe zu finden sein. Hinzu kommt ein T-Shirt, das vielleicht am VP3 dank Dropbag-Option von dicker auf sommerlich gewechselt wird, Buff und auf den Kopf ein Basecap oder ein Stirnband. Für die ersten Kilometer am Morgen könnten eine dünne Jacke oder Ärmlinge sinnvoll sein, die man am VP abgeben kann.
Nach dem Lauf benötige ich dickere Sachen, wenn die Erschöpfung temperaturempfindlich macht, inklusive Pullover, Handschuhen, dicken Socken und Mütze. Sicherheitshalber packe ich in den Koffer noch das GPS-Gerät mit den Tracks (etrex 30 geliehen von Jörn), die Laufweste, eine dünne Regenjacke, lange Sporthose sowie eine faltbare Schüssel für ein Fußbad.
Der für Reisen übliche Kulturbeutel wird erweitert um Schlaf-, Vitamin- und Kohle-Tabletten, Antiblasen-Gel (Füße, Schritt, evtl. Achseln), Sonnencreme, Fußcreme, Blasenpflaster, Micropore-Pflaster, Brustwarzenpflaster, Kinesiotape, Rettungsdecke „Goldfolie“, Regencape sowie Wasserspray (zur Kühlung). Als Ergänzung zur angebotenen Verpflegung plane ich mit Cola, Ginger Ale, Pulver für Instant-Kaffee, Suppenbrühe und einen Eiweißdrink (direkt nach Zieleinlauf), Haferkeksen, Haferriegeln, Gummibärchen, Salzstangen und Honigwaffeln.

Bitte drückt mir die Daumen! Optimistisch, die Heidi-Challenge erfolgreich zu absolvieren bin ich; aber es gibt so viel, was passieren kann… Bis bald!

Deutschlands vielleicht längste Schleife: Der JUNUT

Lange Läufe gibt es viele in Deutschland, aber natürlich wird die Vielfalt mit zunehmender Streckenlänge geringer. Oberhalb der 120 km-Marke gibt es nach meinem Wissen aktuell eine Handvoll Hundertmeiler sowie einige wenige Landschaftsläufe wie den KoBoLT im Rheintal mit 140 km, den 200km-Lauf im Taubertal sowie zu Pfingsten entweder die TorTour de Ruhr mit 230 km (gerade Jahre) bzw. die Heidi 222 mit 222 km durch die Lüneburger Heide (ungerade Jahre) – und den JUNUT.
(Abgesehen von den 24/48h-Läufen und Etappenläufen natürlich!)

Dabei handelt es sich um einen trailigen Lauf auf dem „Qualitätswanderweg Jurasteig“ in der Oberpfalz. Dieser Wanderweg hat die Besonderheit, ein Rundweg zu sein. Normalerweise wird er in einer Reihe von Tagesetappen erwandert, beispielsweise einem guten Dutzend von etwa 20 km. Zusätzlich gibt es noch thematische Extra-Schlaufenwege, so dass zwei Wochen intensiver Wanderurlaub möglich sind. Die Gesamtlänge des Rundwegs ohne Schlaufen beträgt knapp 240 km. Genau das ist dann auch die Königsstrecke des Jurasteig Nonstop Ultratrails (JUNUT), der jedes Jahr Anfang / Mitte April in Dietfurt an der Altmühl gestartet wird. Die Altmühl ist der erste, aber längst nicht der einzige Fluß an dem entlang die Strecke führt. Bereits nach wenigen km verläuft parallel bzw. anstelle der Altmühl der MainDonau-Kanal, später folgen Donau, Naab, Vils, Lauterach sowie Schwarze und Weiße Laber. Dabei geht es immer wieder von einer zur anderen Flußseite sowie auf und ab zu wunderschönen Berghängen und Aussichten. Die Anstiege sind nicht übermäßig lang oder hoch -„nur“ 100 bis maximal 150 Höhenmeter- doch die Anzahl macht es! Wo sonst zu viele Jäger des Hasen Tod sind, zermübt hier das stetig wiederkehrende Auf und Ab, verbunden natürlich mit der Streckenlänge selbst.

Viel Auf und Ab summiert sich.

Es gibt drei Strecken zur Auswahl:

  • – die ganze Runde von 239 km mit 7500 Höhenmetern und 54 h Zeitlimit
  • – die mittlere Strecke von 170 km mit 5400 Höhenmetern und 39 h Zeitlimit
  • – die „Bambini“-Strecke von 104 km mit 3600 Höhenmetern und 23.5 h Zeitlimit.

Die meisten Läufer nutzen (faltbare) Stöcke, um an den Steigungen bessere Halt zu finden und Kräfte zu sparen. Das ist auch eine Frage der Technik und Übung, wieviel Erleichterung man erzielen kann. Auf flacheren Abschnitten muss das zusätzliche Gepäck in den Rucksack.

Am Main-Donau-Kanal
Nachfolgend: Aufstieg zum Schloß Prunn

Start ist am Freitag um 9 Uhr, 11 Uhr oder 15 Uhr nach freier Auswahl und bevorzugtem Lauftempo. Bei meiner Premiere vor zwei Jahren wollte ich ganz schlau sein und erst nachmittags anreisen, weil ich für meine 104 km erwartete, auch mit 17.5 h auszukommen. Das wäre vermutlich auch machbar gewesen, doch in der (kleineren) 15Uhr-Gruppe gab es keine Läufer meines Formats, die waren alle mindestens zwei Leistungsklassen besser und schneller. Um nicht nachts ganz allein im Wald zu sein, klemmte ich mich dann an die letzte Gruppe und lief ein für mich zerstörerisches Tempo auf den ersten 50 km. Die passenden Rahmenbedingungen gab es obendrauf: Starke Regenfälle, Gewitter und Blitze in ehrfurchtsgebietender Nähe, Sturm und Nachttemperaturen am Gefrierpunkt, wobei mir klar wurde, dass auch meine Ausrüstung nicht ganz optimal war. So kam es, dass ich das Rennen bereits nach 50 km beenden wollte. Kurz vor dem VP teilte ich den anderen meinen Entschluss mit und wir diskutierten hin und her, sie versuchten mich ob der noch ewig langen Zeit zu überzeugen, im Rennen zu bleiben. Ich weiß nicht, wie ich entschieden hätte, aber meine Rettung war der Abbruch der Veranstaltung durch die Rennleitung wegen der katastrophalen (und für manchen Starter sehr riskanten) Rahmenbedingungen. Trotzdem brannten mir danach eine ganze Nacht wie verrückt die Oberschenkel!

Die große Gruppe der 9Uhr-Starter am Marktplatz in Dietfurt.

Im letzten Jahr (2023) zog ich die Konsequenzen – und startete auf der 170er Strecke. Allerdings in der großen Gruppe um 9 Uhr und bei etwas besserem Wetter. Nach anderthalb Tagen war ich im Ziel, äußerst geschafft, aber „Stolz wie Bolle“, wie der Berliner zu sagen pflegt. In diesem Jahr war eine Wiederholung geplant, jedoch ob der anstehenden Pläne des Heidi-Etappenlaufs hoffentlich ohne totale Erschöpfung. Der 2024er Lauf lief dann auch recht gut und mein Fazit ist eigentlich auch positiv. Es war ganz gutes Wetter und hat mir echt Spaß gemacht.
Die Relativierung kommt „nur“ daher, dass ich in diesem Jahr den JUNUT 170 leider nicht beendet habe. Letztlich war es wohl wie immer eine Mischung mehrerer Faktoren, die sich negativ auswirkten. Bei einem Ultralauf ist es ja so, dass Probleme und Überraschungen dazugehören und früher oder später auftauchen. Bis zu einem gewissen Grad ist das vorher zu erwarten und kann gut kompensiert werden, aber irgendwann siegt es über den Willen.

Wenn der Socken aber nun ein Loch hat...

Wenn der Socken aber nun ein Loch hat…

Es ging schon damit los, dass ich blöderweise einen Socken mit Loch an der Fußsohle angezogen hatte. Beim Training merkt man das ja kaum, da lässt sich das kompensieren und selbst eine leicht gereizte Stelle wird schnell wieder ganz normal. Wenn allerdings ein Ultra über anderthalb Tage geplant ist, sollte man doch etwas mehr Verstand erwarten können, denn so etwas wächst sich unweigerlich aus! Jedenfalls war gleich nach dem Start spürbar, dass sich da etwas entwickeln wird. Nach nicht einmal zwei Kilometer suchte ich eine Bank und klebte ein Blasenpflaster drauf. Auf der mit Anti-Rutsch-Gel frisch eingeschmierten Fußsohle hielt das nicht wirklich, aber bis zum VP3 habe ich mich damit gut gefühlt und dort konnte ich die Socken wechseln bzw. dünne unterziehen. Kein ernsthaftes Problem soweit.

Mein Beitrag zum Caspar-David-Friedrich-Jahr 2024!
(Aussichten eines Greifswalders im Mittelgebirge)

Kritischer war vielleicht das Tempo, insbesondere auf abschüssigen Abschnitten. Es fühlte sich alles gut an, der erste Abschnitt war bis auf die Minute genau wie 2023 und auch der nächste nur wenige Minuten schneller absolviert, allerdings auch schon eine dreiviertel Stunde unter meinem groben Zeitplan.
Beim JUNUT sind die Abstände zwischen den VPs zumeist relativ lang, doch mit einer Laufweste kommt man ganz gut klar. Nur wenn es warm ist, wird es schwierig. Dieses Mal war es warm (21 Grad waren angesagt, gefühlt war es deutlich mehr und das noch ungewohnt in diesem Jahr) und sehr sonnig. Am Freitag hatte ich mich eingecremt, am Samstag hatte ich keine Sonnencreme und vergaß leider auch, an VPs danach zu fragen. Das war schon etwas anstrengend, vermutlich hatte ich einen leichten Sonnenstich. Die Strecke zwischen VP2 und 3 (50 bzw. 78 km) wurde recht lang, doch dank einer privaten Zusatzversorgung bekam ich einen Extraliter Wasser (wenn man fragt, sind fast alle Leute bereit zu helfen) und kam damit sehr gut über die Runden.

So war ich bereits nach 11:30 h (ohne Stirnlampennutzung!) beim berühmten VP 3 in Matting (Plan 13 h). Dort ist der VP im Feuerwehrhaus und die Feuerwehr hat sehr viele Mitglieder und Helfer – praktisch ist das ganze Dorf auf den Beinen! Am Eingang steht ein Pizza-Ofen, der im Dauerbetrieb läuft. Sobald man seine Startnummer verkündet, wird das Dropbag gesucht und gebracht und es geht hinein ins Haus. Es war eine Stunde Aufenthalt eingeplant. Obwohl ich mich von Tag- auf Nachtkleidung umgezogen, umfangreich gestärkt, das Telefon geladen, meine Vorräte aufgefüllt und auch einige Zeit auf der Bank liegend ausgeruht habe, war ich bereits nach einer dreiviertel Stunde voller Zuversicht wieder draußen. Dann ging es zur Donau-Fähre, die zur Nachtzeit natürlich nicht fährt und deshalb von der Feuerwehr mit einem Motorboot ersetzt wird (Sie startenab 21 Uhr und stellen dadurch einen zeitlichen Engpaß dar, ein weiterer Grund warum schnellere Läufer gern später starten). Auf der anderen Seite fanden sich schnell zwei Gefährten für den ersten Nachtabschnitt. Dank geliehener Stirnlampe konnte ich dieses Mal sehr viel mehr von den kleinen Reflektoraufklebern profitieren, die auf den Wegweisern angebracht wurden. Das ermöglicht, mehrere und teils hundert Meter entfernte Schilder im voraus zu erkennen und macht die nächtliche Orientierung viel einfacher, vielleicht sogar besser als am Tage. Genial! (Leider gibt es einen Förster, der in seinem -zum Glück kleinen- Zuständigkeitsbereich regelmäßig die Reflektoren abkratzt, weshalb einer der Helfer diesen Abschnitt jeweils kurz vor dem Lauf noch einmal neu beklebt. Nicht die einzige Anekdote mit Förstern: Dieses Mal wurde die Polizei gerufen, weil stirnlampenbewehrte Läufer bei der Wildschweinjagd stören und sich überhaupt selbst gefährden würden und deshalb nachts nix zu suchen hätten im Wald! Leider war der zuständige Polizeibeamte zunächst nur eingeschränkt erreichbar, da er als Helfer an einem VP stand…)

So langsam waren die bisherigen Belastungen zu spüren, insbesondere auf abschüssigem Geläuf stellten sich unangenehme Schmerzen oberhalb des Knies ein, das ist wohl der Ansatz des Quadrizeps und typisch für Läufer, die Bergabtraining und kompensierende Übungen vernachlässigen! Der VP 4 nach 88 km war relativ schnell erreicht und zügig absolviert, bis zum VP 5 bei 104 km, dem Ziel der kürzesten Strecke, nahmen die Probleme jedoch deutlich zu. Jeder Schritt bergab schmerzte, ich wurde müde und deprimiert ob der noch so langen Anstrengung und Strecke vor mir. Eine längere Pause war zwar nicht vorgesehen, jedoch dringend indiziert! Es wurden mit Ruhe auf einer Liege bestimmt anderthalb Stunden, doch sie taten sehr gut. Der VP-Betreuer, der sich dort sehr liebevoll um mich kümmerte, war sehr erstaunt, dass es dann doch noch weiter ging, aber es war ja noch nicht einmal hell draußen und auch noch reichlich Zeit und Weg zu gehen…
Der nachfolgende Abschnitt bis VP 6 bei 117 km war vergleichsweise kurz. Mit einer Mischung aus alten Problemen (Schmerzen) und frischem Elan ging es überraschend gut voran, insbesondere auf den letzten paar Kilometern, die leicht bergauf verliefen, was sich wunderbar und kraftvoll wandern ließ. Vielleicht war es ja einfach nur das erste Tief gewesen, aus dem es nun in den lichten Tag hinein geht!? Zumindest wollte ich das sehr gern glauben und machte mich mit viel Zuversicht auf den Weg zum nächsten VP 7 bei 138 km.

Dieser lange Abschnitt wurde für mich dann auch der letzte. Es kam alles zusammen und wurde mir irgendwann zu viel: erneute Sonne (ohne Sonnencreme), Wärme (mit Extrawässerung in diversen Dörfern), Verlaufen und Abkürzungen zurück durch Wald und Gebüsch, immerfort Anstiege und Gefälle und gefühlt eine Schleife nach der anderen anstelle des direkten Weges neben der Straße. Dazu kam das Wissen vom letzten Jahr, dass es auf den letzten beiden Abschnitten bei km170 genauso weiter gehen würde, allerdings eher mit höherem Anteil an sonnigen Abschnitten. Irgendwie wollte ich diese Quälerei nicht mehr, hatte viel Respekt vor dem Nachfolgenden und befürchtete, mich vollend abzuschießen. Was, wenn ich zwar ins Ziel käme, doch danach mehrere Wochen nicht in der Lage wäre zu laufen? Schließlich war es ein ganz wesentlicher Teil des JUNUT-Plans gewesen, möglichst schonend über die Strecke zu kommen.

So habe ich mir dann meine Aufgabe des JUNUT damit schöngeredet, dass ich ja mit 138 von 170 km einen großen Teil geschafft hätte und nun „verantwortungsvoll“ handeln würde. Es sind genau zwei Wochen Erholungszeit bis zum nächten Abschnitt meiner Vorbereitung auf den Mauerweglauf im August: Der HEIDI-Challenge, einem flachen Etappenlauf über 340 km in 5 Tagen (So 28.04.-Do 02.05.2024), entlang der Seen, Flüsse und Kanäle rund um Potsdam und Berlin. Sollte es gelingen, den ohne große Probleme durchzuziehen (nur kurze Wanderabschnitte), dann war es die richtige Entscheidung. Wenn auch das scheitert, werden die ganz erheblichen Zweifel kommen. Franz und ich werden davon berichten!

Kalt – Hart – Schön? Der Nachbericht

(Der Vorbericht findet sich hier)

Es ist halt wie es ist, so auch mit dem Werbeversprechen der Brocken-Challenge:

Kalt war es nun wirklich nicht. Beim Start morgens um 6 Uhr waren 10 Grad angekündigt und wohl auch vorhanden, später wurde es etwas kühler (=weniger warm) und am Brocken endete der Lauf in der Nähe des Gefrierpunkts. Aber für einen Lauf Mitte Februar auf den höchsten Berg Norddeutschlands mit ausgewiesen alpinem Klima, der in den vergangenen Jahren oft mit eisig-kaltem Wetter, Glatteis, meterhohem Schnee oder ähnlichen Wetterbedingungen für die größten Herausforderungen sorgte, glich das Ganze eher einem „Lauf in den Frühling“. Der leichte Westwind (eher im Rücken als im Gesicht) und wenige matschige Abschnitte änderten daran nicht viel. In vergangenen Jahren war auch das manchmal anders, da gab es teils Schlammbäder auf früheren Wanderwegen nach Einsätzen von „Harvestern“. Zwar hatte es im Vorfeld reichlich Regen gegeben, aber glücklicherweise waren die Wege nicht zerfurcht und meist gut laufbar. Nur ein matschig-schlammiger Anstieg über etwa einen Kilometer ist mir in Erinnerung geblieben.

Das sind perfekte Bedingungen für schnelle Zeiten und die gab es reichlich (Ergebnisse), unter anderem Streckenrekorde bei Männern und Frauen!

Schön ist vieles an der Landschaft! Es gab mehrfach schöne Aussichten bei teils hoher Sichtweite, auch wenn der Himmel zwischendurch immer wieder bewölkt war. Noch kurz unter dem Brocken gab es ungewöhnliche Blicke, oben war dann „natürlich“ Brockenwetter, also Nebel. Weniger schön hingegen ist, was man in der Nähe sieht: Totalschaden am Wald, wie es mittlerweile nicht nur vom Harz, sondern auch von anderen Mittelgebirgen bekannt ist (siehe Franz Bericht zur Deutschland-Querung 2022). Bilder davon zeigen unter anderem die Berichte anderer Läufer, die man auf der Homepage des Laufes findet. Lichtblicke geben jedoch nicht nur die fehlenden Baumkronen, sondern auch immer öfter Neubewuchs und Anpflanzungen. Ein Teil der Spendengelder geht an entsprechende Projekte.

Laufen mit dieser speziellen Ultra-Familie ist sowieso eine schöne Sache und die Erlebnisse sind auf jeden Fall da.

Hart kann jeder Lauf sein, wenn man das Tempo entsprechend gestaltet. Die vielen Bergpassagen bieten dazu reichlich Gelegenheit! Der (erste) Entsafter kurz nach Marathondistanz prägte mich am stärksten, da Axel, mein Begleiter über den ganzen Lauf, mich nach der kurzen und sehr steilen Gehpassage anspornte, diesen über fast 10 km gleichmäßig seichten Anstieg möglichst durchgängig zu laufen. Das klappte sogar weitgehend, aber danach war es erst einmal vorbei mit der Wohlfühlatmosphäre! Insgesamt hat die zweite Streckenhälfte viel mehr (positive) Höhenmeter, aber wir bewältigten sie in etwa der gleichen Zeit, ganz entgegen meinen ursprünglichen Plänen und Absichten. So kamen wir sogar noch im Hellen an und sahen auf dem Goetheweg die Brockenbahn passieren (siehe Beweisfoto). Natürlich war ich sehr geschafft, aber glücklich, endlich oben angekommen zu sein. Dusche (heiß und kurze Wartezeit!) und Essensbuffet (eher kein Hunger, nachdem ich am letzten VP das Kuchenbuffet geplündert habe) sowie ein schöner Holzaufsteller statt einer klassischen Medaille waren ein wohlverdienter Lohn für die Mühen. Insgesamt hatte ich das Gefühl, mich nicht komplett verausgabt zu haben, womit ich sehr zufrieden war. Der 7 km lange Abstieg wurde zu einer netten Nachtwanderung in einer Gruppe und nach moderater Wartezeit in der Hochmoorbaude bei Tee und Resten der Verpflegung kamen wir alle noch im ersten Bus nach Göttingen unter (21:30 Uhr, der zweite Bus fuhr erst 23 Uhr). Zugeben muss ich jedoch, dass ich mich zwar in den nächsten 2-3 Tagen gut und besser fühlte, obwohl sich noch eine Dienstreise anschloss, aber dafür nach 5 Tagen total fertig war und das Kreuz / die Hüfte Probleme bereitete. Keine gute Voraussetzung für die „Reise in den Süden“, die für das nachfolgende Wochenende anstand! Die Anmeldung musste aber wegen knapper Startplatzressourcen bereits im November erfolgen, also bevor am 1.Dezember das Ergebnis der BC-Lotterie verkündet wurde.

Fazit: Die Brocken-Challenge ist bei jedem Wetter eine Reise wert! Aber ich habe die Warmduscher-Version erwischt – ob das extra wegen mir Warmduscher war? Naja, so wichtig ist keiner.

Die größte Challenge ist und bleibt nun einmal, den Anforderungen des harten (Winter-) Wetters zu trotzen und heldenhaft zu finishen, im Orkan oder mit vereisten Augenbrauen und Trinkflaschen oder Füßen im Eiswasser oder Schnee bis zu den Hüften oder Schlamm bis zu den Waden oder oder oder. Für mich steht fest: Das war ein Finish außer der Reihe, zählt als harter Ultralauf, aber nicht als „echte“ Bewältigung einer Brocken-Challenge. Ich werde es wohl noch einmal versuchen und meinen Namen in den Lostopf werfen. Dann in Erwartung geringerer Chancen bezüglich der BC-Lotterie, aber höherer Chancen bezüglich der Wetter-Lotterie à BC 202x – Here we go!