Von Bremen nach Sankt Pauli – Scheitern als (Lern-)Chance

Ein Erfahrungsbericht

Das Laufmotto reizte mich ungemein: „100 Miles in a Day: Von Bremen nach Sankt Pauli laufen“. https://www.bremensanktpauli.de/

Das Ganze startete am Pfingstsonntag um 00:00 Uhr und sollte bis Mitternacht beendet sein. Die allgemeine Vorbereitung auf diesen Saisonhöhepunkt 2023 startete wie bei mir üblich ein halbes Jahr zuvor nach einer anstrengenden Saison 2022 und einer längeren (erkältungsbedingten) Ruhephase im Oktober, die lediglich durch den gemütlich absolvierten Rügenbrückenmarathon unterbrochen war. Meist lief ich 3x wöchentlich nach der Arbeit eine Stunde mit einigen Kollegen sowie längere Einheiten am Wochenende, dabei auch den Teammarathon in Leipzig im Januar, zwei Ultras (55 & 100 km) im Februar, 100 km in Grünheide-Störitz im Februar sowie 170 km beim JUNUT im April. Als Auflockerung probierten ein Laufkollege und ich auch mal das Backyard-Format und liefen mal von 6-12 Uhr und einmal von Mitternacht bis 12 Uhr, was eine Gelegenheit bot, die ungewohnte Startzeit auszuprobieren. Franz kennt das ja von Biel, wo die 100 km um 22 Uhr gestartet werden.

Im Wesentlichen war ich mit dieser Vorbereitung zufrieden, allerdings hatte ich dabei einen überraschenden Aussetzer ausgerechnet in Störitz: Bei der 3.Teilnahme in Folge schaffte ich es dieses Mal nicht, die 100 km in rund 12 h zu bewältigen. Im Gegenteil, nach 2/3 der Strecke waren Kopf und Beine so leer, dass es mein erstes „DNF“ überhaupt wurde (von einem Kurztriathlon mit strömendem Regen in den Neunzigern abgesehen, den ich zähneklappernd nach dem Schwimmen abbrechen musste).

Nun kam also gleich das zweite DNF dazu, wovon ich hier berichten möchte. Schließlich ist halt nicht immer nur Erfolg und Sonnenschein. Insbesondere bei den Ultraläufen scheint es, als wäre ein Abbruch mit zunehmender Streckenlänge immer wahrscheinlicher. Bei manchen Läufen ist die Abbrecherquote sogar höher als die der Finisher. Bremen-St. Pauli zählt definitiv dazu: Von 20 gemeldeten Teilnehmern starteten letztlich 16; davon gaben die Hälfte unterwegs auf und von den anderen 8 schafften es nur Matthias Kranz und Matthias Kröling sowie Katrin Grieger in weniger als 24 h, die anderen fünf blieben zusammen anderthalb Stunden über dem Zeitlimit. Daran kann man schon erkennen, dass es keine leichte Aufgabe war, den Lauf fristgemäß zu finishen.

Woran es bei mir letztlich gelegen hat, dass ich selbst nach etwas mehr als der Hälfte aufgab, kann ich gar nicht genau sagen, wahrscheinlich war es eine Mischung mehrerer Ursachen. Im Vorfeld hatte ich mich auf gedanklich diese Möglichkeit eingerichtet und den JUNUT 170 zum zweiten Saisonhöhepunkt erhoben, der ja dann erfolgreich war. Das hat auf jeden Fall den Druck etwas herausgenommen und die Enttäuschung enorm reduziert.

Einerseits ist 100 Meilen in 24 h zu laufen für mich ein ambitioniertes Ziel, zu dessen Erfüllung einige Dinge passen müssen. Bisher sind meine diesbezüglichen Erfahrungen nicht gerade groß: 2021 in Berlin waren es knapp 25 h, andere Läufe waren kürzer oder langsamer, weil bergig. Andererseits war ich letztendlich so weit weg davon, die 100 Meilen zu schaffen, dass es mich etwas überraschte.

Der ursprüngliche Plan beinhaltete eine sehr frühe Anreise. Das hätte bedeutet zwischen 20 und 23 Uhr wartend allein zu verbringen, da die Organisatoren aus Hamburg stammen und erst spätabends anreisten. Der Start war direkt am Weser-Stadion, wo freundlicherweise einer der Fan-Räume genutzt werden konnte. Übrigens kamen gerade Werder-Fans vom Union-Spiel aus Berlin zurück, die nicht ganz zu wissen schienen, ob sie sich wegen des verlorenen Spiels ärgern oder den Abschluss einer erfolgreichen Saison feiern sollten.

Um einen langen Aufenthalt vor dem Stadion zu vermeiden, bin ich letztlich spät angereist und war erst 20 min vor dem Start da: Trotz Umziehen und Sachen packen im Zug war die Vorbereitung mit Briefing, T-Shirtausgabe, Dropbag, Fotos, etc. natürlich etwas hektisch! So haderte ich zu Laufbeginn noch mit den Einstellungen am GPS-Gerät und schaltete auch den Tracker nicht ein. Ob ich das hätte tun müssen oder nicht, weiß ich gar nicht, aber er lief nicht richtig und beim ersten VP gab es einen neuen.

Es liefen alle sehr schnell los, jedenfalls für mich viel zu schnell. Mittlerweile überrascht mich das nicht mehr so sehr, aber so richtig verstehe ich es immer noch nicht. An mangelnder Erfahrung liegt das definitiv nicht, denn die war auch hier bei meisten Teilnehmern riesig, was mir enormen Respekt einflößte. Sicherlich kann bei einem (langen) Ultralauf kaum jemand sein Tempo über die gesamte Distanz beibehalten wie es bei kürzeren Läufen bis zum Marathon noch möglich ist. Da ich nicht sofort abgehängt und allein sein wollte, blieb ich erst mal hinten dabei. Gefühlt waren es 9-10 km/h und der erste VP nach ca. 18.5 km war schon nach glatt 2:00 h erreicht. Gegenüber dem erforderlichen Mindesttempo für 100 Meilen in 24 h von 6.7 km/h ist das fast das anderthalbfache! Eine meiner Sorgen ist das freie Navigieren mittels GPS-Gerät, also das Finden der Strecke und rechtzeitige Abbiegen, aber hier war das (noch) entlang des Weser-Radweges und daher sehr einfach. Da hätte ich also wirklich langsamer laufen müssen, vielleicht hätte das dann noch jemand anderes gemacht.

Die Dunkelheit war kein Problem. Ende Mai, in der Nähe bzw. an den Ausläufern der Großstadt in einer sternenklaren Nacht mit etwas Mondschein war es auf dem Deich alles andere als stockdunkel, da genügte selbst eine recht schwache Stirnlampe. Das war auch kein Problem, als es später in der Nacht kleinere Waldabschnitte gab. Die Morgendämmerung setzte bereits vor 4 Uhr ein und 5 Uhr war es sogar hell genug, um ohne Stirnlampe zu laufen.

Da meine alten Schuhe bereits alle sehr herunter waren (im Durchschnitt hatten sie deutlich über 1000 km weg, wobei ich einige spezielle Paare nur zur Abwechslung oder bei bergigen Trailläufen trage), hatte ich zwei Wochen zuvor beim Rennsteiglauf zwei Paar Laufschuhe gekauft. Nach einem in der zweiten Hälfte (vor allem bergab) zu schnell gerannten Rennsteiglauf-Marathon war ich aber erst einmal körperlich geschafft. Ein Paar erlebte zumindest das Auslaufen am übernächsten Tag, doch wegen schmerzender Oberschenkel lief es nicht recht (5-6 km Traben). Dann kam die große Erkältung, ausgehend oder begleitet von Allergie-Problemen. Damit lag ich erst im Bett und war dann so schlapp, dass ich lieber gar nicht erst gelaufen bin. Das ist natürlich nicht optimal vor 100 Meilen, doch auch sonst ist vor so einem langen Lauf in der letzten Woche fast nur Ruhe angesagt. Die neuen, nicht eingelaufenen Schuhe drückten jedenfalls und belasteten die Fußgelenke, was beim Lauf deutlich zu spüren war.

Dazu kam ein fast stechender Schmerz beidseitig an den Rippen, wo die Laufweste an den Brustkorb drückte. Das war völlig neu und unangenehm! Ein wenig Linderung verschaffte es, die Laufweste nur oben zu schnüren, aber dann schlackerte es wegen der beiden Trinkflaschen. Wie viel Trinken erforderlich ist, kann ich oft nicht gut einschätzen. Manchmal trinke ich zu wenig, meist aber reichlich. Wegen der Wärme am Tag war natürlich der Salzhaushalt zu beachten. Der Plan bestand ursprünglich darin, meist eine Flasche mit Wasser und die zweite Flasche mit Iso-Getränk zu füllen; das Pulver war selbst zusammengestellt und in kleinen Tüten dabei. Das ging zunächst ganz gut, aber möglicherweise habe ich mich doch verschätzt und es wurde hier eines der größeren Probleme.

Sowohl bei VP2 (40 km) als auch VP3 (61 km) wurden meine jeweiligen MitläuferInnen kurz vor dem VP langsamer und beendeten dann leider den Lauf. Ich selbst fühlte mich nach 40 km noch gut, doch beim VP3 nach 61 km merkte ich schon so einige Probleme. Nun wurde es warm und sehr einsam, Die Orientierung klappte ohne Probleme, aber permanent das GPS-Gerät in der Hand zu halten war noch immer ungewohnt. Die Strecke bis zum nächsten VP4 bei 78 km zog sich ganz schön hin entlang einer wenig befahrenen Straße, an Feldern vorbei über kleine Hügel, querte die A1 unten und oben. Abgesehen von einem Pärchen, das wir überholt hatten und von dem nicht sicher war, ob sie noch im Rennen waren (sie liefen deutlich über 100 km), war ich nun allein hinten, wobei das bei so einem kleinen Feld wenig bedeutet.

Nach glatt 10 h waren bei VP4 mit 78 km knapp die Hälfte der Strecke absolviert. Eigentlich eine gute Zeit, die genügend Reserven für die anstrengendere zweite Hälfte, die beginnende Hitze und die Müdigkeit am Abend bieten sollte. Am VP4 startete gerade ein Läufer und ein anderer machte noch Pause. Da es ein „großer“ VP mit besonders umfangreichem Angebot einschließlich warmer Gemüsesuppe und dem Dropbag zum Nachfüllen der Vorräte sowie für Kleiderwechsel war, war eine längere Pause sinnvoll. Wegen der unsicheren Schuhsituation hatte ich ein Paar meiner uralten Laufschuhe eingepackt und wechselte auf diese. Hier sollte vielleicht endlich einmal erwähnt werden, dass der Lauf von 5 Enthusiasten aus Hamburg organisiert wurde, die etwas Großartiges auf die Beine stellten:

Obwohl sie nur so eine kleine Gruppe sind und sich das Feld erwartungsgemäß weit auseinander zog, gab es etwa alle 20 km die Verpflegungspunkte mit einem sehr breiten und spezifisch für Ultraläufer ausgewähltem Angebot. Wasser, Iso, Cola, Fanta, Kaffee gab es überall, meist auch Brühe und Bier. Salzige und süße Snacks, selbstgebackener Kuchen, Obst und Gemüse, Brot mit Aufstrichen sowie Riegel wurden angeboten. „Der Einfachheit halber bieten wir alles vegan an“ – was für eine Knalleraussage für jemand wie mich, der Probleme mit Milchprodukten hat und normalerweise gar nicht erst das Wort „laktosefrei“ anbringen mag, um nicht wie ein Nörgler zu wirken. Klar, bei den 100 Meilen von Berlin ist die Vielfalt noch größer, auch dank der ganzen Helfer sind die Stände größer und individueller bestückt. Aber was bei vielen hundert Teilnehmern geboten wird, kann von einer Handvoll Leute für anderthalb Dutzend Läufer unmöglich erwartet werden. Es war einfach toll!

Zurück auf der Strecke gab es nun immer mehr Radfahrer. Der Weg führte entlang eines Radwanderwegs, des nächsten Flusses, des nächsten Orts (Sittensen) – und da waren sie wieder, die ewigen treuen Krisenbegleiter Erschöpfung und Zweifel. Wozu das alles – Du bist doch müde und geschafft, wer weiß, ob die Zeit überhaupt reicht, es ist heiß und Durst hast Du auch… Der Podcast war wie geplant nicht zu aufregend, sollte mich ja noch stundenlang beschäftigen ohne aufzuregen. Manchmal hilft dann noch, in den Power-Modus überzugehen: Aufputschende Musik und reichlich Cola. Aber irgendwie hatte ich für beides scheinbar die Gelegenheit verpasst…

Der nächste VP, Nummer 5 nach 95 km, ist der einzige unbesetzte VP. In der Mitte des Rennens wird es nicht nur schwierig, die sich überschneidenden VP-Zeiten zu bedienen, sondern auch so warm, dass die einzelnen Abschnitte nicht zu lang sein sollten. VP5 lag klar beschrieben und einfach zu finden an einem Schuppen der Bahnanlagen direkt neben einem Bahnübergang und bot Getränke zum Auffüllen von Körper und Trinkflaschen. Langsam kam er näher, doch als er schließlich nach knapp über 13 h erreicht war, stand die Entscheidung schon fest: Aufgabe! Daran änderte auch das Trinken nichts. Schweren Herzens rief ich die Rennleitung an und teilte den Entschluss mit. Da gab es keinen Überraschungsmoment, schließlich lag ich recht weit hinten, es hatten schon mehrere Läufer aufgegeben und welchen anderen Grund sollte es sonst auch geben für einen Anruf? Überzeugungsarbeit kann man vielleicht leisten, wenn es sich um einen Lauf mit kurzen Runden oder geringen Abständen zum nächsten VP handelt. Hier war auch die Aussicht auf Nudelsalat nicht verlockend genug, weitere 11 km zu absolvieren. So holten mit die freundlichen Organisatoren mit einem Auto ab und fuhren mich zum nächsten Bahnhof, während des zweite mit meinen Sachen ebenfalls dorthin kam (Dropbag und Rucksack fürs Ziel). Damit konnte ich direkt heimfahren und hatte noch als Trostpflaster etwas restliches Pfingstwochenende zum Ärgern, äh zur mentalen Aufarbeitung des Laufs.

Der Lauf schien zunächst ein Versuch der Organisation eines Ultralaufs zu sein, bei dem nicht klar war, ob es eine Wiederholung geben würde. Am Veranstaltungstag  hieß es dann bereits, dass die fünf mit dem bisherigen Verlauf der Premiere insgesamt ganz zufrieden waren und eine Neuflage in zwei Jahren planten. Inzwischen wurde die 2.Ausgabe von Bremen-St. Pauli auf Pfingsten 2024 gelegt – eine Woche nach dem Rennsteiglauf. Da ist sie, die Gelegenheit, eine offene Rechnung zu begleichen, liebe Freunde!

So verabschiede ich mich mit einem „Manche lernen’s nie“,

Ralf

PS: Es lohnt sich wirklich, diese kleine aber feine Veranstaltung anzugehen. Kein Megaevent, aber eine Herausforderung für Körper und Geist mit sehr schöner Streckenwahl.

Bieler Nächte

Am zweiten Juni-Wochenende war ich zum dritten Mal zu den Bieler Lauftagen. Es gibt ja solche Orte und Läufe, zu denen es einen immer wieder hinzieht. Biel gehört für mich definitiv dazu. Nachdem ich bereits 2015 und 2018 dort die 100 km gefinisht hatte, war es nun nach überstandener Corona-Zeit überfällig.

Voraus ging eine mehrmonatige Planungsphase mit mehreren Lauffreunden, von denen letztendlich Jan und ich übrigblieben. Dies tat aber unsere Euphorie keinen Abbruch. Wir reisten bereits am Donnerstag an und hatten uns am Flughafen Zürich verabredet. Die letzte Teilstrecke nach Biel bewältigen wir gemeinsam mit der Schweizer Bahn.

Angekommen in Biel wollten wir gleich unsere Startunterlagen abholen und machten uns auf den Weg zur Tissot-Arena, die zu unserer Überraschung etwas außerhalb der Stadt lag. Wir waren bei unseren vorherigen Teilnahmen an den Startbereich im Stadtzentrum gewohnt und vermissten vor allem die Läufermesse und das Merchandising. Hatte ich mir doch fest vorgenommen, eine Biel-Mütze zu erstehen.

Anschließend ging es zu unserer Unterkunft der Lago Lodge, einem Hostel in Nidau unweit vom Bieler Bahnhof und fast direkt am Bieler See gelegen. Dort war ich bereits bei meiner letzten Teilnahme in Biel und hatte die Unterkunft in bester Erinnerung. Mein damaliger positiver Eindruck bestätigte sich erneut. Eine Super-Unterkunft mit gutem Ambiente und sehr empfehlenswert! Wir bezogen unser Zimmer und gingen früh schlafen. Die Strapazen des Reisetages waren spürbar und das Tapering für den anstehenden Nachtlauf am kommenden Abend hatte Priorität.

Den Race-Day begannen wir mit einem gemütlichen Frühstück und Schweizer Käsespezialitäten – ein Genuß! Anschließend nutzten wir die Gelegenheit und machten vormittags eine ausgedehnte Schifffahrt auf dem Bieler See. Eine herrliche Art der Fortbewegung ohne sich körperlich anstrengen zu müssen. Wir wussten, dass wir dann abends genug gefordert würden. Den restlichen Tag verbrachten wir mit Ausruhen, Schlafen und Grübeln, welche Ausrüstung wir mit auf der Strecke nehmen würden. Ich entschied mich dann doch für den Laufrucksack und ein Drop-Bag für Kirchhberg.

Abends machten wir uns dann auf den Weg zur Tissot-Arena. Unterwegs trafen wir viele Läufer und insbesondere einen Biel-Veteranen aus Duisburg, der uns aufklärte, dass die Tissot-Arena der historische Startort der Bieler Nächte war. Die Atmosphäre dort war magisch. Die Dämmerung brach bereits an und der steigende Adrenalinspiegel aller Teilnehmenden lag spürbar in der Luft. Pünklich um 22 Uhr erfolgte dann der Start der 100 km vor vollbesetzten Tribünen, Pyrotechnik und dem Lied der Toten Hosen „An Tagen wie diesen …“. Gänsehaut!

Es ging dann gleich flott los und ich überzog meine geplante Pace spürbar. Nachdem wir das Stadtzentrum passiert hatten, ging es hinaus nach Port und den ersten Anstieg nach Bellmund. Danach ging es weiter in der Nacht auf Feld- und Flurwegen Richtung Aarberg – dachte ich zumindestens. Doch nicht nur zu meiner Überraschung führte die Streckenführung an Aarberg vorbei und leider nicht über die historische Brücke über die Aare – ein Highligt und HotSpot meiner vorherigen Teilnahmen – schade …

Es ging weiter nach Lyss, wo die Radbegleiter auf Ihre Läufer warteten und ins Rennen miteinsteigen durften. Jan hatte bereits – wie in der Vorbereitung auch – wieder Probleme mit der Wade, die stetig zunahmen und ihn schweren Herzens in Lyss zur Aufgabe zwangen. Wir verabschiedeten uns und wünschten uns alles Gute.

Nun war ich alleine auf der Strecke und hatte noch knapp 80 km vor mir. Ein völlig neues Gefühl, hatte ich doch bei meinen bisherigen Teilnahmen jeweils durchgehend oder fast bis zum Ende Begleitung dabei. Nach etwa 30 km kam dann die Krise! Auf einem Schlag war alles weg. Keine Kraft, keine Zuversicht, keine Ressourcen – leerer  Tank! Damit hatte ich nicht gerechnet. Zwar wusste ich, dass so lange Läufe auch Krisen beinhalten, aber so früh hatte ich noch keine gehabt. Was nun folgte war ein einziger mentaler Kampf mit meinem inneren Schweinehund und ich biss mich durch. Ich wurde immer langsamer und hatte teilweise das Gefühl, dass ich nur noch im Schneckentempo voran kam. Die Krise endete erst bei km 53 kurz vor Kirchberg, wo ich innerlich schon meine Aufgabe akzeptiert hatte. Doch wie durch ein Wunder war ich plötzlich wieder bei Kräften. Krisen kommen und Krisen gehen! Non Stop Ultra! Wohl auch die Aussicht auf mein Drop-Bag und den Wechselklamotten hatte mich beflügelt. Nach einer erholsamen Pause in Kirchberg lief es dann wie am Schnürchen und ich machte Plätze gut.

Letztendlich kam ich dann nach 14 Stunden und 40 Minuten erschöpft und glüklich ins Ziel und war wieder um eine Erfahrung reicher!

10. Berliner Vollmond-Marathon

Am 03.06.2023 habe ich zum ersten Mal am Vollmond-Marathon sozusagen als letzten Härtetest vor Biel teilgenommen. Die Lage der Veranstaltung eine knappe Woche zuvor war perfekt und ich konnte bei der Gelegenheit auch mein Equipment für den Nachtlauf in der Schweiz testen.

Los ging es bei besten Läuferwetter um 17 Uhr im Sport Centrum Siemensstadt Richtung der Insel Eiswerder, die wir überquerten und dann auf Spandauer Seite an der Havel entlang Richtung Norden liefen. Über Nieder Neuendorf ging es dann immer mit Blick auf dem Wasser und auf dem Berliner Mauerweg bis hoch nach Hennigsdorf, dem nördlichsten Punkt der Strecke. Auf der anderen Havelseite ging es dann über Konradshöhe zum Tegeler See, den wir dann gänzlich umrundeten. Via Sechserbrücke und Greenwich-Promenade, wo es dann dunkel wurde und die Stirnlampen zum Einsatz kamen, liefen wir zurück zum Sport Centrum.

Ich hatte am Anfang mich an Läuferinnen und Läufer orientiert, die meine Pace liefen und war damit wieder einmal gut beraten. In der zweiten Streckenhälfte hatten sich dann kleine Gruppen von Teilnehmenden gebildet, die ein ähnliches Tempo liefen und wir kamen dabei auch mehr und mehr ins Gespräch und motivierten uns gegenseitig. Gemeinsam kamen wir dann nach ca. 05:20 Stunden im Ziel an und freuten uns sehr

Ein wunderschöner Natur-Lauf und mit viel läuferischer Erfahrung super organisiert!!!

Geschafft und glücklich im Ziel mit Michael, Stephan und David

Gelungener Start ins Ultra-Jahr 2023

Am vorletzten Samstag, 18.02.2023, war es endlich soweit. Der Ludwig-Leichhardt-Trail konnte nach drei Jahren wieder zur richtigen Jahreszeit im Februar stattfinden. Ein weiteres Zeichen der Hoffnung, dass die Corona-Pandemie als überwunden zu sein scheint.

Wir hatten eine Fahrgemeinschaft gegründet und am frühen Samstagmorgen machten wir uns frohgemut und optimistisch zu dritt auf den Weg nach Haasow. Immerhin ging es uns vor allem ja auch darum, dass Roberto seinen ersten offiziellen Ultra finishen würde.

Die schlechten Wetteraussichten waren uns bewusst, trotzdem machten wir uns insgeheim Hoffnung, dass es doch nicht so schlimm kommen würde.  Nach und nach trafen die Teilnehmenden in der Vereinsanlage in Haasow ein und wir konnten gute Bekannte dort begrüßen. Von der Deutschlandquerung 2022 waren tatsächlich sechs Veteranen vor Ort. Nach einem kurzen Briefing machten sich dann 55 Ultras im Bus auf den Weg zum Start. Alle hatten was zu erzählen und waren aufgeregt, die Lärmkulisse im Bus war mit der in der Sixtinischen Kapelle vergleichbar. Je weiter wir fuhren, wurde es jedoch deutlich ruhiger, da wohl allen bewusster wurde, dass wir die Strecke anschließend laufend wieder zurücklegen mussten. „Highlight“ der Bustour war dann die Radarfalle in einer Ortschaft, die dem Busfahrer zum Verhängnis wurde.

In Trebatsch, dem Geburtsort von Ludwig Leichhardt, wurden wir bereits von der feierwütigen Trebatscher Zampergesellschaft erwartet. Nach einem kurzen Aufenthalt mit Laurentia ging es dann unerbittlich nach dem Motto: „Ich vollbringe es oder ich sterbe“ auf die Strecke. Gab es anfangs noch die Hoffnung, dass das noch erträgliche Wetter sich stabilisieren würde, war nach gut einer Stunde damit Schluss mit lustig. Für den Rest des Tages begleitete uns ein ständig an- und absteigender Nieselregen garniert mit wechselnden Windböen und einem überschaubaren Hagelschauer. Aber da kannste nix machen als Ultra, da mußt Du durch und eine fatalistische Einstellung an den Tag legen. Am Ende hatte ich – und bestimmt auch alle anderen – jedenfalls keinen einzigen trockenen Faden mehr am Körper.

Die Strecke war wieder einmal sehr abwechslungsreich und ich war überaus dankbar für den GPS-Track, der zur Verfügung gestellt wurde. Alles in allem kamen alle Teilnehmden wohlbehalten und durchnässt mit guter Laune ins Ziel. Es gab keinen DNF! Vor allem wohl auch deshalb, da es Almuth und Aldo mit dem gesamten Orga-Team wieder einmal gelungen war, den Lauf perfekt zu organisieren und uns zu unterstützen. Vielen Dank dafür!

100 Meilen Berlin/Der Mauerweglauf 2022

Wir laufen bis die Wolken wieder lila sind …

Zum vierten Mal bin ich am 13.08.2022 bei den 100 Meilen von Berlin, dem sog. „Mauerweglauf“ an den Start gegangen und habe auch zum vierten Mal gefinisht. Es war bei den diesjährigen klimatischen Bedingungen ein harter Ritt und eine sehr große mentale Herausforderung. Mein besonderer Dank gilt allen, die mich bei diesem Vorhaben unterstützt haben. Meinen beiden Top-Radbegleitern Daniel und Fabian, Gela, Imke und Ina, die mich an der Strecke unterstützt und kurzzeitig ein Stück begleitet haben. Ebenso bei Ralf und allen weiteren Volunteers, die an der Strecke einen wirklich tollen Job gemacht haben! Vor allem aber auch bei Ela, meiner geliebten Ehefrau, die mich vorbehaltlos bei solch irren Vorhaben unterstützt und Mut gibt.

Nachfolgend eine kurze Bildergalerie.

Die Strecke mit 10 km-Skalierung und Verpflegungspunkte

Mauerwegnachtlauf

Am 23.07.20222 startete wieder am Abend der Mauerwegnachtlauf, der traditionell 3 Wochen vor den 100 Meilen von Berlin stattfindet. Das tolle an diesem Lauf ist, man läuft die letzten 50 km der Strecke von den 100 Meilen ab.

Für Franz und mich ein toller Test um in der Nacht durch zulaufen und dazu in toller Begleitung mit Günther und Christine. Für mich war es die 2te Teilnahme und für Franz schon die 6te. Der Lauf splittet sich in 4 Geschwindigkeitsgruppen, wo wir uns in die langsamste Gruppe zugeordnet haben. Die Strecke startete vom S Bahnhof Lichterfelde und ging dann über Schönefeld nach Berlin Wedding zum Zielort das Erika-Hess-Stadion. Der Lauf ist gut organisiert und es gab zu der tollen Begleitung der Guides alle ca. 8 km ein Verpflegungspunkt. Die Gruppe mit der wir gelaufen sind war bunt gemischt und alle haben sich bestens verstanden. Auch die Guides standen bei Fragen Rede und Antwort. Nach längerer Pause ist Christine wieder ohne Problem 31km durchgelaufen, Franz, Günther und ich liefen die vollen 52 km. Nächstes Jahr werden wir uns bestimmt wieder zu diesem tollen Lauf anmelden.

Startbild
Lichter der Stadt

ThüringenULTRA 2022 – Ultrafreundlich!

Am 02.07.2022  fand nach zweijähriger coronabedingter Pause endlich wieder der langersehnte ThüringenULTRA statt. Eine Laufveranstaltung, auf welche die Ultra-Gemeinde lange gewartet und diese herbeigesehnt hatte.

Am Vortag reisten Jan und ich mit dem Auto direkt zum Veranstaltungsort am Gemeinschaftshaus in Fröttstädt an und schlugen unser Nachtlager (Wurfzelt) auf der davorliegenden Streuobstwiese auf. Ein großer Vorteil, direkt dort zu nächtigen, da es ja am nächsten Tag für die 100km-Läufer, zu denen wir uns zählen durften, bereits zu der unchristlichen Zeit um 4 Uhr morgens an den Start gehen sollte.

Es waren bereits einige Teilnehmer vor Ort und hatten ebenfalls die Gelegenheit genutzt, sich direkt vor Ort einzuquartieren. Im Gemeinschaftshaus holten wir dann unsere Startunterlagen ab und trafen dort schon die ersten bekannten Gesichter. Es gab ein großes Hallo und die Vorfreude war allerortens erkennbar.

Nachdem wir alles Organisatorische erledigt hatten, kamen wir zur Ruhe und bereiteten uns auf den Lauf vor. Wir legten unser Equipment für den langen Lauf bereit, damit wir am Morgen nicht in Hektik kommen konnten. Es waren immerhin 100 km zu bewältigen und ein heißer Sommertag stand uns bevor. Erste „Kriegsgeschichten“ von zurückliegenden Jahren mit Temperaturen um die 35 – 40 Grad machten die Runde … Gottseidank waren die  aktuellen Wetteraussichten deutlich moderater. Um kurz nach 20 Uhr legten wir uns dann aufs Ohr, um gut ausgeruht an den Start zu gehen.  Sechs Stunden Schlaf waren dafür auf jeden Fall auskömmlich genug.

Um 2:30 Uhr klingelte dann der Wecker und wir starteten gemächlich in den Tag. Es waren ja noch anderthalb Stunden Zeit und Stress ist bekanntlich kein guter Begleiter. Das Frühstücksangebot des Veranstalters nahmen wir gerne an und ließen uns von den super(ultra)freundllichen Helfern gut versorgen.

Pünktlich um 4 Uhr wurden wir dann bei 11 °C in die angenehme Kühle des Morgens auf die Strecke geschickt. Es war noch dunkel und wir konnten am Horizont die aufkommende Morgendämmerung bereits erahnen. Im Fackelschein ging es auf die Strecke. Die ersten 10 km waren – unterbrochen von einem knackigen Anstieg in der Mitte –  sehr moderat. Es ging über Feld- und Flurwege Richtung Thüringer Wald, den wir dann fortan durchlaufen und – trotz immenser Anstiege – die angenehme Kühle des Waldes im Tagesverlauf zu schätzen lernen würden. Draußen auf den Feldern erwachte der Morgen. Der noch vorhandene Morgennebel schuf eine mystische Atmosphäre.  Es war eine gute Stimmung im Läuferfeld und der Tag nahm seinen Lauf. Die ersten Sonnenstrahlen waren zu verspüren.

Kurz nach dem ersten VP bei km 10 war dann aber Schluss mit lustig. Es ging den ersten steilen Anstieg, von denen noch viele kommen sollten, bergauf und sollte sich noch lange hinziehen. Mein Körper stellte sich sofort auf Streß-Modus um und die hilfreichen Erfahrungen vieler Ultra-Läufe wurden geweckt. Nach einigen Kilometern des Anstiegs hatten wir dann eine Höhe erreicht, auf der es dann mit leichtem Profil weiter ging. Als wir dann nach einem angenehmen Abstieg auf eine großflächige Wiesenlandschaft geführt wurden, sahen wir zum ersten Mal den großen Inselberg vor uns.

Die Strecke ist sehr abwechslungsreich. Trail, Schotter, weicher Waldboden und Wiesenwege wechseln sich ab. Die große Konstante sind jedoch die immer wiederkehrenden steilen und langgezogenen Anstiege, die nun den gesamten Tag zu bewältigen waren. Insgesamt 2.030 positive und 1.985 negative Höhenmeter sollten am Ende des Laufes auf meiner Uhr zu Buche stehen ….

Den ersten Wechselpunkt für die Staffeln an der Glasbachwiese bei km 27 ließen wir  mit einem guten Polster zur CutOff-Zeit hinter uns und waren guter Dinge. Am VP 6 bei km 38 an der Grenzwiese kamen wir dann dem Inselberg am nächsten – am sogenannten „unteren Inselberg“. Fortan umkreisten wir für den Rest des Tages den Inselberg in großzügigen und gebührenden Abstand.

Ab km 47 ging es dann mit starkem Gefälle etwa 8 km bergab und zum Großteil dazu noch auf Asphalt – dem Mommelstein-Radwanderweg. Es überkam uns aufgrund des Gefälles und des Untergrundes ein kleines „Runners High“. Unser Tempo wurde deutlich schneller und wir liefen dem zweiten Wechselpunkt am VP 9 am Sportplatz Floh/Seligenthal entgegen. Ich lief deutlich zu schnell und ich hatte eine Ahnung, dass ich dafür später noch bezahlen dürfte ..

Am Wechselpunkt nahmen wir uns eine größere Pause. Jan hatte dort ein DropBag deponieren lassen und wechselte die Schuhe. Ich nutzte die Gelegenheit und entleerte meinen Laufrucksack um einige mitgeführte Sachen, die das Gewicht deutlich reduzierten. Danach ging es weiter.

Was folgte war ein kräftezehrender Anstieg, der nicht enden wollte und sich über 7 km und 350 Höhenmeter hinzog. Die Demut kehrte zurück … Wir waren wieder im Ultra- und Ausdauermodus angekommen. Was jetzt zählte war wieder einmal „Beharrungsvermögen“ und auch „Leidensfähigkeit“. Ab- und Anstiege zogen sich hin und mein Tempo erreichte wieder Normalmaß. Wir erreichten den letzten Wechselpunkt VP 13 Sportplatz Finsterbergen trotzdem recht deutlich unter der vorgegebenen CutOff-Zeit.

Nun galt es, den Lauf zu einem guten Ende zu führen. Wir wußten, dass wir „nur“ noch ein Viertel der Strecke zurückzulegen hatten, wovon aber die Hälfte davon nicht mehr im Schutz des Waldes auf offener Strecke bei strahlender Sonne zurückzulegen war. Bei km 85 verabschiedete sich Jan und zog das Tempo an.  Ich war in der Zwischenzeit extrem langsam geworden.

Die zurückgelegte Strecke hatte Tribut gefordert und ich achtete bei den trailigen Abschnitten extrem darauf, dass ich nicht ins Straucheln kam. Tempo war nicht mehr angesagt. Gleichwohl spekulierte ich auf den letzten  Abschnitt ab km 95, der wieder Asphalt zum Untergrund hatte. Und so kam es. Kurz nach dem legendären VP 17 bei km 95, der Musikwünsche der Teilnehmer erfüllt,  kam ich dann wieder ins Laufen und ins Tempo, dass ich bis ins Ziel beibehalten konnte.

Erschöpft aber glücklich kam ich nach etwas mehr als 15 Stunden ins Ziel an, wo mich Jan bereits erwartete. Jan hatte seinen ersten 100 km-Ultra in weniger als 15 Stunden gefinisht!

Ein großer Dank gilt dem Veranstalter „Lauffeuer Fröttstädt e.V.“. Es war ein super gelungenes Event mit allem Drum und Dran. Besonderer Dank gilt allen Helfern und Betreuern – insbesondere allen 18(!) VP-Teams. Die Verpflegung ließ keine Wünsche offen und alle waren „ultrafreundlich“! Wir kommen gerne wieder 😊

Ultra Debut

Eigentlich bin ich da nur per Zufall reingerutscht. Franz, bereits seit längerem für den Ludwig Leichardt Trail gebucht, erlag den Verlockungen des Race Across Europe und überließ mir seinen Startplatz. Dafür noch einmal vielen Dank.
Mein erster Ultra. Angesagte 30°C. Mäßige Vorerfahrung. Aber: Keine 100km, sondern 55km. Cut off wegen der Wärme ausgesetzt. Begleitet von Jan, einem erfahrenen Langstreckenläufer. Nicht schlecht.
Natürlich waren wir morgens die Ersten (eben Debutant). Im Gegensatz zu den kürzeren Läufen, die ich kenne, fand ich die Atmosphäre sehr entspannt und entspannend. Aldo, der Veranstalter, hat mir versichert, dass es keinen Grund gibt, nicht ins Ziel zu kommen. Die Alternative gemäß Leichardts Leitspruch „Ich vollbringe es oder ich sterbe“ ist ja auch nicht besonders attraktiv. Im Bus sitzend, der uns 55km zu Start brachte, habe ich mich aber doch gefragt, ob ich das wirklich alles laufen werde.
Recht schnell nach dem unaufgeregten Start fielen die Gruppen auseinander. Mit meinem Tempo war ich wesentlich Einzelläufer, sicher nicht vorne, aber auch nicht ganz hinten. Es war noch nicht so warm, das Gefühl entsprach dem Anfang eines langen Trainingslaufs. Mit zunehmender Strecke und Temperatur wurde daraus der lange, heiße Sommer der großen Ferien in der Erinnerung. Am Anfang noch lichter Wald und der See, später endlos erscheinende Straßen und Wege, endlos in dem Sinne, dass es in diesem Flirren immer weiter gehen könnte. Als meine Kondition dann doch mit der Vorstellung von Endlos kollidierte, schloss ich mich zwei Läuferinnen an, deren eine ebenfalls Debutantin war. Die Laufgespräche waren nach der vorherigen Einsamkeit ein neuer mentaler Abschnitt. Mit 3/1 (3 Minuten laufen, 1 Minute gehen) konnte ich bis kurz vor dem Marathonpunkt mithalten, danach wieder ein paar einsame Kilometer, genug Zeit sich zu fragen, ob man ankommt. Soweit war ich noch nie gelaufen. Und dann wurde es nicht unbedingt schneller, aber einfacher. Die Zuversicht: Ich werde ins Ziel kommen. Die Aufmerksamkeit richtete sich wieder mehr auf die Umgebung, das städtische Umfeld in Cottbus und den Branitzer Park. Die letzten Kilometer, nicht übermütig werden, jetzt nur keinen Krampf bekommen.
Und dann im Ziel. Auf einmal war es da. Applaus, auch wenn ich die Wertung eher von hinten aufrolle. Ich habe einige Zeit gebraucht, um von der Wolke wieder herunterzukommen.

Die Bilder hat mir erfreulicherweise Jan zur Verfügung gestellt.

Der Ludwig-Leichardt-Trail ist ein Ultralauf über 55km von Trebatsch nach Haasow, der normalerweise zu einer kühleren Jahreszeit stattfindet (https://leichhardt-trail-ultralauf.de). Vielen Dank an Aldo, Akmuth, das Team und die anderen Läufer für dieses Erlebnis. Ihr habt es mir wirklich leicht gemacht.

Deutschlandquerung 2022 – Résumé und Nachbetrachtung

„Ein Läufer muss nicht die Meile in vier Minuten laufen

oder einen Marathon in vier Stunden. Es ist lediglich notwendig,

dass er läuft und läuft und mitunter leidet. Dann wird er eines Tages

aufwachen und unterwegs feststellen, dass er angefangen hat

jene natürliche Ordnung, die Liebe und die Wahrheit zu erkennen,

die einen Menschen frei machen.“

George Sheehan (1918 – 1993) amerikanischer Kardiologe und Laufphilosoph

Eine Woche nach der Deutschlandquerung habe ich meine Gedanken gesammelt und Abstand gewonnen. Das oben wiedergegebene Zitat von George Sheehan begleitet mich seit meiner Vorbereitung auf die erste Biel-Teilnahme in 2015 und war in Werner Sonntags Buch „Ultra mehr als Marathon“ dem Kapitel 13 vorangestellt. Ich habe diese Erkenntnis immer in mir getragen und versucht, mich dieser zu nähern. Bei der Deutschlandquerung bin ich dieser Erkenntnis dann so nah gekommen – wie noch nie zuvor.

Ich bin immer noch schwer beeindruckt und zehre von den wertvollen Erfahrungen, die ich in der vorletzten Woche Tag für Tag machen durfte. Ich habe eine ganze Bandbreite verschiedener Ultralaufenden kennenlernen dürfen, welche jeder für sich mir wertvolle Inspiration für meine weiter läuferische Zukunft gegeben haben.

Ich habe gelernt, nie aufzugeben und auch in anscheinend aussichtslosen Situationen – von denen es für mich in diesen Tagen einige gab – nicht aufzugeben. Sei es beim ständigen Verlaufen und Korrigieren in den ersten drei Tagen mit der Navigation auf meiner Polar Vantage 2, bei mitunter wirklich sehr knappen Zieleinläufen innerhalb der vorgegebenen Cutoff-Zeiten oder auch, als mir am ersten Tag nach 48 km die Polar Vantage 2 wieder einmal abstürzte und ich alles neu laden musste. Der Polar-Support ließt das sicherlich wieder einmal zum ersten Mal. Viele Polarnutzende wissen, wovon ich spreche.

Ich habe es sehr genossen, Deutschland aus einer anderen Perspektive zu erfahren und hätte nie gedacht, dass ich einen solchen Traillauf und verschlungenen Pfade jemals kennenlernen würde. Auch wenn manche Tracks wirklich verzwickt waren und teilweise wie kognitives Training wirkten. Die Ausblicke und Strecken waren grandios!

Es hat mir sehr gutgetan, eine ganze Woche mit Gleichgesinnten die Tage und Etappen zu verbringen und habe es genossen, einen Raum zu haben, in dem ich mich nicht rechtfertigen musste für das was ich tat. Eine ganze Woche mit Menschen zu verbringen, die die Freude an der Bewegung in der freien Natur und das Empfinden der jeweiligen Witterung miteinander teilten.

Ich habe von Allen wertvolle Tipps und Zuspruch erhalten. Ein besonderes Erlebnis, war die Zuweisung der ureigenen finnischen Mentalität „Sisu“ und das noch von  einer Finnin! Vielen Dank Sari, das war ein Ritterschlag für mich und ich werde es im Herzen bewahren …

Vielen Dank auch an die Organisatoren – allem voran Harald und Nina und dem gesamten Team. Insbesondere für ihre liebevolle Art, mir beizubringen, wo mein Platz bei den Startzeiten war. Ich habe zwar etwas gebraucht, mich zu fügen, jedoch hat mir das sehr geholfen und meine Fähigkeit zur Demut und Dankbarkeit hat sich dadurch gestärkt.

Auch vielen Dank an Alle, die während dieser Reise mich mit Kommentaren auf der Laufwolke-Seite unterstützt haben. Das hat mir wirklich sehr geholfen.

Finished! – When nothing goes right – go left!

Geschafft! Auch die heutige Etappe habe ich im Cutoff gefinisht. Es war wieder einmal knapp. Um 17:00 Uhr war der Cuttoff, um 16:55 Uhr kam ich rein. Ich darf mich nun Etappen-Läufer nennen!

Der heutige Rennverlauf war mit Überraschungen gespickt. Den ganzen Vormittag hatte es einen ständigen Nieselregen gegeben, der bis zum Mittag anhielt. Am Verpflegungspunkt 1 war plötzlich aufgrund von Baumfällarbeiten mit schwerem Gerät unser Track gesperrt. Die Organisatoren hatten dann eine Ausweichroute, die wieder zu unserem Track führen sollte, gefunden. Es war für mich spannend, diese mündlich erklärte Route zu laufen und zu hoffen, dass ich irgendwann wieder auf meinem gespeicherten Track mitten im Wald lande. Letztendlich hat alles gut funktioniert. 3 weitere Bonus-Kilometer und zusätzliche 200 Höhenmeter, waren die Folge.

Heute Abend war dann große Abschluss-Zeremonie mit anschließendem Abendessen und ich sitze nun auf meinem Zimmer und zähle meine Blessuren der Woche. Das WLAN im Hotel funktioniert nicht einwandfrei und so werden ich diesen kurzen Bericht erst einen Tag später online stellen können. Meine Erfahrungen und Erkenntnisse werde ich in den nächsten Tagen Revue passieren lassen und verarbeiten. Wenn das getan ist, werde ich noch ein abschließendes Résumé posten.

Ich bedanke mich aber schon mal bei allen, die mir bei der Bewältigung dieses Projekts beigestanden und geholfen haben. Vor allem bei meiner geliebten Holden Ela, die meine verrückte Idee total unterstützt und immer an mich geglaubt hat. Eure Kommentare auf Laufwolke, habe ich alle gelesen und haben mir sehr geholfen, durchzuhalten. Vielen Dank dafür!

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