Das war ein Kommentar eines Typen, an dem wir kurz vor dem Ziel vorbei liefen. Verrückt kam ich mir da auch vor, aber eher nicht „im positiven Sinne“ (was auch immer das sein soll). Der Montag war besonders am Anfang sehr entspannt. Ein Foto von der typischen Hektik am Start ist beigefügt. Die Straßen waren sehr voll von Autos, doch flanierende Spaziergänger standen nicht im Weg. Ein Schulkind lief mit seinem Ranzen eilig, als würde es uns zum Wettkampf herausfordern, doch vermutlich war es einfach nur spät dran. Es ging in Potsdam durch das Holländische Viertel, das ich mal in der Jugend angesehen hatte. Leider waren die Erinnerungen auf den (ungefähren) Namen beschränkt, so dass kein Vergleich mit den späten 80ern / Anfang 90ern möglich war. Jetzt ist es ein Hingucker und vermutlich ein großer Potsdamer Touristenmagnet. Morgens kurz vor acht war davon allerdings noch nichts zu spüren.
Der Vormittag brachte einige Wolken, die Strecke recht viel Wald und die Höchsttemperatur von angesagten 21°C war doch sehr viel angenehmer laufbar als noch am Vortag. Am Havelsee angekommen ging es ein Stück auf dem fast allen Läufern aus eigener Erfahrung bekannten Mauerweg entlang. Nach erneuter Passage der Glienicker Brücke bogen wir nicht wie gestern Richtung Schlosspark Babelsberg/Potsdam ab, sondern liefen in nordöstlicher Richtung am Teltowkanal entlang. Das war sehr angenehm zu laufen, insbesondere ruhig und kühl. Als ich gerade dachte, dass es schon speziell ist, dort auch zu zelten, aber sicher schön für angelnde Camping-Freunde, fing das Rauschen der querenden Autobahn an. Die nächsten Dörfer Kleinmachnow und Stahnsdorf sind ebenfalls mit eher positiven Jugenderinnerungen verbunden, was diesen Abschnitt für mich besonders attraktiv machte. Den Teil bei Teltow, an dem der Mauerweglauf am gleichnamigen Kanal entlang führt, liefen wir zur Abwechslung auf der Nordseite, auch um später Richtung Schöneberg abzubiegen.
Es folgte ein längerer Bereich zunächst nach Westen durch sehr städtisches Gebiet mit mehreren Autobahnquerungen bis zum Grunewald. Im Grunewald ging es fast zurück nach Südwesten und an vielen schönen, kleinen Seen vorbei (Grunewaldsee, Krumme Lanke, Schlachtensee). Das gab immer wieder Gelegenheit, Basecap und Kopf zu wässern und kühlen. Badende und (freilaufende) Hunde waren reichlich vorhanden. Die allermeisten Läufer tragen auch bei der Heidi-Challenge Laufwesten oder -rucksäcke und damit einen wertvollen Vorrat an Getränken, Essen und auch Wechselsachen. Darauf verzichte ich hier lieber wegen der kurzen VP-Abstände zwischen 7 und 15 km, was den enormen Vorteil hat, leichter und mit etwas weniger Stauwärme am Rücken unterwegs zu sein. In der (nach-)mittäglichen Wärme geht das nicht mehr, darum deponiere ich in den Dropbags an VP 3-5 ein paar Riegel sowie eine Trinkflasche, die dann in der Hand gehalten werden muss bzw. in die Hosentasche passt, wenn sie leer ist. Der halbe Liter Reserve war anfangs reichlich, am Ende sehr knapp.
Die erste größere Herausforderung des Tages war ein 5-6 km langer schnurgerade Weg im Grunewald, mit kleineren Bodenwellen. Das gab Grund für „natürliche“ Pausen an den Anstiegen. Mein Glück waren zwei Läufer, die irgendwann in Sichtweite auftauchten. Stetiges Verkürzen des Abstands gab viel Motivation zu langen Laufpassagen – ein prima Training für den Mauerweglauf, denn dort gibt es die ähnlich lange Königsallee, die aus meiner Sicht eine der mentalen Herausforderungen darstellt. Nachdem wir diese hier zu dritt gemeistert hatten, ging es zu einer kleinen Sandkuhle mit Gewässer hinunter. Der Weg führte in langem Bogen am Waldrand an zwei sich sonnenden Pärchen vorbei. Aber es gab da noch einen weiteren Weg zwischen ihnen, der auch ganz nett aussah. Kay und ich entschieden uns für diesen und standen nach ein paar (hundert) Meter ratlos außerhalb des Tracks. Den fanden wir auch wieder, wir mussten nur den Anstieg hinauf und sahen eine abbiegende Wegmarkierung. Allerdings begann dort wieder die lange Gerade – wir hatten also eine schöne Schleife um die Sandgrube absolviert. Tanya, die gefühlt nur ein paar Meter hinter uns war, lief auf dem richtigen Track und bekam gar nicht mit, dass wir sie umrundeten wir ein Schäferhund die Herde. Angestachelt von unserem Missgeschick, war plötzlich alles ziemlich doof: Die erneut zu durchlaufende Kuhle war sandig und sonnig, der Anstieg irre steil, Tanya am kurz darauf folgenden VP längst schon weg und dann ging es auch noch steil auf den Teufelsberg – die zweite Sache, vor der ich bereits im Vorfeld Respekt hatte. Letztlich war der Anstieg schnell geschafft und es war beeindruckend zu sehen, welche Investitionen die Amerikaner im Kalten Krieg auf der höchsten Westberliner Erhebung getätigt haben, bevor auch sie vom Lauf der Geschichte überrascht wurden. Der Abstieg bot einen wunderbaren Weitblick, doch für uns war es einfach nur irre steil auf der Wiese, die im Winter als Rodelhang dient. Wir wollten nur noch ins Ziel. Letzteres sollte sich enorm hinziehen. Erst dauerte es lang und länger, in die Zivilisation zurück zu kommen. Als wir dann Häuser und Straßen kreuzten, folgte eine nach der andere, bis wir endlich die Heerstraße erreichten. Dann hatte ich mich komplett vertan in der Annahme, kurz hinter der Brücke in Spandau und Hotelnähe zu sein. Immer noch war Kilometer auf Kilometer zu absolvieren, nun am Havelkanal entlang, um einen Industriehafen herum und endlich über die Havel-Brücke. Die Sonne und Wasserknappheit halfen ebenso wenig wie die Tatsache, dass zu frühes Abbiegen die falsche Brücke und noch einen Umweg bedeutete. Es ging immer noch weiter und weiter. Am Ende sahen wir das Ziel erst 30 m vorher. Puh!