Test Self-Supported Running oder Greifswalder und Berliner trainieren zusammen

Die Idee:
„Berlin, Berlin – wir laufen nach Berlin!“

Das war ursprünglich mehr oder weniger mein Motto für einen besonders langen Trainingslauf. Dahinter stand die Frage oder Herausforderung, ob ich es schaffen würde, selbstorganisiert so weit zu laufen. Die Entfernung von Greifswald nach Berlin ist nicht gerade gering, so dass auch ein „Doppeldecker“ an zwei aufeinander folgenden Tagen mit Übernachtung in Frage kam.
Bei der Planung stellte sich schnell heraus, dass mir die Strecke dann doch zu lang sein würde, weshalb im ersten Schritt Berlin durch Bernau ersetzt wurde, wo sich ja im Nordosten der erste S-Bahn-Anschluss befindet. Attraktiv erschien zunächst wegen der guten Ausschilderung der Fernradweg Berlin-Usedom (berlin-usedom-radweginfo.de), doch der hat schon ab Anklam 215 km, zu denen ungefähr 35 km von Greifswald nach Anklam hinzu kämen. Selbst mit zwei „halboffiziellen“ Abkürzungen zwischen Joachimsthal und Steinhöfel (Originalweg: 28 km, Abkürzung: 17 km, also -11 km) sowie zwischen Werbelow und Bugewitz (Originalweg: 69 km, Abkürzung: 44 km, also -25 km) wäre es zuviel mit deutlich über 200 km – es musste also direkter sein.

Streckenplanung

Bei Google Maps oder Pedometer fanden sich kürzeste Wege für Fußgänger zwischen Greifswald und Bernau von etwa 177 km Länge. Das erschien erheblich realistischer. Allerdings führten diese teils auf stark frequentierten Straßen, teils komplett abseits größerer Orte – es ging durch Uckermark und Schorfheide. Die notwendige Läuferverpflegung erforderte aber unbedingt regelmäßige Einkaufsmöglichkeiten! Folglich suchte ich über diverse Stützpunkte eine Strecke heraus, die Supermärkte und Natur bot und bezüglich der Länge nur kleinere Kompromisse machte. Da der Lauf auch über Nacht geplant war, konnten das nicht nur Supermärkte sein. Zum Glück gab es erstaunlich viele Tankstellen mit 24h-Öffnung, insbesondere im Norden.

Zeitplan

Zeitlich bedingt ergaben sich mehrere Optionen mit Starts am Morgen mit Übernachtung, am Nachmittag oder frühen Abend mit Tankstellen in der Nacht und dem ersten Laden in einem Dorf hinter Neubrandenburg (öffnet 7 Uhr!). Als ich Franz meinen Plan vorstellte und ihn fragte, ob er vielleicht einen Abschnitt mitlaufen würde, antwortete er nach Art vom Sender Jerewan: Im Prinzip ja, aber … Dienstlich bedingt wäre es für ihn freitags günstiger als samstags und wegen des Werderseelaufs in Bremen sollte es das Wochenende um den 8.März sein. Kurz darauf hatte er sogar noch Fabian als Fahrradbegleitung angeworben. David meldete sich spontan auch an, einen langen Trainingslauf von irgendwo nach Greifswald machen zu wollen. Dazu bot sich das per Bahn erreichbare Neubrandenburg an. Unser Plan sah nun so aus: Freitagmorgens ab Bernau, Franz läuft mit bis Templin, dann folgt eine Solo-Strecke, bis David am späten Abend bei Neubrandenburg hinzu kommt.

Start

Kurzfristig änderte ich noch die Startzeit nach vorn, da die Sorge bestand, dass wir der Zeitplan vielleicht zu optimistisch war. So stand ich am Freitagmorgen zehn nach vier auf, joggte bereits in Laufklamotten anderthalb Kilometer zum Greifswalder Bahnhof und fuhr mit dem Regionalexpress nach Bernau. Da hatte ich reichlich Zeit für das Eincremen meiner Füße mit Anti-Blasen-Gel, fürs Frühstück (Baguette belegt mit 2 Bananen sowie einige Waffeln), für die finale Sortierung der Sachen in meinen Laufrucksack und in einen Extrabeutel für den Fahrradkorb, und für ein bisschen Dösen. Je näher Berlin kam, desto voller wurde der Zug. Um 7:15 Uhr angekommen war noch Zeit den Bernauer Bahnhof anzusehen (die ramponierte Digitaluhr aus den 80er auf dem Vorplatz blieb in Erinnerung) und zu frösteln, bis Franz und Fabian aus Berlin eintrafen und wir gegen 8 Uhr los liefen. Gleich nach hundert Metern nahm ich die falsche Straße, was aber gleich bemerkt und korrigiert wurde. Wir kamen am Stadtpark vorbei, der mir in bester Erinnerung blieb, weil ich dort im Coronajahr 2020 meinen ersten längeren Lauf nach 15 Jahren Laufpause absolvieren durfte und nach 12 Stunden über erreichte 100 km sehr glücklich war. Unter anderem waren einige Läufer der LG Mauerweg mit ihrem Partyzelt dabei, was zu meinem ersten Start bei den 100 Meilen im darauf folgenden Jahr führte. Bei jenem Mauerweglauf 2021 lernten Franz (radbegleitet von Fabian) und ich (radbegleitet von meinem Bruder) uns kennen, als wir mitten in der Nacht aufeinander trafen, einer kaputter als der andere, und eine längere Strecke bis kurz vor das Ziel zusammen schwankten (laufen war es nicht mehr). Fabian ist in Berlin seit Jahrzehnten beheimatete österreichische Prominenz, denn er hat nicht nur viele Berliner (Straßen-)Kunstwerke geschaffen, sondern auch das wunderbare Laufwolke-Logo!

Straße oder Waldweg?

Nach Verlassen eines Vororts Bernaus kam die erste Stunde der Wahrheit: Straße oder Waldweg? Im Vorfeld hatte ich lange gegrübelt, wo es lang gehen sollte. Manchmal gab es eindeutig erkennbare Radwege neben der Straße, dann war es klar und einfach. Manchmal waren die besten Verbindungen zwischen Ortschaften lange, direkte Wald- oder Feldwege oder (vermutlich) kaum befahrene Kreisstraßen – auch dann fiel die Entscheidung leicht. Auf einigen Abschnitten konnten aber weder Open Street Maps noch Google klare Aussagen liefern, wie befahren die Straßen wirklich waren und ob es Radwege daneben gab. So war es auch hier, zwischen Bernau und Lanke. Die alternativen Waldwege wollte ich nicht unbedingt nutzen, weil ich lange und kraftraubende Zusatzkilometer befürchtete, vielleicht auch komplizierte Navigation. Genau so kam es dann auch! Die Straße war für einen Freitagmorgen mäßig befahren, hatte aber immer wieder Leitplanken. Auf solchen Abschnitten versuchten wir zunächst links zu laufen, um den entgegenkommenden Verkehr gut sehen zu können. Fabian hatte dabei ein sehr schlechtes Gefühl und hielt sich mit seinem Fahrrad besser rechts. So besetzten wir aber beide Straßenränder und konnten froh sein, dass die Autofahrer recht rücksichtsvoll waren, sich selten auf unserer Höhe begegneten und falls doch, auch mal warteten. Uns war aber schnell klar, das musste nicht immer so bleiben und wir wollten nicht als Verkehrsopfer enden. So versuchten wir es teils auf einem parallel zur Straße verlaufenden Waldweg – der war allerdings abschnittsweise nicht fahrradtauglich und ging auf weichem Geläuf permanent auf und ab, während die Asphaltstraße höhennivelliert war. Als dieser Weg abrupt endete, kehrten wir wieder auf die Straße zurück und liefen rechts vor dem Fahrrad. Wie war ich froh, als dieser Abschnitt endlich vorbei war! In der Nachbetrachtung stellte ich fest, diese 7 km hätten sich mit knapp einem Kilometer Umweg durch den Wald deutlich entspannter bewältigen lassen, aufgrund unserer gelaufenen Ausweichmanöver wäre die alternative Strecke vielleicht auch schneller gewesen.

Traumhafte Natur

Das nächste Teilstück entschädigte uns für den stressigen Start. Es ging -abseits der zur Autobahn führenden Straße- auf breitem Feldweg an zwei Seen entlang. Die Sonne schien, es wurde warm, man hätte fast baden wollen, doch wir hatten ja noch einiges vor. Es war auf jeden Fall so, wie man sich einen Lauf durch Brandenburger Landschaft vorstellt. Im nächsten Ort trafen wir zwar nicht ganz den Weg, aber den nächsten wunderschönen See und liefen in Richtung einer Autobahnbrücke. Eigentlich sollten wir hundert Meter weiter rechts sein, doch das war oberhalb eines Hangs und dahin führte erst einmal nichts. Unser Weg ging dann unter der Brücke hindurch, die den schmalen See überspannte. Nun mussten wir „nur noch“ zurück auf den eigentlichen Pfad gelangen. Doch die auf der Karte eingezeichneten Waldwege verliefen leider irgendwo im Nirgendwo! Für unsere tapfere Fahrradbgleitung war das ein Albtraum, denn es ging hoch und runter durchs Gebüsch, bis sich endlich eine „Waldautobahn“ fand, die die Fortsetzung unserer Originalstrecke war. Von da an gab es lange Zeit kaum Probleme, aber viel schöne Natur. Es folgte ein Radweg an einer kaum befahrenen Straße bis zum Finowkanal und entlang des Kanals ein schöner Rad- und Wanderweg bis zum Ortsende von Zerpenschleuse, von wo es auf Feld- und Waldwegen direkt nach Groß Schönebeck zum ersten Stopp ging. Zwei Bonusmeilen inklusive hatten wir gut 33 km hinter uns gebracht, als wir dort 12:45 Uhr eintrafen, etwa 30 min später als ursprünglich geschätzt.

Im Supermarkt stellte ich fest, dass mein Trinkbedarf zwar groß, der Hunger aber noch überschaubar war. Franz konnte ein Eis verdrücken, mir genügten Salzbrezeln, Cola und eine große Flasche stilles Wasser. Die war sogar aus Glas und damit besonders nachhaltig, hatte aber doch nur 0.75 l. Das stellte noch kein Problem dar, fürs erste genügte die Menge und unser nächstes Ziel Templin sollte ja keine 30 km entfernt sein. Hinter Groß Dölln kamen wir an einem ehemaligen Militärflugplatz vorbei, der vor über zehn Jahren mit der damals größten Photovoltaikanlage Deutschlands bebaut wurde. Dabei ergab sich erneut das Problem, das einmal zu spätes Abbiegen sich nicht immer so leicht korrigieren liess, wie es die Kartendarstellung des Navis suggerierte. Letztlich standen wir wenige dutzend Meter vor unserem weiterführenden Weg und es ging (eigentlich) nur nach rechts oder links. Fabian machte über links einen kleinen Umweg von ein paar hundert Metern, Franz und ich schlugen uns direkt durch die Büsche. Nach fünf Minuten war der Weg erreicht, vermutlich an der alten Landebahn, nun mit Solarmodulen bebaut. Ein bißchen Brandenburger Sandwüste, etwas mehr Kiefernwald, noch einige Kilometer beste Wege, schon hatten wir Templin erreicht. Kaum war der lokale Edeka gefunden musste sich Franz zwischen baldiger Zugabfahrt vom 3-400 m entfernten Bahnhof und einem Einkauf entscheiden und wählte die dritte Option: Beides! Klingt salomonisch, doch am frühen Freitagabend ging es an den Kassen so gemächlich zu, dass sie leider den Zug verpassten. Immerhin gab es stündliche RE-Verbindungen! Ich hatte immer noch genug feste Vorräte und füllte den Flüssigbedarf nach mit einer Brause für den Magen und einem (ganzen!) Liter für die beiden Softflasks. Nur ein Erdnussriegel kam noch hinzu. Meine kurze Hose behielt ich an, zog aber ein warmes Unterhemd unter das T-Shirt und Ärmlinge an. Dazu kamen Buff, Pulswärmer, Stirnlampe und Warnweste, die ich hinten halb über meine Trinkweste (Laufrucksack) drapierte, um für die beginnende Dunkelheit gewappnet zu sein. Die Sachen von Fahrrad musste ich nun natürlich selbst tragen, aber es passte alles in den kleinen Rucksack hinein.

Finstere Zeiten

Kurz nach halb sechs ging es weiter Richtung Norden, zunächst 2 km an einer mäßig befahrenen Landesstraße ohne Radweg, dann auf kleineren Straßen und Wegen fast ohne Verkehr. Dank klarem Himmel und mehr als halbem Mond war die Straßenmarkierung noch lange sehr gut erkennbar und die Stirnlampe eher zur Vorwarnung entgegenkommender Autos als zur Straßenbeleuchtung erforderlich. Um Akkuzeit zu sparen, nutzte ich über längere Zeit lediglich die Sparstufe (10 Lumen) meiner Petzl Actik (Core). Diese hat drei weiße Helligkeitsstufen: 600 lm – hält maximal 2 h und sollte daher nur für kurzzeitige Ausleuchtung zur Streckenfindung, aber nicht versehentlich dauerhaft benutzt werden, 100 lm – hält mit 7-8 h nur in kurzen Sommernächten durch die ganze Nacht, ist aber komfortabel hell, 10 lm – hält mit etwa 70 h praktisch ewig, zumal die Lampe bei niedrigem Akkustand automatisch in diesen Modus wechselt. Kurz vor dem Lauf hatte ich sicherheitshalber einen Wechselakku gekauft und hätte also die Wege auch großzügiger ausleuchten können. Doch dann wollte ich es wissen und sparte über längere Strecken. Das ermöglichte immerhin die Lektion, dass sich die Akkulaufzeit -wie im Kleingedruckten erwähnt- bei niedriger Temperatur deutlich verringert, denn gegen Ende der Nacht war es schon ganz schön funzlig, weil nur noch 10 lm zur Verfügung standen. Leider war ich da schon zu faul zu allem, auch zum simplen Batteriewechsel. Beim JUNUT muss ich das unbedingt an einem VP einplanen! Mehr Licht sorgt doch für deutlichen Laufkomfort und wahrscheinlich auch mehr Aufmerksamkeit. Nicht ganz unwichtig, wenn es sich um Feldwege mit groben Pflastersteinen handelt, die auf dem Foto hoffentlich erkennbar sind. Doch die meisten Wege bis zu nächsten Station Feldberg (und auch danach) waren einsame asphaltierte Landstraßen, was mir sehr gut passte. Mit Hörspiel und Musik in den Ohren kam ich ganz gut voran.

Nächtliche Impressionen beim Schein der Kopflampe

Nix zu haben in und um Feldberg

Bei der Planung stand immer die Frage im Raum, welches durchschnittliche Tempo laufbar wäre. Wichtig war das an zwei Stellen: In Feldberg und beim Treff mit David. Feldberg bietet eine Menge Einkaufsmöglichkeiten wie Supermärkte, Discounter, Tankstellen, Imbisse und Restaurants. Leider schließen fast alle um 20 Uhr, mit Ausnahme eines Imbisses (21 Uhr) und diverser Gaststätten, die ich aber nur im Notfall zum Nachfüllen von Wasser aufsuchen wollte. Meine Planung war eigentlich von Anfang an mehr ein Wunsch, noch vor 20 Uhr in Feldberg zu sein. Deshalb entschied ich mich für den frühesten Zug aus Greifswald und wir starteten morgens um acht statt neun; doch spätestens in Templin war klar, dass es in Feldberg nix mehr geben würde. In dem (kleinen) Teil der Stadt, durch den ich gegen 22:30 Uhr lief, waren die Bürgersteige längst hochgeklappt und fast niemand war auf der Straße zu sehen. Das vorausahnend hatte ich noch ein wenig Reserve in den Trinkflaschen gelassen und nun musste es halt reichen bis ins rund 30 km entfernte Neubrandenburg, wo es 24/7-Tankstellen gab.

Wechsel auf Nachtmodus

War ich tagsüber bei frühlingshaftem Wetter (Sonne, über 15 °C) zumeist in kurzer Hose, langen Kompressionsstrümpfen, kurzem T-Shirt und Basecap gelaufen, so hatte ich bereits am frühen Abend mit Unterhemd, Ärmlingen und Buff nachgerüstet. Nun war es Zeit für die Nachtkleidung, es sollte auf wenige Grad über Null abkühlen. Das bedeutete, die Schuhe aus- und die langen Wintertights anzuziehen, was sich im Freien als keine leichte Übung herausstellte, die ich nur bibbernd und mich schüttelnd erledigen konnte. Dazu gab es ein langes Shirt, eine (halbwegs) winddichte Jacke, Handschuhe und Wintermütze. Einige Kilometer weiter war mir wieder warm, doch lieber etwas Schweiß produzieren als frieren!
David war inzwischen in Neubrandenburg eingetroffen und 23 Uhr in meine Richtung losgelaufen, also nach Südsüdost. Es war abzusehen, dass wir uns etwa bei der Hälfte dieses knapp 30 km langen Teilstücks treffen würden. Kurz nach ein Uhr sah ich dann einen leicht flackernden Leuchtpunkt langsam näherkommen, ein untrügliches Zeichen, dass wir die gleiche Straße genommen hatten. Kurz hatte ich noch überlegt, mir irgendeinen blöden Scherz auszudenken wie meine eigene Stirnlampe auszuschalten und dann zurück oder einfach an ihm vorbei zu laufen, doch ich war schon zu geschafft und froh über die Begleitung, so das es eine ganz normale Begegnung wurde – so normal es eben sein kann, wenn sich nachts auf einsamer Landstraße zwei Läufer treffen. Wie viel wir von unseren bisherigen Tageserlebnissen erzählten und ab wann es schweigsamer wurde, habe ich schon wieder verdrängt oder vergessen. Noch erinnern kann ich mich, dass der Weg bis Burg Stargard länger war als gedacht, da sich auch weit entfernte Dörfer als Ortsteile bezeichneten (eine Gemeindereform förderte in MV die Bildung von Großgemeinden). Dass der Ort selbst recht lang war, wusste ich von der Planung her noch ganz gut; dass zwischen seinem Ende und dem Ortsanfang Neubrandenburgs nur ein kurzes Stück war, kam mir auf jeden Fall sehr entgegen. In Neubrandenburg liefen wir einige Zeit an der großen Bundesstraße B96 entlang, die -doppelspurig- wie eine der großen Magistralen Berlins aussah, aber morgens gegen drei fast verkehrsfrei war.

Auf den „Rewe2go“-Shop an der Tankstelle hatte ich mich schon lange gefreut, nicht nur wegen des dringend benötigten Flüssigkeitsnachschubs, sondern weil ich auf das nächtliche Einkaufserlebnis im Laden neugierig war, seit ich bei der Planung darauf gestoßen war. Wie sich herausstellte, handelte es sich um einen gewöhnlichen Tankstellen-Shop. Wie üblich, hatte der nachts seine Türen geschlossen. Man konnte also nicht durch wohlige Wärme wandeln und sich von seinen Bedürfnissen inspirieren lassen wie in meiner Phantasie, sondern musste seine Wünsche am Nachtschalter der Tankstelle äußern. So beschränkte ich mich erneut auf die üblichen Verdächtigen: 0.5 l Cola für mich und 1 l stilles Wasser für die Softflasks, von denen eine zusätzlich noch mit Isopulver versorgt wurde. Während der wenigen Minuten Standzeit wurde mir so kalt, dass ich auch noch meine Regenhose überzog und damit fast „all in“ ging bzw. „all on“ lief, denn nur durch baldigen Aufbruch war der Wärmehaushalt wieder zu besänftigen.

Die weitere Streckenplanung bot zwei Wege entlang von Straßen bis zum nächsten Etappenziel Altentreptow. Wir entschieden uns gegen die etwas kürzere Variante entlang der ehemaligen Bundesstraße B96, die hier degradiert wurde, seit sie parallel zur A20 führt. Es war unklar, wie viel Verkehr dort sein würde und wie sicher wir uns auf dieser Straße ohne Radweg fühlen würden. Die alternative Route westlich davon hatte zwar auch keinen Radweg, war aber nachts kaum befahren. David suchte noch einen kürzeren Zugang von Neubrandenburg heraus, der (anfangs) sogar als Radweg ausgeschildert war und durch nächtliche Wiesen und Felder führte – sehr schön! Es wurde langsamer wieder dämmrig und etliche Kilometer vor Altentreptow ging die Sonne als roter Ball über dem dunstverhangenen Tollensetal auf. Fotos können diesen Anblick kaum wiedergeben, vor allem nicht, wenn man sich vor ihrer Betrachtung nicht die Nacht um die Ohren geschlagen hat…

Die Sonne geht auf: Romantik pur (mit Windrädern)
Auf der Landstraße kurz vor Altentreptow

Wir erreichten Altentreptow gegen 7 Uhr. Meine optimistische Planung hatte urspünglich auf 4 Uhr geschätzt und weitere 8 h für die restlichen über 50 km bis Greifswald. Realistisch gesehen, konnten wir nun mit einer Ankunft in Greifswald zwischen 15 und 17 Uhr rechnen. Das war daheim so nicht kommuniziert worden und insgesamt wurde mir dieser Lauf auch etwas zu lang. So stellte sich eigentlich nur noch die Frage, wie lang wir noch laufen wollten – und gehen natürlich, denn inzwischen kamen immer mehr Gehpausen hinzu.
Davids hatte einen Telefonjoker! Seine Frau hatte angeboten, uns bei Bedarf aufzusammeln und nach Hause zu holen1. Da wir sie nicht vor dem Aufwachen anrufen wollten, einigten wir uns schon einmal darauf, dass wir auf jeden Fall noch ein Stück laufen würden; vielleicht nicht die 28 km bis zur nächsten geplanten Station Jarmen, aber etwa die Hälfte bis Klempenow. Mit diesem Wissen um das neue finale Ziel stellten wir fest, dass der eigentlich geplante Tankstellenstop in Altentreptow gar nicht nötig war, denn für den verbleibenden Teil hatten wir beide noch genug Vorräte. Hinter dem Ortsausgang nahmen wir nicht die samstagmorgens doch recht befahrene Straße, sondern einen Weg über einige Dörfer auf zunächst festen Feldwegen oder asphaltierten Nebenstraßen.

Frühnebel im Tollensetal

Auf den letzten Kilometern folgte ein Weg über Felder, der immer wieder schöne Ausblicke in die Ferne und ins Tollensetal bot, dessen wenige Höhenmeter mich aber ganz schön anstrengten. Ich musste mich motivieren, am nächsten Strauch wieder anzulaufen und dann bis zur nächsten Milchkanne oder dem nächsten kleinen Hügel weiterzutraben. Mit anderen Worten: Ich hatte endgültig den Punkt erreicht, wo es mehr um Willenskraft als Kondition ging und der vielleicht besonders wertvolles Training des „wichtigsten Muskels des Ultraläufers“ ermöglichte (der Psyche bzw. des Kopfes). So romantisch sich das anhören mag und so schön auch die Landschaft war, es reichte (mir) mittlerweile. Es war ein schönes Gefühl, den Burgturm von Klempenow, den dort beginnenden Radweg an der Straße, das Hinweisschild auf den Parkplatz und dann selbigen in einem finalen Ritt zu erlaufen. Es reichte aber auch.

Die Bilanz

150 km bedeutet: Mein längstes Lauftraining der Kategorie „selfsupported“! Zuvor bin ich 2021 als Vorbereitung auf die 100 Meilen einen Teil des Mauerwegs abgelaufen, als coronabedingt die „Generalproben“ verschoben wurden. Damals waren es am Samstag rund 72 km von Gesundbrunnen bis Griebnitzsee mit Verpflegung in Supermärkten und am Sonntag weitere 58 km bis Frohnau mit Tankstellen und Imbissen. Vor einem Jahr lief ich rund 75 km von Tessin bei Rostock mit zwei Tankstellenstops nach Greifswald. Sonst spielt sich mein Training überwiegend im Bereich 10-20 km ab, ab und zu streue ich auch mal 30 km ein, sehr selten einen Trainingsmarathon mit Supermarkt. Deshalb überwog die Freude über das Erreichte deutlich die Enttäuschung des Scheiterns.

Von der üblichen großen Erschöpfung und Müdigkeit abgesehen, ging es mir recht gut. Nur ein kleiner Ansatz einer Blase, der schnell wieder weg war. Die Beine waren in der nachfolgenden Woche sehr schwer, aber auch das ist als normal anzusehen. Der Kopf möchte sofort alle möglichen alten und dazu neue Ideen realisiert wissen, war beim Lauf aber auch nicht mehr imstande, den ermüdeten Körper zu überzeugen. Manches hätte sich besser planen lassen, doch im wesentlichen war es gut, „einfach mal zu machen und dann zu schauen“. Das Gefühl, genug Zeit und auch ausreichend Strecke vor sich zu haben, nicht hetzen zu müssen und einfach zu genießen, ist im Training fast noch besser als bei manchem Wettkampf. Die Sicherheit eines Verpflegungspunktes mit warmen Getränken und oft auch Speisen, nachts zumeist auch mit einem warmen Raum, in dem man sich etwas ausruhen kann ohne zu unterkühlen, ist grandios und lässt sich bei eigener Organisation nicht kompensieren. Es stellte sich aber heraus, dass der wichtigste Bedarf unterwegs darin besteht, genug Flüssigkeit zu bekommen. Dabei reicht Wasser erst einmal aus, denn mit etwas Isopulver lässt sich ausreichende Versorgung herstellen. Cola, Tee, Brühe und andere Getränke sind doch eher nice-to-have als unverzichtbar. Vorräte an fester Nahrung kann man so viel mitnehmen, dass es locker 100 km weit reicht. Das hätte ich zuvor nicht gedacht! Darüber hinaus bieten Supermärkte, Tankstellen, Imbisse und dergleichen ein Grundsortiment fester Nahrung an, bei dem auch Problemkinder wie ich nicht verhungern müssen. Sie sind in Deutschland meist recht engmaschig verfügbar, so dass mit etwas Planung und kleinen Umwegen die Versorgung gewährleistet werden kann. Trotzdem sind gerade in der Natur und auf dem Land auftretende „Dunkelflauten“ zu beachten, wenn Läden 20 Uhr schließen und auch Tankstellen nicht rund um die Uhr geöffnet haben. Das soll kein Plädoyer sein, dass überall alles 24/7 geöffnet sein muss, ganz im Gegenteil! Manchmal wünschte ich mir aber, dass es ein Pendant zum Apotheken-Notdienst gibt, also einen Laden, der auch dann verfügbar ist, wenn es sich eigentlich kaum lohnt. Die Kosten müssten irgendwie umgelegt werden. In der Realität gibt es einen Wettbewerb, der oftmals alles gleichmacht: Wenn ein Laden unsinnig lange öffnet, machen das alle, und wenn dann alle geschlossen sind, gibt es keine Ausnahme. Naja, bis in die frühen 90er sah das in Deutschland noch ganz anders aus, da war 18 Uhr meist Feierabend und alle waren daran gewöhnt.

Verbrauchswerte

150 km in 25 h ergibt glatte 6 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. Das ist in Anbetracht der relativ günstigen Bedingungen (flache Strecke, moderate Temperaturen, nur kurze Querfeldein-Passagen) nicht herausragend schnell, doch für einen Selbstversorger-Trainingslauf ganz okay. Im Vergleich dazu sind beipielsweise beim Mauerweglauf die bessere Streckenmarkierung und -beschaffenheit, die permanente Verpflegung, das Gruppengefühl und auch eine längere Radbegleitung wichtige Faktoren, die das Laufen erleichtern können.

Essen und Getränke inklusive Frühstück bei der Bahnanreise (in Klammern: Kohlenhydrat-Anteil):
200 g Bananenchips (130 g KH), 200 g Datteln (120 g), 2 Bananen (50 g), 250 g Baguette (140 g), 2x 40 g Salzstangen (50 g), 300 g Oat bars (160 g), 100 g Riegel (60 g), 2×40 g Erdnussriegel (30 g), 175 g Honigwaffeln (100 g), 2x 65 g Waffeln (80 g), 1x Traubenzucker (10 g), 150 g Isopulver (150 g), 2×0.5 l Cola/Limo (100 g), 0.8 l Tee, 2.75 l Wasser
–> 1180 g Kohlenhydrate
Das entspricht mehr als 20 000 kJ oder 7.5 kg gekochten Kartoffeln!
–> 4.5 l Getränke
Das ist nicht übermäßig viel. Vermutlich hätte ich bei besserer Verfügbarkeit am Nachmittag und Abend mehr getrunken. Im Sommer ist sicherlich deutlich mehr notwendig als Anfang März.

  1. Davids Frau erzählte später, dass ihre Mutter nach Davids erstem Marathon meinte: „Hoffentlich artet das nicht aus“, was damals noch völlig unverstanden blieb. Inzwischen fragt sie sich, ob es eigentlich eine normale Reaktion auf die Planung eines solchen nächtlichen Trainingslaufs durch den Ehemann ist, wenn sie sofort nachdenkt, woher sie einen „Rettungswagen“ nimmt, weil das eigene Auto gerade nicht zur Verfügung steht… ↩︎

100 Meilen zum Jahresziel – Mein Mauerweglauf 2024

Saisonziel 2024

Nun war er endlich da, der Saisonhöhepunkt 2024 mit meinem großen Jahresziel: 100 Meilen innerhalb von 24 Stunden zu finishen und mir einen „Buckle“ zu verdienen, wie für viele Ultraläufer auch für mich ein großer Meilenstein des persönlichen Erfolgs und Fortschritts. Dafür hatte ich ohne Winterpause und in einem Umfang trainiert wie noch nie zuvor, noch deutlich mehr als vor dem ersten Versuch 2021. Damals bekam ich Probleme mit den sommerlichen Bedingungen insbesondere ab Streckenhälfte und konnte das geplante Tempo nicht mehr schaffen. Nach WP3 in Hennigsdorf ging ich längere Strecken, lernte dabei auch Franz kennen und finishte nach knapp 25 h. Dieses Mal sollte das alles etwas besser klappen.

Vorbereitungsläufe

In der diesjährigen Vorbereitung sorgten die Brocken-Challenge (80 km) und der Kristall-Marathon im Februar, der abgebrochene Junut (bis 138 km), der Heidi-Etappenlauf (5x 60 km), der Rennsteiglauf (74 km), der FDZU (115 km) und der Thüringen-Ultra (100 km) für viel Wettkampfgewöhnung und Trainingsmotivation mit recht vielfältigen Anreizen. Insbesondere der Etappenlauf bei teils sehr warmem Wetter und mit diversen Passagen des Mauerwegs diente als mir sowohl als Formtest als auch als intensives Mehrtagestraining und war von der Strecke her eine sehr gute Einstimmung. Noch besser wären zusätzlich die alljährlich angebotenen Testläufe der LG Mauerweg auf der Originalstrecke gewesen, doch leider lagen sie etwas ungünstig für meinen Terminplan. Ergänzt durch die Ultra-Erfahrungen der letzten Jahre fühlte ich mich sehr gut vorbereitet. Die Strecke selbst und das für den Buckle erforderliche Tempo machten mir wenig Sorgen; die entscheidende Frage schien eher, ob ich es kräftemäßig, mental und abhängig von Wetter und potentiellen körperlichen Problemen durchstehen würde, den Laufanteil genügend hoch und den Geh- und Pausenanteil entsprechend gering zu halten, um meine persönliche „Schallmauer“ zu knacken.

Kurzfristige Änderung

Am Wochenende vor dem Lauf wurde es plötzlich noch spannend: Das Start+Zielgelände am Eissportstadion stand (wegen eines Defekts?) von einem Tag auf den nächsten nicht mehr zur Verfügung. Wenn die Veranstaltung nicht ausfallen sollte, musste die Kerntruppe des Organisationsteams instantan einen neuen Ort finden! Dank sehr engagierter Mitarbeiter eines Bezirksamts konnte tatsächlich schnell ein Ersatz sehr nahe am Mauerweg gefunden werden, der im Wedding und somit nur wenige Kilometer vom ursprünglichen Start und Ziel entfernt lag. So weit so gut, doch damit ergab sich der berühmte Rattenschwanz an Folgeproblemen, die angegangen werden mussten: Die VP-Planungen verschoben sich um Stunden. Teils wurden aus kurzen morgendlichen VPs plötzlichen lange Nächte, die mit Schichtpersonal zu versehen waren. Die erstmals angebotene Wanderung würde statt 60 km gut 10 % länger (die Wanderstrecke wurde dann im letzten Teil vom Mauerweg abweichend auf einen direkteren Weg verändert, um halbwegs bei der Länge zu bleiben). Die Tracks mussten aktualisiert und hochgeladen werden, die lokale Umleitung ausgeschildert werden, zusätzliche Verkehrsgenehmigungen waren erforderlich, Busshuttles mussten neu geplant werden. Da die Wechselpunkte (WP) der Zweier- und Vierer-Staffeln an die festen großen VPs mit Dropbags gebunden sind, verschoben sich die zu laufenden Abschnitte erheblich (da das erste kurze Teilstück erheblich kürzer und das längste deutlich länger würde, wurde es den Staffeln letztlich komplett selbst überlassen, an welchem VP sie wechselten).

Volunteersarbeit

Für den Freitag vor dem Lauf hatte ich mich als Helfer für den Start+ Zielbereich angemeldet. Im Vergleich zum Eisstadion waren die Bedingungen deutlich anders und erforderten eine Menge Improvisation. Es gab nicht nur erheblich weniger Platz, sondern auch noch den normalen Betrieb eines lokalen Sportplatzes, der von Freitag bis Sonntag nebenher gewährleistet werden musste: Trainings und Wettkampfspiele, frei zu haltende Bereiche an Umkleiden, Toiletten und Spielflächen. So war spannend zu erleben, wie bei jedem Punkt immer wieder Unwägbares berücksichtigt werden musste. Egal was wo aufgebaut werden sollte, es war nicht die gewohnte Stelle und eine schnelle Alternative konnte vollkommen ungeeignet sein, weil ein kleines Rädchen im großen Getriebe nicht gleich vorhergesehen und einberechnet wurde. Als ich am späten Nachmittag zum Alexanderplatz fuhr um die Startunterlagen abzuholen und Pasta in mich hineinzustopfen (Danke für die schnelle Umbuchung des längst verpassten Timeslots!), hatte ich das Gefühl, das Zielgelände würde zwar nicht herausragend sein, aber die Mindestanforderungen erfüllen. Am nächsten Morgen vor dem Start sah es gleich viel besser aus, weil noch ein paar Anpassungen erfolgten und so viele Leute da und zufrieden waren. Beim Zieleinlauf war es einfach nur großartig!

Letzte Vorbereitungen

Die abendliche Vorbereitung bei meinem Bruder und Radbegleiter verlief fast routiniert; bei unserer Premiere 2021 waren wir deutlich aufgeregter und weniger organisiert. So waren die Fahrradtaschen schnell vorbereitet (dank zuhause gepackter Beutel) und auch die finalen Absprachen bald erledigt. Sogar eine kurze Abkühlung im Pool war noch drin. Mit eingecremten Füßen, abgeklebten Brustwarzen, angerührtem Haferbrei und bereit gelegten Klamotten und einer Schlaftablette im Magen legte ich mich planmäßig gegen zehn ins Bett. Die Nacht war recht gut für eine Nacht vor einem Lauf, das ist ohnehin weniger Schlaf als normal. Am Morgen hatte ich das Glück, dass -nach kurzem Fußweg zum Wachwerden- ein Bus direkt zum Start fuhr. Allerdings habe ich das Gelände erst nicht erkannt und bin eine Station zu weit bis zum S-Bahnhof Wollankstraße gefahren, doch es war noch genug Zeit.

Kleidungswahl

Wegen milder Temperaturen und guter Wetteraussichten trug ich nur das Volunteer-Shirt vom Mauerweglauf 2022, mein Favorit bei warmem Wetter. Dazu kamen Unterhose, Shorts, Zehensocken und Calves sowie anfangs Pulswärmer und Stirnband, später ein Basecap. Telefon mit Geldschein und Notfallausweis (Organspender) hatte ich in der neuen* linken Oberarmtasche, Brille, ein Riegel und den MP3-Spieler mit Kopfhörern in der rechten.

Mein Zeitplan

Mein Zeitplan für ein 24h-Finish war von einem Versuch von Michael Irrgang inspiriert und basierte auf einer reinen Laufgeschwindigkeit, die mit jedem Kilometer etwas abnehmen sollte, beginnend bei 7:00 min/km und endend bei gut einer Minute mehr je Kilometer. Zusätzliche drei Minuten Pause waren für jeden VP eingeplant sowie eine Stunde Puffer für Krisen, stärkere Wettereinflüsse und vermehrte Gehpausen in der finalen Phase. Eine laminierte Tabelle mit den VP-Positionen, deren Namen und Abstände und die jeweils geplanten Ankunftszeiten, der Einfachheit halber gerundet auf Viertelstunden, nahm ich für den ersten Streckenteil in der Hosentasche mit; für den weiteren Verlauf befand sich das entsprechend präparierte Blatt am Fahrradlenker. Ohne Armbanduhr zu laufen empfinde ich immer mehr als angenehmen Luxus. Bei diesem Lauf erfolgte der erste Zeitvergleich planmäßig nach etwa 20 km – mit einer Punktlandung.

Gemütlicher Start

Mit den letzten 20-30 Läufern startend war das geplante Anfangstempo gut umsetzbar, so ergab sich eine Zwischenplatzierung um 300 am ersten VP. Danach ging es bei lockeren Gesprächen langsam voran im Feld. Neben diversen bekannten und unbekannten Läufern war auch einer dabei, der permanent ging. Beim Anblick dieses „Wanderers“ meldete mein Gehirn, dass das Tempo ja wohl kaum hoch sein kann und ich da locker mithalten könnte. Während des sehr interessanten Gesprächs mit dem Ultrahiker Jannik Giesen klarte sich mein Irrtum immer mehr auf und ich liess ihn besser davon ziehen.
(Was Jannik über dutzende Stunden als Tempo zurücklegen kann, ist weit jenseits meines Leistungsbereichs. Er legt typisch 100 Meilen in der Woche zurück und hat beim Laufhaus Backyard im Juli mit 48 h = 322 km den zweiten Platz belegt, was zwei Buckles hintereinander entspricht! Den Mauerweglauf finishte er als Gesamt-Dreißigster in 19:40 h.)

Zwischenhoch

Das Wetter blieb zunächst nahezu perfekt mit sommerlich milden Temperaturen und teils bei leichtem Nieselregen, so das bis zum ersten großen WP in Hennigsdorf bei 29 km für mich alles recht locker lief. Im Vergleich zu meinem Zeitplan baute ich einen 15-minütigen Puffer auf und diesen langsam aus. Den Abschnitt kurz vor Hennigsdorf und bis Nieder Neuendorf hatten wir kürzlich bei der Heidi-Challenge in umgekehrter Richtung. An den Bereich um den Eiskeller habe ich kaum mehr Erinnerungen als jene, dass die ersten Staffeln überholten und die meisten Vierer dort ihre ersten Wechselpunkte hatten. Nicht viel später stiegen auch die Radbegleiter ein und so langsam wurde es sonnenklar und immer wärmer. Die meisten Fahrradbegleiter reisten ja mit S+U-Bahn an, wobei eine Anfahrt ab Bahnhof Spandau nach Westen zum VP 8 „Falkenseer Chaussee“ (47 km) empfohlen wurde. Da ich in dieser noch frühen Rennphase noch keine Probleme und keinen besonderen Betreuungsbedarf erwartete bzw. erhoffte, hatten wir bereits lange im Vorfeld abgemacht, dass mein Bruder von Spandau aus gleich Richtung Süden zum 6.5 km entfernten VP 9 „Karolinenhöhe“ fährt und dort auf mich wartet. Dadurch konnte er sich vormittags etwas mehr Zeit daheim nehmen und war nicht ganz so ewig im Sattel. Das galt nun noch mehr, da sich durch Verschiebung von Start und Ziel eine erheblich längere Begleitstrecke ergab (ca. 107 km). Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt war die erheblich einfachere Pärchenfindung auf dem schmalen Weg neben der Kleingartenanlage bei VP 9. Außerdem lenkten die gegenseitige Begrüßung und Berichte über den bisherigen Tagesverlauf vom etwas eintönigen Teilstück entlang der B2 ab. So war der berühmte VP 10 „Pagel & Friends“ (59 km) bald erreicht und das bekannte Highlight. Jeder Läufer wird dort namentlich begrüßt und das Buffet ist herausragend, Sonderwünsche werden erfragt und nach Möglichkeit erfüllt – auch musikalische, glaube ich. Bei dieser Ausgabe kam mir der VP allerdings noch etwas zu früh, um ihn mit längerer Pause angemessen zu würdigen. Etwas Melone, ein paar Salzstangen sowie eine Kartoffel genügten, dann ging es weiter Richtung Altglienicker See mit der etwas anstrengenden Ortsquerung auf dem teils schmalen Fußweg und nach Sacrow über hügelige Abschnitte, die mir -Heidi sei gedankt- noch gut in Erinnerung waren und vielleicht auch daher recht leicht fielen. Am WP 2 (VP 11) beim Schloss Sacrow (66 km) hatte ich wie am WP1 keinen Dropbag hinterlegt, da der Wechsel auf Nachtkleidung und Beleuchtung nach dem aktualisierten Zeitplan erst beim WP 3 in Teltow erfolgen sollte und dank Radbegleitung noch genug Lebensmittelvorräte und notfalls auch Wechselsachen zur Verfügung standen. Deshalb war auch hier nur eine kurze Pause von wenigen Minuten angesagt. Im ursprünglichen Zeitplan war noch vorgesehen, eine Ersatz-Stirnlampe und eine Reflektorweste in die Radtasche zu packen für den Fall, dass WP3 erst nach 21 Uhr erreicht wird.

Hitze und Reibestellen

Ab dem Schlosspark Sacrow geht es bis zur Halbzeit an der Glienicker Brücke etwa 15 km mehr oder weniger am See entlang, obwohl die Luftlinie kaum mehr als einen Kilometer beträgt. Erneut war ich froh, diesen Abschnitt dank Heidi-Challenge gut zu kennen. Es war inzwischen ein schwülwarmer Sommernachmittag und der Schweiß schien besser zu laufen als wir Läufer. Jede Kühlung war willkommen, doch gerade hier folgten einige sonnige Abschnitte. Vereinzelt boten Anwohner ihre Gartenspritze als Duschbrause an. Ich wässerte mein Shirt und zog es wie Halstuch mit freiem Oberkörper oder -besonders schräg- nur über eine Schulter an. Später sollte ich feststellen, dass feuchte Sachen auf salzbeschichteter und empfindlicher Haut besonders gut reiben: Gerötete und wunde Stellen gab es dort, wo das nasse Shirt auflag, wo der laminierte Zeitplan in der Tasche überm Hintern auf meinem unteren Rücken rieb, und wo die Laufhose am Oberschenkel endete. Das alles wurde übertroffen vom linken Oberarm. Es gibt ja heutzutage nichts ohne 20-seitiges Handbuch! Auch eine Oberarmtasche für Handys braucht zwingend so ein Anhängsel, in dem in mehreren Sprachen steht, dass man es nicht bügeln, essen oder heiß waschen soll. Leider hatte ich diese Schnipsel nach dem Kauf am Freitag noch nicht entfernt und durfte im Tagesverlauf erleben, wie gut sich auf verschwitzter Haut erst rote Stellen und dann aufgeriebene Wunden bildeten, die teils unangenehm Flüssigkeit absonderten und heftig schmerzten.

Auf dem Königsweg nach Teltow

Hinter der Glienicker Brücke wartete eine kurzfristig angekündigte Überraschung: Werner Hanke begrüßte uns! Das angebotene Bier musste ich zwar ablehnen, die Limo schmeckte dafür um so besser. An der Brücke war in diesem Jahr die erste Streckenhälfte absolviert und das von mir 30 min früher als nach den im Marschplan ausgewiesenen 11 Stunden. Das zusätzliche Zeitpolster gab mir die beruhigende Gewissheit, dass mein Ziel wirklich zu schaffen sein würde, und reichlich Motivation, mit Ruhe und Optimismus weiter zu laufen. Hinzu kam das Wissen, kurz nach VP 14 „Gedenkstätte Griebnitzsee“ (85 km) auf den langen Königsweg einzubiegen, der sich zwar bis zum VP 15 sehr hinziehen und wie immer überraschend wellig sein würde, aber im Düppeler Forst und damit im Schatten liegt. Die sonnige Hitze sollte damit überwunden sein und damit einer der kritischen Punkte. Natürlich war es noch sehr weit bis zum Ziel und es konnte noch sehr viel passieren. Aber als ich 19 Uhr am WP 3 (VP 15, 98.2 km) in Teltow ankam, war ein wesentlicher Meilenstein erreicht: Nun waren es „nur“ noch etwas über 60 km, die dank bald einsetzender Dunkelheit ohne Hitze zu absolvieren waren und ich hatte für das große Ziel noch fast 11 h Zeit! Das waren 30 min mehr als im Zeitplan, der ja auch noch den einstündigen Puffer hatte. Zum ersten Mal gönnte ich mir eine längere Pause, setzte mich in der Teltower Turnhalle auf eine dicke Matte und ließ mich nach hinten fallen. Es sollte nur ein kleines „Powernapping“ sein, teilte ich meinem Bruder zur Beruhigung mit. Mit den Füßen auf dem Hallenboden schloss ich meine Augen und hörte die aufputschende, laute Musik in der Halle. Als ich nach ein paar Songs wieder die Augen öffnete, meinte mein Bruder, zwischendurch wäre eine junge Frau vorbei gekommen und hätte nach einem Blick auf mich gefragt: „Is he still alive?“ Das war Xuehe Jiang aus Hamburg, die mit mir beim FDZU längere Strecken um Zingst und auf dem Strandabschnitt zusammen gelaufen war. Sie hatte mich bereits erkannt und gegrüßt, als sie an einem VP auf ihren Staffelpartner wartete. In der Halle hatte ich sie bei meiner Ankunft gesehen, aber weil sie offensichtlich gerade gefinished hatte, wollte ich sie erst einmal zu Atem kommen lassen. Nun war sie leider bereits aufgebrochen und auch für mich war es Zeit, wieder auf die Beine zu kommen. Zunächst wollte ich wie üblich mit Essen und gefülltem Trinkbecher in der Hand losgehen und erst dann anlaufen, wenn alles weitgehend vertilgt wäre. Aber etwas war anders: Mir war plötzlich kalt! Der Körper hatte in den rund 20 min Pause seine Dauerleistung weit heruntergefahren und die Außentemperaturen lagen nur noch um 20 Grad. Das stellte sich als zu wenig für meine Sommerbekleidung heraus und es fehlte nicht mehr viel zum Schüttelfrost. Um diesen zu vermeiden, trabte ich los. Innerhalb der wenigen hundert Meter bis zum Marktplatz, an dem die Walker starteten (geniale Idee, das an diesem schönen Platz zu machen und gleichzeitig den Turnhallenbereich nicht zu überlasten!), wurde mir wieder wärmer. So ging es ohne zusätzliche Jacke, die auch gerade nicht verfügbar war, da mein Bruder endlich auch mal eine Pause haben sollte und ich ihn ermuntert hatte, noch ein wenig und möglichst in Ruhe zu essen und erst im Laufe der nächsten Kilometer aufzuschließen.

Ein langes Finale

Der folgende Abschnitt am Berliner Südrand bis Rudow war von der einsetzenden Dunkelheit geprägt. Bei den nun moderaten Temperaturen ging es teils recht angenehm auf wenig anspruchsvollen Postenwegen gut voran, teils gab es aber recht schmale Trampelpfade im Wald. Was oft als Single-Trail romantisiert wird, war für die Fahrradbegleiter eine echte Herausforderung und erschöpfte die Läufer zumindest auch mental ganz erheblich. Spätestens in diesem Bereich wünschte ich mir wieder etwas Musik vom Begleitrad, aber dafür notwendige Ausrüstung hatten wir nicht dabei. Kurzzeitig blieb ich mal an einem (Staffel-?)Läufer dran, dessen Radbegleitung eine musikalische Unterstützung bot. Erinnern kann ich mich nur, dass es zwar überhaupt nicht mein Musikstil war, das jedoch völlig egal und sehr willkommene Abwechslung war. Irgendwann ging es dann in die Stadt und der VP 20 in Rudow war erreicht.

Den nun folgenden, vermeintlich ewig langen Abschnitt neben dem Teltowkanal links und der Autobahn A113 rechts habe ich stets auf meiner Liste besonderer mentaler Herausforderungen. Sicherlich war es auch dieses Mal nicht leicht, aber wir hatten das große Glück, gefühlt immer zusammen mit anderen Läufern zu laufen. Es war keine feste Gruppe, aber stets war jemand in der Nähe, machte mal kürzere oder längere Gehpausen, überholte oder wurde überholt. So war für Abwechslung und Motivation gesorgt, wenngleich die Zeit für tiefschürfende Gespräche längst vorbei war. Nun wollte jeder nur noch ins Ziel kommen. Doch am Dammweg (VP 22), an dem ich vor zwei Jahren selbst die ganze Nacht über stand und dessen Standort wir bei der Heidi-Challenge ebenfalls passierten, war noch immer mehr als ein Halbmarathon zu bewältigen! Zunächst mussten wir durch die Partyzone Neuköllns, von der ich beunruhigende Dinge gehört hatte. Am Ende war es recht harmlos: In der Heidelberger und der Harzer Straße war wenig Party, den langen dunklen Park am Wiesenufer und Schlesischen Busch passierten wir „kontaktfrei“ und auf der Schlesischen Straße lief ich vor meinem Begleitrad auf dem (neuen) breiten Radstreifen und entging so der Party auf dem Bürgersteig. Auch an der morgens um drei Uhr immer noch gut besuchten East Side Gallery war der Radweg die logische Wahl, für meinen Bruder allerdings in der falschen Richtung. Wenig später fragte uns jemand, was wir denn hier machten. Um diese Uhrzeit wird wohl jede Antwort, die eine sportliche Betätigung beinhaltet, als verrückt eingestuft. Ob es sich um „so etwas wie ein Marathon“ handelt wie vermutet oder halt um fast das Vierfache, spielt dabei keine Rolle.
Bei mir stellte sich spätestens am Checkpoint Charlie (VP 24) langsam das Gefühl ein, dass wir nun gleich da sind. Doch es ging ja nicht wie üblich „nur noch“ durchs Regierungsviertel bis zum Erika-Hess-Eisstadion, sondern Straße für Straße weiter und weiter auf einem langen Weg über Gartenstraße und Bernauer Straße hoch Richtung Jahnsportpark, dann über die lange Fußgängerbrücke am Gesundbrunnen und unter der Bornholmer Straße durch, bis wir endlich Richtung S-Bahnhof Wollankstraße schwenken und kurz hinter diesem vom Mauerweg abbiegen konnten zum nun sehr nahen Ziel. Der Zieleinlauf war ein Hochgenuss, mit einer kleinen aber langen Gasse geformt aus Kugelleuchten und dem anschließenden Weg auf dem roten Teppich! Geschafft und superglücklich kam ich mir vor, als würde ich noch total locker sein. Das war sicher nicht der Fall, doch es fühlte sich nicht nach der totalen Erschöpfung an, nach welcher der Körper völlig austicken könnte. Wie sich bereits in den letzten Stunden des Laufs immer mehr abzeichnete, war das selbst gesetzte Ziel mit reichlich Zeitreserve geschafft!

Geschafft!

Wie zu erwarten, strömten trotz des relativ gering gefüllten Zielgeländes sehr viele Eindrücke auf mich ein: Hier das Zelt mit meinem Gepäck, dort etwas zu essen und trinken, dann weitere Mitstreiter der letzten Stunden, die ebenfalls eintrafen. Ich fand kaum Zeit, meinem Bruder zu danken, der inzwischen eine Suppe gegessen und sich auf den Heimweg gemacht hatte. Plötzlich war auch Franz da, den hatte ich beim Einlauf gar nicht bemerkt! Wie viel Glück wir noch mit dem Wetter hatten, stellte sich anhand des nass gewordenen Zielgepäcks heraus, denn am Samstagabend waren im Berliner Nordosten alle von enormen Regenmassen überrascht worden, von denen wir im Süden überhaupt nichts ahnen konnten. Das ging leider viel zu schnell für die Helfer im Zielbereich und so konnten sie hunderte zuvor akkurat angeordneter Beutel nicht mehr rechtzeitig ins Trockene retten. Manch einer musste deshalb mit seinen Laufsachen nach Hause oder ins Hotel fahren, um dort zu duschen und sich mit trockener Kleidung zu versorgen. Vermutlich wird das teils sehr ärgerlich gewesen sein, doch ich hörte definitiv niemanden klagen. Mir selbst kam eine (eigentlich untypisch) sorgfältige Planung zugute, denn ich hatte ja daheim eine Plastiktüte mit dem Zielgepäck gepackt und diese direkt in den vom Veranstalter gestellten Beutel getan. So wurde nur ein Unterhemd nass, das optional als Startkleidung eingeplant war und erst unmittelbar vor dem Start in den Beutel wanderte. Nasse Dropbags und Zielgepäck sind natürlich für einen Veranstalter eigentlich ziemlich peinlich. Doch da möchte ich unbedingt daran erinnern, dass es hier ein Provisorium gab und im vorgesehenen Eisstadion ganz andere Platzverhältnisse zur Verfügung stehen. Trotzdem lautet eine Lektion des Laufs, dass man seine Sachen in Dropbags lieber noch zusätzlich in regendichten Beuteln verstauen sollte (zumindest, wenn die lokalen Begebenheiten nicht genau bekannt sind!). In den Umkleideräumen lagen auf dem Boden einige Läufer in Schlafsäcken, die wohl für diese Nacht kein Hotelzimmer gebucht hatten und nun versuchten, Ruhe und Schlaf zu finden. Die Duschen waren schön warm und es war genügend Platz, so dass wir uns dort umziehen konnten. Auf den ersten Bus musste ich leider einige Zeit warten (wer zu früh ankommt, den bestraft das Leben halt auch manchmal…) und ging noch mehrere Haltestellen weiter, da ja sonst nichts zu tun war. Die S+U-Bahnen fahren am Wochenende zwar auch nicht durch, aber viel länger und haben stets Nachtlinien als Ersatz – insofern ist auch das am Eisstadion wohl eher kein Problem.

Die Siegerehrung am Nachmittag im H4 Hotel war eine schöne Veranstaltung, bei der ich dem wohl etwas überraschten Rainer Eppelmann dankte, dass er 1990 in seiner ersten Amtshandlung als DDR-Verteidigungsminister den Befehl gab, dass nun jeder Zivildienst leisten durfte. Unsere Kompanie war innerhalb drei Wochen nach Bekanntgabe weg ins nützliche Leben.

Fazit

Eine Schlussfolgerung stellte sich im Laufe der nächsten Wochen und Monate ein: Eine solch umfangreiche Vorbereitung wird nicht mehr oft möglich sein. Ich habe mir selbst gezeigt, dass ich es kann, die 100 Meilen innerhalb 24 h zu absolvieren, doch es hat enormen Aufwand gekostet. Zu schnelleren Zeiten ist nicht mehr viel möglich; eine Viertelstunde oder vielleicht ein paar Minuten mehr sind immer drin, doch bei etwas ungünstigeren Rahmenbedingungen bezüglich Wetter, Blasen, Magenproblemen oder dergleichen kann es auch schnell mal eine halbe oder ganze Stunde länger dauern. Deshalb glaube ich aktuell nicht, dass ich mir noch einmal eine solche Zeit vornehmen werde. 2025 steht die Back-to-back-Medaille auf dem Plan, aber dazu muss ich den Mauerweglauf nicht unbedingt in 24 h finishen, wenn der Cutoff bei 30 h liegt. Es ist ein wunderbar organisierter Lauf, ein eher leichterer Hundertmeiler wegen der wenigen Höhenmeter, der vielen Verpflegungspunkte, der hervorragenden Ausschilderung, der vielen Mitläufer, der möglichen Radbegleitung und begeisternder Helfer an der Strecke. Ich hoffe und plane, noch oft Mitte August nach Berlin zu kommen, sei es als Läufer oder als Helfer.

Viel los im April

Halbmarathon Berlin/Haveluferlauf Potsdam/Long Runs mit Freunden

Im April habe ich die Gelegenheit zu kürzeren Läufen genutzt. Unter anderem bin ich beim Berliner Halbmarathon vom SCC Anfang April gestartet und habe diesen als Tempo-Lauf für meinerVorbereitung für die Harzquerung genutzt.

Am 12.04.2025 haben wir dann im Rahmen des 20. Haveluferlaufes den Abschlusslauf des zurückliegenden Lauftherapie-Kurses absolviert. Neben den aktuellen Kurs-Absolventen nahmen wieder einige ehemalige Teilnehmende vergangener Kurs daran teil. Alle schafften das angestrebte Kurz-Ziel von 30minütigen ununterbrochenen langsamen Laufens ohne Probleme und genossen den sehr schönen Landschaftslauf entlang der Havel.

Meine Vorbereitung für die anstehende Harzquerung rundete ich dann noch mit Long Runs mit Freunden ab.

Nun fahre ich frohgemut zur Harzquerung von Wernigerode nach Nordhausen, welch ich nach 2018 und 2022 nun zum dritten Mal laufen werde. Ich bin gespannt, wie dieser Lauf verläuft und werde sicherlich im Mai davon berichten ….

Regeneration abgeschlossen – Das war der August

Wie geplant habe ich auch den heißen August ohne Wettkampf oder Laufveranstaltung verbracht und mich auf regenerative Läufe konzentriert. Nichtsdestotrotz habe ich drei Long Runs mit ca. 30 km und mehrere kleine Läufe im Umfang von 12 – 14 km absolviert und meine Akkus aufgeladen.

Anfang August ergab sich eine Gelegenheit wieder einen Long Run mit ehemaligen Chaotinnen und einen neu hinzugekommenen Lauffreund zu absolvieren. Wir trafen uns am Wannsee und liefen gemeinsam wieder bis nach Kladow Hafen, um von dort mit der Fähre wieder nach Wannsee überzusetzen. Anbei noch einige Schnappschüsse dazu.

Ansonsten war ich dieses Jahr wieder als Helfer bei den 100 Meilen im Einsatz. Nachdem ich in den zurückliegenden drei Jahren aktiv beteiligt war, ergab sich aufgrund meiner Laufpause wieder einmal dazu die Möglichkeit.

Nun bin ich gespannt auf die kommenden zwei Monate und die geplanten Laufveranstaltungen. Für den Mad Chicken Run und den Berlin Marathon im September habe ich schon gemeldet. Für den Oktober liebäugele ich wieder mit dem Burgenlauf in Bad Belzig und den Dresden Marathon. Beide Laufveranstaltungen hatte ich im letzten Jahr besucht und gute Erinnerungen. Mal schauen, was der Herbst so bringt …

Wettkampfpause und Regeneration

Nach den für mich intensiven Monaten Mai und Juni mit den Teilnahmen an der HEIDI-Challenge, dem Rennsteig-Supermarathon, dem FDZU und dem Vollmondmarathon lege ich nun im Juli und August eine regenerative Wettkampfpause ein, bevor ich dann wieder im Herbst an Laufveranstaltungen teilnehme.

Gesundheit geht vor – Alles wieder auf Anfang!

Eine lästige Virus-Infektion Anfang Februar hat meine Vorbereitung für den Ludwig-Leichhardt-Trail zum Erliegen gebracht und meine weitere Saison-Planung für das laufende Jahr völlig auf den Kopf gestellt.

Die letzten Jahre, in denen ich verletzungsfrei und vor allem ohne Erkältung oder sonstige Erkältungen und Virus-Infektionen durchgekommen bin, hatten mich sehr verwöhnt und auch leicht größenwahnsinnig werden lassen. Selbst die beiden Corona-Infektionen, welche ich hatte, überstand ich symptomfrei. Ich war völlig geflasht, wie so eine Erkältung mich vollkommen aus dem Verkehr nehmen konnte.

Anfangs dachte ich noch, alles kein Problem und in zwei Wochen werde ich schon am Ludwig-Leichhardt-Trail teilnehmen können. Zumal ich der Meinung war, dass man bei Symptomen bis zum Hals moderat trainieren könnte und erst ab dem Hals abwärts dann das Training einzustellen sei. Verspürte ich doch nur einen dicken Kopf, triefende Nase und Schleim – keine Schluckbeschwerden, kein Fieber und auch keine Gliederschmerzen. Also spulte ich tatsächlich noch einen Long Run in sehr langsamen Tempo ab, den ich aber nach 25 km abbrechen musste. Das verstand ich also als „moderates Training“! Sehr bekloppt musste ich danach demütig einräumen.

Zumal ich ja als Lauftherapeut in meinen Gruppen auch immer das Gegenteil predige und auch da eine große Verantwortung trage, authentisch zu bleiben.

Erst dann war mir klar, dass ich bis auf weiteres mein Training komplett einzustellen hatte und auch den Ludwig-Leichhardt-Trail schweren Herzens absagen musste. Das Risiko eine Herzmuskelentzündung zu bekommen und später dafür die Rechnung begleichen zu müssen, erschien mir dann doch als zu groß.

Also stellte ich mein Training komplett ein und das sollte für den ganzen Februar – also insgesamt drei Wochen andauern. Erst seit der 2. März-Woche bin ich dann wieder in überschaubare Trainingsläufe eingestiegen und bereite mich auf den Berliner Halbmarathon vor. Die HEIDI-Challenge, die ich komplett laufen wollte, habe ich so  verworfen und mich „nur“ für die beiden letzten Etappen angemeldet. Zur Vorbereitung versuche ich mich zwei Wochen davor beim Tangermünder Elbdeichmarathon und bin gespannt, wie er mir bekommt. Ich werde berichten ….

Vorher werde ich mich auch noch einer Leistungsdiagnostik bei der sportmedizischen Fakultät der Charitè unterziehen und mal schauen, wie es um meinen Fitnesszustand bestellt ist. Man weiß ja nie …

Außerdem sollte man ja mit Geld nicht spielen – mit der Gesundheit aber auch nicht!

Der Berg ruft! Vorbereitung auf die Brocken-Challenge am 17.02.2024

Ein Lottogewinn
Immer wieder muss ich an den berühmten Loriot-Sketch mit „Erwin Lindemann“ denken, dem Lotto-Gewinner, der ein Fernsehinterview geben soll und durch die ganze Filmcrew und immer wieder neue Aufnahmen am Ende so aufgeregt ist, dass er nicht mal seinen eigenen Namen nennen kann. Ein Lotterie-Gewinner bin auch ich – bei der BC-Verlosung habe ich einen Startplatz gewonnen1. BC steht für Brocken-Challenge und ist eine wunderbare Veranstaltung Göttinger Lauffreunde, die sich im Ausdauer- Sport für Menschlichkeit (ASFM) organisiert haben.

Die Idee
Die eine Idee: Lasst uns doch mal auf den Berg um die Ecke laufen. Nun gut, jener Berg namens Brocken steht halt 80 km weit entfernt, aber das gehört zu den Details, nix was Ultraläufer vom Plan abbringen würde. Die nächste Idee: Wenn schon, dann bei bestem Wetter, also Mitte Februar; im Sommer kann das ja jeder. Die dritte Idee: Verbinden wir das Ganze mit einer Spendenaktion. So gibt es keine Startgelder, alle Leistungen der Veranstalter und seiner Helfer erfolgen unentgeltlich, hinzu kommen viele Sach- und Geldspenden. Alle Einnahmen gehen in die große Spendenkasse, aus der in 19 Jahren fast 400 000 € an eine lange Liste karitativer Einrichtungen und Organisationen in der Region und der Welt verteilt werden konnten.

Die Vorbereitung:
Keine Winterpause
Wie bereitet man sich auf etwas Unbekanntes vor, das viele Unwägbarkeiten verspricht? Normalerweise machen Läufer zwar keinen Winterschlaf, aber doch einige Wochen Pause bzw. stark reduziertes Programm zur Erholung im November/Dezember. Nach den Festessen geht es mit guten Vorsätzen ins neue Jahr und die meisten haben dann im Mai bis Juni den ersten läuferischen Jahreshöhepunkt, auf den sie typischerweise um die 20 Wochen trainieren. Das funktioniert nicht, wenn man zur BC im Februar fit sein will, zumindest fit genug, um mit guter Wahrscheinlichkeit und Zufriedenheit ins Ziel zu kommen. Also gab es dieses Mal keine Winterpause, dafür im November noch zwei Läufe (ein kurzer schneller Rundenlauf und ein langsamer langer Ultra beim „kleinen“ KoBoLT) und mehr oder weniger normales Training.

Wintertraining
Die spezifische Vorbereitung begann kurz vor Weihnachten mit einem Ausflug in die nächste Kleinstadt: Mit Wintersachen und Laufweste laufen, sich zwischendurch selbst verpflegen und im Supermarkt nachkaufen für ein Mittagessen. Später kamen Läufe im (in Greifswald eher ungewöhnlichen) Schnee hinzu, erste Tests mit neuen, unterschnallbaren Spikes für Schnee und Glatteis (ohne die wird es sonst im Hochgebirge zum Risikospiel) sowie mit Neopren-Socken. Letztere Neuerwerbung ist der Sorge geschuldet, dass bei Kälte in Kombination mit Schnee oder (überfrorenen) Pfützen ein längeres Laufen mit nassen und kalten Füssen erforderlich sein könnte. Von früheren Ausgaben der BC gibt es reichlich Berichte darüber. Dagegen sollen die Socken gut helfen, nach dem gleichen Prinzip wie bei ihren großen Geschwistern, den Neoprenanzügen für Wassersportler. Diese sind zwar auch nicht wasserdicht, helfen aber eine wärmeisolierende (Wasser-) Schicht um den Körper aufzubauen. Bei perfekten Bedingungen in Form von Schneematsch und Niesel mit Temperaturen leicht über dem Gefrierpunkt erfolgte kürzlich noch ein Härtetest. Ich habe mir das bei den Experten im Matschwesen abgeschaut – Kindern, die mit Gummistiefeln und Matschhose so lange in Pfützen herumspringen, bis es von Erziehungsberechtigten verboten wird. Mangels Letzterer bin ich allein und nur durch alle Pfützen gelaufen, die ich auf der Laufstrecke finden konnte. Das genügte für die Feststellung, dass das irre Spaß bereitet und dass die Füße zwar gut naß, aber bei laufender Bewegung bald darauf auch wieder warm werden. Natürlich auch, um die Hose knieabwärts ebenfalls einzunässen. Wie sich das auf die bei Nässe üblichen Blasen an schrumpeliger Haut auswirkt, muss dann der Langzeittest zeigen, da reichen zwei Stunden noch nicht aus (zum Glück).

Warmduscher
Das Laufen bei Schneefall und Dunkelheit zu trainieren war ein ähnlicher Spaß. Mit Stirnlampe ausgestattet, war die gefühlte Sichtweite ungefähr eine Armlänge – ein großartiges Vergnügen! Tatsächlich sieht man schon ein paar Meter mehr vom Weg und reflektierende Verkehrsschilder gar hundert(e) Meter. Was sich hier im Norden Deutschlands ebenfalls einfach üben läßt, ist das Laufen bei Sturm, Regen und Kälte. So ließen sich immer wieder Übungseinheiten mit dem Schwerpunkt „Frieren und Laufen“ einstreuen. Dabei stellte ich fest, dass nicht mehr viel von einstiger Abhärtung durchs Freiwasserschwimmen übrig ist, auf die ich mal mindestens so stolz war wie die klappernden Zähne weit zu hören. Die finale Transformation zum laufenden, warmduschenden Weichei scheint vollzogen.

Berglauf?
Skeptiker werden vielleicht einbringen, dass bei knapp zwei positiven Höhenkilometern auch das Berglaufen eine gewisse Bedeutung haben könnte. Das mag sein, aber Berge in dem Sinne von Höhenunterschieden gibt es hier eben nicht wirklich. Manche der höchsten Erhebungen sind in fast jedes Training eingebaut, aber der Trainingseffekt ist zweifelhaft bei einer Straßenbrücke bzw. Unterführung. Ansonsten setze ich auf Altbewährtes: Streckenprofile anstarren und Internetvideos gucken sowie Berichte lesen. Das hat mir schon beim bisher einzigen Ausflug in die Welt der Etappenläufe nach wenigen Tagen „Shin-splints“ eingebracht, das klassische wie äußerst schmerzhafte Schienbeinkanten-Syndrom. Bei Eintagesläufen bin ich bisher davon verschont geblieben. Mut macht, dass meine Probleme eher beim Bergablauf liegen und es vor allem am Ende zumeist aufwärts geht. Allerdings gilt am Brocken die alte Flieger-Regel „Oben geblieben ist noch keiner“, denn zum Parkplatz, von dem aus dem Busse oder Autos zurück nach Göttingen fahren, führt nur der 7km-Fußweg mit 400 Höhenmetern abwärts.2

Warten auf ToGo
Die Woche der Brocken-Challenge hat begonnen, der Kilometerzähler gaukelt einen zu diesem frühen Termin im Jahr noch unerreichten Trainingszustand vor (trotz zwei festen Ruhetagen wöchentlich ergibt sich ein Tagesdurchschnitt von 10 km oder einer Laufstunde). Lange Listen zu Reisedetails, Streckenabschnitten, Laufsachen, Inhalten von Laufweste, Dropbag und Brockentasche sind geschrieben, Hinweise der Organisatoren und der Streckenplan sind ausgedruckt und als GPX-Track auf dem Telefon gespeichert. Nun heißt es nur noch abwarten, 1-2 mal gemächlich joggen um nicht die Fortbewegungsart zu vergessen und am Freitag alles in mich hineinstopfen, was geht. Füße eincremen, Brustwarzen abkleben, Wetterbericht verfolgen und die Laufsachen möglichst nicht völlig falsch wählen.

Nächste Woche gibt es einen Nachbericht, versprochen.3 Bis dahin hoffen wir mal, dass es Spaß macht, wenn es heißt:
„Brocken-Challenge 2024 – here we go!“

  1. Wenn doch mal jemand fragen würde: „Wie laufen Sie denn hier herum? Sie haben wohl Ihre Lauferlaubnis im Lotto gewonnen?“, könnten fast alle antworten: „Na klar!“. Fast alle, denn für (frühere) Helfer und Traditionsläufer gibt es Sonderstartrechte. ↩︎
  2. Mit wenigen Ausnahmen, denn manche Teilnehmer übernachten auch im Hotel auf dem Brocken ↩︎
  3. Danach geht es zum Aufwärmen in den Süden, zu den Bergvölkern. Es wird unterirdisch… ↩︎

Das war das Laufjahr 2023

Ein weiteres Laufjahr ist wieder einmal fast vorbei und ich bin sehr dankbar, dass es wieder ein verletzungsfreies war. Zudem voller schöner Lauferlebnisse und Begegnungen. Ein weiterer Beweis dafür, dass langsames und gesundheitsbewusstes Laufen auch in größeren Umfängen dem Körper nicht schadet und den Geist/das Bewusstsein stärkt. Ich kann es nur allen empfehlen und nahelegen.

Ein Highlight des zurückliegenden Jahres war mein zweites Lauftherapie-Engagement im klinischen Kontext. Seit Februar 2023 bin ich zusätzlich am Berlin-Brandenburger Epilepsiezentrum am Standort  in Lichtenberg tätig und biete zweimal die Woche (mittwochs und samstags) dort Lauftherapie für Menschen mit epileptischen Anfällen an. Ich hatte anfangs Bedenken und habe lange überlegt, ob ich das „Wagnis“ eingehen solle. Letztendlich bin ich dankbar, dass ich mich dafür entschieden habe. Ich habe dort Menschen mit einem bewundernswerten Optimismus und Durchhaltevermögen kennengelernt, die mir als Ultraläufer noch die ein oder andere Lektion beibringen konnten. Letztendlich hat sich gezeigt, dass alle Vorbehalte und Klischees im Vorfeld unbegründet waren und ich wundervolle Menschen kennengelernt habe. Die ursprünglich auf 2023 angelegte Zusammenarbeit wurde kürzlich um ein weiteres Jahr für 2024 verlängert 😊

Ein weiteres Highlight war der Zuwachs im Autoren-Team der Laufwolke. Mit Ralf Methling ist ein erfahrender Ultra-Läufer hinzugekommen, der mit seinen Tipps und Erfahrungsberichten eine Bereicherung für die Seite ist. Drei längere und gehaltvolle Berichte sind bereits durch ihn auf Laufwolke veröffentlicht worden. Auch Jan Gohlke hat mehrere Beiträge von Laufteilnahmen auf Laufwolke eingestellt. So kann es weitergehen und ich freue mich über jede weitere Beteiligung!

Wie beabsichtigt, bin ich dieses Jahr etwas weniger Umfänge gelaufen und mich vor allem auf Läufe konzentriert, die ich in den Vorjahren – auch begründet durch die Corona-Zeit – länger nicht mehr gelaufen bin. Ich habe wie beabsichtigt keinen Etappenlauf gemacht und bei den 100 Meilen Berlin dieses Jahr als Einzelläufer pausiert. Ein tolles Erlebnis war es aber, bei den 100 Meilen Teil einer 4er-Staffel gewesen zu sein und den Team-Zusammenhalt zu spüren.

Auch meine Teilnahme am Bieler 100 km – Nachtlauf, die „Nacht der Nächte“ war ein tolles Erlebnis. Letztendlich hatte sich unsere geplante Laufgruppe dort auf zwei Teilnehmer reduziert. Ich hatte aber mit Jan sehr schöne Tage dort und habe wieder einmal Demut üben dürfen. Krisen kommen und Krisen gehen ….

Daneben waren sehr viele Läufe, an denen ich zum ersten Mal teilgenommen und welche ich sicherlich in Erinnerung behalten werde. Unter anderem der Tangermünder Elbdeichmarathon, der Berliner Vollmondmarathon, der Belziger Burgenlauf-Ultra und der Dresden-Marathon Ende Oktober.

Abschließend betrachtet war es ein durchaus gelungenes rundes Laufjahr. In den beiden zurückliegenden Monaten habe ich eine Wettkampfpause eingelegt und mich mit regenerativen Läufen etwas erholt. Zusätzlich habe ich die Zeit genutzt und bereits die Wettkampf-Planung für das erste Halbjahr 2024 so gut wie abgeschlossen. Mehr dazu demnächst …

Ich wünsche Euch allen eine gutes und vor allem verletzungsfreies Laufjahr 2024!

Laufen, wo andere Urlaub machen

Als zugezogener Fischkopp möchte ich die Laufwolke nutzen, die langen Läufe in meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern vorstellen und auch dafür werben, hier nicht nur Urlaub, sondern auch Laufurlaub zu machen. Zumindest für manche unserer Läufe lohnt sich ein Kurztrip an die See. Wobei das nicht unbedingt die Ostsee sein muss: Es gibt so einige Seen, die man laufend umrunden kann. 

Meine Laufgeschichte:
Beginnen werde ich mit dem Lauf, den ich am besten kenne, da ich seit 2019 immer irgendwie dabei bin – dem Fischland-Darß-Zingst-Ultramarathon. Damals war ich auf dem Weg zum Ostseeschwimmen in Prerow (recht frisch im Juni, so viel sei verraten) mit dem Fahrrad vom Barther Bahnhof unterwegs und sah noch in Barth einige merkwürdige Hinweise auf eine mir bis dato unbekannte Sportveranstaltung. Zunächst waren es Markierungen mit roter Sprühkreide, die Pfeile und das Kürzel „FDZU“ trugen, später kamen Absperrbänder und ein Verpflegungspunkt hinzu. Bei der Passage eines Läufers an der Meiningen-Brücke erklärte mir seine Radbegleitung (Klapprad!), dass sie gerade einen 115km-Ultramarathon absolvieren. Im nächsten Jahr las ich zufällig von einem freien Staffelplatz und durfte mit einer tollen Truppe ein tolles Rennen miterleben. 2021 lief ich in Vorbereitung des Mauerweglaufs selbst. 2022 konnte ich nach der Deutschlandquerung wegen Schienbeinkantensyndrom nicht laufen und betreute einen VP. In diesem Jahr waren wegen „Bremen-Sankt Pauli“ erneute Helferdienste geplant, doch weil ich diesen abbrechen musste und beim FDZU bereits viele Helfer vorhanden waren, lief ich sehr kurzfristig doch noch, wenngleich nicht in bestmöglicher Form.


Der FDZU verbindet die beiden MV-Landesteile:
Start ist im mecklenburgischen Ortsteil Ribnitz, die Brücke zum vorpommerschen Damgarten wird kurz nach dem ersten Kilometer überquert; erst nach über 90 km geht es dann zurück nach Mecklenburg. Der Lauf darf somit aktuell als der einzige (mehrheitlich) in Vorpommern stattfindende Ultramarathon gezählt werden (ja, Start und Ziel sind in Meckelbörg). Er verläuft zunächst auf dem Festland und passiert dann entgegen Uhrzeigersinn und Veranstaltungsnamen den Zingst, den Darß und das Fischland. Diese drei Landesteile waren vor langer Zeit Inseln, die sich zur nunmehrigen Halbinsel verbanden – Küsten sind selbst ohne Meeresanstieg ständiger Veränderung unterworfen.

Videoempfehlung:
Thomas Steinicke hat vom FDZU 2021 eines seiner schönen Videos ins Netz gestellt. Vieles des nachfolgend Beschriebenen ist darin gut zu erkennen, u.a. die Helligkeit beim Start, entgegenkommende Läufer nahe der Barther Schleife, den schmalen Pfad dort, die Brücken, den Deichweg, die lange Strecke am Bodden, den Strandabschnitt. https://www.youtube.com/watch?v=6SYAeO62wfg

Wettbewerbe:
Man kann sich prinzipiell zwischen zwei Distanzen entscheiden (100 km / 115 km), wobei die längere Strecke eher 12-13 km als die offiziellen 15 km länger sein dürfte. Es ist möglich, sich für 115 km anzumelden und spontan nach 100 km auszusteigen und direkt in die 100er-Wertung zu kommen. Auf der etwas längeren Distanz wird die Fünfer-Staffel mit vorgeschriebenen Wechselpunkten angeboten. Wer mal bei einem Ultralauf etwas gewinnen möchte, hat hier hervorragende Chancen: Normalerweise sind weniger als eine Handvoll Staffeln am Start, 2023 sogar keine einzige (für 2024 ist bereits eine gemeldet). Dabei gibt es einiges zu gewinnen, von handgetöpferten Medaillen und Vasen bis hin zu Bernsteinschmuck, zumindest für die drei Erstplazierten jeder Kategorie (und jeden Staffel-Starter!). Eine weitere, sehr interessante Variante ist Run+Bike. Ein Team aus zwei Startern kann sich mit dem Laufen und der Fahrradbegleitung beliebig ablösen, solange sie sich nicht weit voneinander entfernen. Man kann das paritätisch machen und beispielsweise alle 1, 3 oder 10 km wechseln – oder aber einer läuft 100 km und der andere den Rest. Die schnellen Spezialisten -es gibt mehrere Wiederholungstäter- haben erstaunlich kurze Abschnitte, teils unter einem Kilometer. Es gab aber auch ein Pärchen, bei dem sich der Mann zunächst kurz auspowerte und die Frau dann für über 80 km übernahm, bevor er wiederum finishte. Sie nutzten den FDZU als Testlauf für ihren Mauerweglauf, wobei sowohl die lange Laufstrecke als auch die Radbegleitung getestet wurden. Neben dem Belastungstest für das Sitzfleisch betrifft das die Befestigung von Navi-Systemen, Trinkflaschen, Körben, Seitentaschen und deren logistisch sinnvolle Nutzung auf der Strecke.

Damit kommen wir zum nächsten Punkt. Auch das scheinbar simple „Neben-dem-Läufer-fahren“ ist nicht ganz ohne, gilt es doch, keinen Druck aufzubauen (durch Vorausfahren) und nicht vom Rad zu fallen.
Radbegleitung für Einzelläufer:
Hier macht der Veranstalter auf der Webseite etwas widersprüchliche Angaben: Zum einen heißt es dort: „Die Wege sind durchweg für Fahrräder geeignet. Daher hat es neben dem run-and-bike auch die Möglichkeit der Fahrradbegleitung für Ultramarathonläufer gegeben. Es gibt keine besonderen Ansprüche an die Fahrräder. Sie sollten allerdings den allgemein gültigen Verkehrsregeln entsprechen.“ So kenne ich das auch. Zum anderen steht bei „Allgemeine Laufbedingungen“ etwas missverständlich: „Eine Begleitperson, die nicht startberechtigt ist und auch keine offizielle Startnummer erworben hat, darf den Läufer/in nicht begleiten.“ Damit sind wahrscheinlich laufende Begleiter gemeint. Eine offizielle Registrierung für Begleiträder ist bei der Anmeldung weder vorgesehen noch erforderlich. Wie erwähnt, wurden Radbegleitungen stets willkommen geheißen. Da sie meist mehr dabei haben als die Läufer und sie selbst benötigen, ist die Verpflegungsfrage auch keine wirklich relevante.

Anreise und Briefing:
Die Anreise nach Ribnitz-Damgarten am Freitag ist wegen der Startzeit quasi obligatorisch. Für Alleinreisende ist die Jugendherberge in Bahnhofsnähe empfehlenswert; bis 2022 fand hier auch die Startnummernausgabe statt, 2023 erstmals im Stadion. Für Gruppen kann sich auch eine Ferienwohnung lohnen – frühe Buchung ist zu empfehlen. Beim Briefing ist auch die Abgabe eines Dropbags für den VP Zingst Seebrücke bei ca. 60 km möglich. Da Start und Ziel etwa zwei Kilometer voneinander und einen Kilometer von der Innenstadt und der Jugendherberge entfernt liegen, werden gern Fahrgemeinschaften gebildet. 2023 boten Crew-Mitglieder auch den morgendlichen Transfer vom Parkplatz am Ziel zum Start am Stadion an, zumindest soweit sie bei ihrer eigenen Anfahrt noch Platz im Auto hatten. Wer es nicht bis zum offiziellen Briefing um 18 Uhr schafft (beispielsweise, wenn die Anreise erst nach der Arbeit und per Bahn möglich ist), bekommt seine Startunterlagen (und ein paar Worte der Einweisung) auch noch kurz vor dem Start.

Start:
Der Start ist bemerkenswert früh um 4 Uhr! Das macht ein sehr zeitiges Aufstehen erforderlich, hat aber seine Vorteile: Wenn man erst einmal läuft, ist es praktisch, weil der Lauftag früher endet. Selbst nach 16 Stunden Lauf ist es mit 20 Uhr noch halbwegs früher Abend und längst nicht dunkel. Außerdem sind die morgendliche Ruhe und der Blick aufs platte Land am Bodden mit typischem Frühnebel sehr schön. Auf wenig anspruchsvoller Strecke Kilometer lassen sich schrubben, die eigentlichen Herausforderungen sind noch fern. Nahe der Sommersonnenwende Mitte Juni ist es an der Ostsee gegen 4 Uhr bereits hell genug; Stirnlampen werden keinesfalls benötigt, auf den ersten Metern mit ein paar Bäumen sorgen die Veranstalter mit Leuchtmarkierungen vor. Besonders stilvoll ist der Start mit Feuerschalen direkt auf der Laufbahn des Stadions. Normalerweise ist es nicht sehr kühl, so dass im Vergleich zur „sommerlichen Tagesbekleidung“ höchstens noch eine dünne Jacke oder ein zusätzliches dünnes Shirt benötigt werden, die an einem der ersten VP abgegeben werden können.

Verpflegungspunkte:
Die insgesamt 15 VP sind so dicht gelegen, dass eigentlich keine Zusatzversorgung aus einem Rucksack erforderlich ist. Nur kann es ab mittags auch im Juni so warm werden, dass man sich vielleicht ständig etwas Kühlwasser wünscht. Die Versorgung selbst ist vielleicht als „Standard“ zu bezeichnen. Es gibt natürlich Wasser, Tee, Cola, Bananen, Riegel und teils auch noch mehr, aber der Ultraläufer ist inzwischen verwöhnt bzw. durchaus mehr gewohnt. Im Dropbag (VP8 nach 61 km) lassen sich Sonderwünsche deponieren; je nach Trinkgewohnheiten kann das vielleicht eine Trinkweste sein für die nachfolgenden sonnigeren Abschnitte. Weil es ein sehr überschaubares Teilnehmerfeld gibt, kann man bei Bedarf am Freitagabend mit den VP-Verantwortlichen reden und wird in der Regel jeden Wunsch erfüllt bekommen. Mancher verträgt ja nur bestimmte Gels oder benötigt spezielle Diät.

Strecke:
Der Untergrund ist vielfältig, wird aber dominiert von Asphaltabschnitten – Straßenschuhe sind eindeutig zu empfehlen. Die Strecke ist kaum bewaldet und so flach wie viele es von der Küste erwarten. Es gibt keine einzige Brücke über eine Straße zu erklimmen, lediglich an der Brücke über den Bodden vor Zingst, an einzelnen Deichen, am Ortseingang vor Prerow und zum Steilufer vor Wustrow geht es mal eine Handvoll Meter hoch. Dafür kann der Läufer nicht nur auf „Gut Glück“ hoffen, sondern auch durch einen gleichnamigen Ort laufen. Weitere klangvolle Orte wie Kückenshagen oder Saal am Saaler Bodden sind da bereits passiert, Neuendorf (das gibt es überall), Michaelsdorf und Bodstedt am Bodstedter Bodden folgten. Kurz danach gibt es eine Schleife bei Barth, die historisch entstanden und sonst nicht wirklich verständlich ist (km28-40). Hier gibt es nach dem VP4 (28 km) zunächst einen Abstecher auf eine Halbinsel, bei dem insbesondere der zweite Teil zurück einerseits ein tolles Panorama mit Bodden und Barth bietet, andererseits auch einen schwierigen Untergrund. Da der zweispurige Fahrweg so selten genutzt wird, dass nur schmale Spuren im Gras sind, kann man die Füße nicht nebeneinander und schlecht hintereinander setzen. Das ist schwer zu beschreiben, aber jeder ist froh, die vielleicht 3 km hinter sich gebracht zu haben. Nach kurzem Weg zum Barther Hafen mit Wendeschleife geht es wieder zurück zum VP5 (40 km, identisch mit VP4). Fahrradbegleitungen machen diesen Umweg teils gar nicht erst mit, sondern lieber eine Klönpause bei den netten VP-Betreibern oder einen Abstecher zum nahen gelegenen (Dorf-)Bäcker.

Mit absolviertem Marathon und beginnendem Ultramarathon geht es auf mehrere
Abschnitte, die sich erheblich in die Länge ziehen können:
Zunächst die Strecke über Pruchten und Bresewitz bis zur Meinigen-Brücke auf die Halbinsel (teils neben der alten Bahnlinie, deren Wiederaufbau langsam realistischer wird), dann nach Zingst und auf dem Deichweg bis zum Zingster Hafen (VP7 bei 50 km), dann laaange um den Ort Zingst herum (wunderschöne Strecke auf dem Deichweg am Bodden bis Müggenburg, aber dieses Jahr gegen den Wind…) und schließlich ostseeseitig auf dem Deich ewig bis nach Prerow (VP9 Krabbenort bei 69 km). Ein Sonnenbrand droht inzwischen dem, der nicht vorgesorgt hat, beispielsweise mit Creme aus dem Dropbag vom VP8 an der Zingster Seebrücke nach 61 km. Der Deichweg zwischen Zingst und Prerow ist stark befahren von Radfahrern, je nach eigener Form und Zufriedenheit mit sich und der Welt kann das eine wunderbare Abwechslung oder einfach nur nervend sein. Doch eigentlich stört man sich gegenseitig nicht wirklich, denn der Weg ist breit.

Auch hinter Prerow ist kaum Schatten und die Abschnitte können sich lang hinziehen. Das alles nun schon von mehreren Läufen kennend weiß ich so einigermaßen, was mich erwartet. Respekt vor der kommenden Herausforderung und Vorfreude nehmen zu, wenn auch nicht in gleichem Maße. Der VP10 am Hotel Haferland in Wieck (km75) wird von einem ehemaligen Ultraläufer betrieben und sorgte in der Vergangenheit mehrfach für leckere Überraschungen. Der Bereich hinter Born (um 80 km) ist sehr schön, denn man hat links den Bodden mit Schilfufer, sieht geradeaus schon Ahrenshoop und weiß um die Ostsee dahinter. Aber trotz gut laufbarem Untergrund scheint auch dieser eigentlich romantische Abschnitt bis zum Hafen Althagen nicht enden zu wollen. Vom dortigen VP12 nach 90 km dort geht es nun vergleichsweise abwechslungsreich noch kurz am Bodden entlang, dann über die Hauptstraße und auf den „Berg“ Richtung Steilküste vor Wustrow. Hier erreichen wir laut GPSies das Dach unserer „Tour de Bodden“ mit der gewaltigen Höhe von etwa 12 m! Wir nähern uns mit großen Schritten der Ostsee. Durch ein kleines Wäldchen geht es zum quirligen Urlauberleben in Wustrow und auf die Seebrücke mit VP13 bei km 94.

Es folgt der Höhepunkt des ganzen Laufs, der
Strandabschnitt von der Wustrower Seebrücke bis Dierhagen Ost:
Während die armen Fahrradbegleiter auf der asphaltierten (mit Ausnahme der ersten 500 m) „Deichsautobahn“ fahren müssen und aufpassen müssen nicht einzuschlafen, haben die Läufer auf dem kaum 100 m entfernten und rund 6 km langen Strandstück das Glück, endlich ihre gute Form herausholen und präsentieren zu können.  Wer sich dabei am fittesten zeigt, genauer gesagt natürlich wer den Abschnitt am schnellsten bewältigt, erhält als Sonderpreis ein Fass Bier. Weil der weiche Strandsand oft recht tiefes und anstrengendes Geläuf darstellt, ist es dabei günstiger, auf dem festeren Untergrund gleich an der Wasserkante zu laufen. Dieser Bereich mit feuchtem Sand ist aber nicht immer trittfest, manchmal kann man dort einsinken und bekommt nasse Füße. Feucht ist der Bereich auch deshalb, weil die Wellen immer mal wieder dorthin getragen werden – ein vorausschauender Blick nach rechts ist also sinnvoll. Zu beachten gibt es noch die Sandburgen und Minibuchten, die von Urlaubern erschaffen werden und die es ebenso zu umschiffen gilt wie Kinder, Spaziergänger, Badende auf deren Weg in die und aus der Ostsee. Buhnen müssen übersprungen werden und je nach vorheriger Sturmlage bilden sich zwischen den Buhnen gerade Stücke oder Mini-Buchten aus. Verschiedene Taktiken lassen sich anwenden, um sowohl den Strandabschnitt als auch den nachfolgenden Teil gut zu bewältigen. Ich persönlich liebe es, am Strand barfuß zu laufen. Dadurch werden die Laufschuhe nicht nass oder sandig und man kann sich die Füße und zumindest auch die Waden wunderbar in der Ostsee abkühlen. Ob man im erwähnten festen Sandbereich barfuß oder mit Laufschuhen schneller ist, würde ich als Ansichts- und Gewohnheitsfrage betrachten. Hier „oben“ im Norden kennen wir keine Berge oder das, was wir als solche bezeichnen würde, läuft anderswo als „‘ne Schippe Sand“ oder „kleine Delle“. Der Sandstrand ist unsere beste Alternative zu den „Entsaftern“ der Läufe in den Bergen. Also würdigt und genießt sie bitte entsprechend! Der Ausblick ist nicht allein wegen der Strandkörbe, Seebrücken, Nackedeis und Surfer konkurrenzfähig, sondern auch wegen der schönen Landschaft, oft mit Sonne und Wind.

Wichtig: Das Ende des Strandabschnitts ist von Wustrow aus noch nicht markant erkennbar. Die Streckenlänge anhand der Zeit abzuschätzen ist wegen des anderen Untergrunds schwierig. In früheren Jahren gab es sowohl Läufer, die zu früh auf den Deichweg abbogen als auch zu weit liefen, auch weil Markierungen des Veranstalters nicht erkannt oder von Urlaubern entfernt oder verdeckt wurden. Zuletzt war das perfekt, da direkt am Strand Helfer standen. Im Grunde genommen ist es recht einfach, wenn man auf die beiden weißen Holzbuden am Strand achtet, die in Dierhagen Ost stehen. Je nachdem, wie gut der Strandabschnitt lief, kann man entweder zur 100-km-Marke (VP14) aussteigen oder läuft noch weiter zurück nach Ribnitz. Für mich hat die 100er Strecke den besonderen Reiz, barfuß ins Ziel laufen zu können, das kurz hinter dem Strandabschnitt folgt – nach Überqueren des Deichs waren es vielleicht noch 200 m auf Asphalt oder dem Gras neben dem Weg bis zum Zielbogen. Wo bitte ist so etwas sonst möglich? Den Schuhtransport muss man dann aber regeln oder die Dinger in die Hand nehmen. Fahrradbegleiter sind hier natürlich sehr hilfreich, aber es ging 2023 auch, die Schuhe an der Wustrower Seebrücke abzugeben, sie kamen später am Ziel an. Manche Läufer haben die Crew des VP14 vor dem Start angesprochen und bei ihnen Wechselschuhe und Socken deponiert – was irgendwie möglich ist, versuchen die Helfer zu ermöglichen. Die Mehrheit läuft allerdings mit den gleichen Schuhen bis ins Ziel und hofft, von Sand und Nässe in den Schuhen verschont zu bleiben.

Transfer:
Wer bei 100 km aussteigt, wird nach einer Wartezeit nach Ribnitz gefahren. Wie lange das dauert, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wenn andere VPs schließen und die Helfer von dort zurückfahren, können sie oft noch jemand mitnehmen. Alternativ bestellt der Veranstalter ein Taxi. Daher ist es manchmal sinnvoll, noch ein Weilchen auf weitere Finisher zu warten. Bisher war es zumindest bei mir jeweils schneller als ich das Buffet plündern konnte.

Königsstrecke:
Der 115er Lauf führt weiter über die Dörfer Dierhagen, Dändorf , Körkwitz Hof und Körkwitz nach Ribnitz. Dabei wird teils ein Radweg neben der vielbefahrenen Hauptstraße der Halbinsel genutzt, teils sind schöne Abschnitte am Bodden bzw. am Bernsteinsee (VP15) zu absolvieren. Auch wenn sonnige Bereiche dominieren, gibt es hier immer mal wieder Bäume und damit Schatten, bis endlich das Ziel an der Bodden-Therme in Ribnitz erreicht wird. Wer sich nicht auskennt und nicht auf ein Navi bauen kann, wird positiv überrascht, wenn es rechts vom Radweg weg geht und nach wenigen Metern bereits das Ziel erreicht ist. Ein DJ sorgt hier für Stimmung. Die Schwimmhalle hat bis 20 Uhr geöffnet; wer es rechtzeitig schafft, der kann dort wunderbar duschen. Wie üblich sitzen die Läufer meist noch einige Zeit im Schatten neben dem Zielbogen und feiern sich selbst und alle anderen Finisher. Wer sie so sitzen sieht, könnte glauben, der ganze Spaß diente hauptsächlich dazu, Bier trinkend zu klönen. Auch die Finisher der 100er Strecke kommen dorthin und werden ausgezeichnet. Irgendwann verläuft sich das dann aber, weil viele einen Kurzurlaub mit Freunden machen und zum Abendessen wollen oder weil sie nach Hause fahren wollen. Die allerletzten Läufer sehen deshalb wahrscheinlich nur noch wenige Leute im Ziel. Aus diesem Grund und wohl auch weil die Helfer von DRK und Co. nach den vielen Einsatzstunden gern Feierabend machen möchten, wurden zuletzt die Zielzeiten angepasst.

Zeitlimits:
Wer am 100km-Punkt später als 18:30 Uhr eintrifft (Laufzeit >14.5 h), wird mit dieser Zeit gewertet und muss aussteigen, auch wenn der Cut-off erst eine Stunde später erfolgt (keine Wertung nach 19:30 Uhr, also bei >15.5 h auf 100 km). Wer diesen Punkt früher passiert und weiterläuft, muss es bis 21:00 Uhr ins Ziel an der Bodden-Therme schaffen, das sind mindestens zusätzliche 2.5 Stunden für die letzten ca. 13 km bzw. insgesamt maximal 17 Stunden für 115 km. Letzteres entspricht ungefähr dem 24h-Limit für 100 Meilen (6.7 km/h). Angesichts der sehr flachen Strecke, bei der vor allem die erste Hälfte relativ flott gelaufen werden kann, scheint das keine übermäßig harte Bedingung zu sein. Wenn allerdings unterwegs aufgrund Hitze, Gegenwind, Einsamkeit und nicht zuletzt Strandabschnitt ein Einbruch erfolgt und längere Gehabschnitte erforderlich sind, kann selbst ein komfortables Zeitpolster recht schnell aufgebraucht sein. 2023 waren die Zeitlimits noch anders und die Formulierung des Veranstalters deutete auf große Kulanz hin. Als jedoch einige Läufer aufgefordert wurden, ebenfalls bereits nach 100 km den Lauf zu beenden, obwohl sie den (noch gültigen) Cut-off von 18 Stunden locker schaffen konnten, waren diese verständlicherweise verärgert. Letztlich führte das nunmehr zu den aktuellen Regeln. Betrachtet man die Ergebnisse von 2023, so wären von den nur vier (!) Finishern bei 100 km alle gewertet worden. Eine Frau mit 14:00 h und ein Mann mit 13:35 h hätten auch noch weiter laufen dürfen, die beiden anderen Männer nach knapp über 14.5 h hätten nach dem neuen Cut-off auch aufhören müssen (darunter auch ich selbst mit 14:33 h, ich hatte ja eigentlich helfen wollen und mich am Vorabend spontan zur Teilnahme entschieden). Bei den 115 km hätten es nur 3 von 6 Frauen geschafft und 10 von 15 Männern geschafft: Eine Frau und zwei Männer gaben ohnehin nach der Streckenhälfte auf, eine Frau und drei Männer wären am 17h-Limit gescheitert und 3-4 weitere wären nach 100 km gestoppt worden. Das (ab 2024 neue) Limit von 15.5 h für 100 km hätten ein Mann und eine Frau gerissen und wären damit aus der Wertung gefallen. Das zeigt, dass die Zeitlimits durchaus beachtenswert sind, insbesondere für alle Läufer, die eher langsam laufen und den FDZU als lockeren Trainings- bzw. Vorbereitungslauf auf einen Saisonhöhepunkt nutzen. Vielleicht klingt das zuvor Beschriebene ein wenig hart, darum als vereinfachte Zusammenfassung: Es gilt innerhalb von 15.5 Stunden eine 100-Kilometer-Strecke zu finishen, deren erste Hälfte relativ schnell zu bewältigen ist, die zweite Hälfte hingegen so einige Herausforderungen aufweist. Auch wenn ein halbes Dutzend gefinishte 100er keine großen Vergleiche zulässt – meine offizielle Bestmarke stammt vom FDZU.

Mein Fazit:
Der Fischland-Darß-Zingst-Ultramarathon ist einer von drei fest eingeplanten Terminen meines (Lauf-)Kalenders – neben Rennsteig- und Mauerweglauf. Das bedeutet, dass ich mir vorgenommen habe jedes Jahr entweder als Teilnehmer auf oder als Helfer an der Strecke dabei zu sein. Das kommt nicht von ungefähr. Ich mag diese schöne, vielfältige und herausfordernde Strecke, das Organisationsteam und die Tatsache, dass wir Vorpommern einen Ultra im Laufkalender haben (ja – mit Hilfe der Mecklenburger). Kommt doch mal vorbei und tut Euch was Gutes!

Gelungener Saison-Abschluss in Dresden

Am 22.10.2023 habe ich die Gelegenheit genutzt und meinen 70. Marathon/Ultramarathon gefinisht. Das war eine Marke, die ich noch dieses Jahr erreichen wollte und ich hatte die ganze Zeit nach einen Marathon in der Nähe Ausschau gehalten. Da kam der Dresden-Marathon genau zur rechten Zeit und ich hatte richtig Bock.

Am frühen Sonntagmorgen machte ich mich dann mit dem Deutschlandticket auf den Weg und kam pünktlich in Dresden an. Es galt eine Halbmarathon-Runde zwei Mal zu bewältigen. Die erste Runde führte durch den historischen Stadtkern mit einem Ausflug zum Großen Garten um das Palais. Die zweite Runde führte dann zur Abwechslung anfangs an der Promenade an der Elbe entlang, bevor wir wieder die vertraute Runde zu bewältigen hatten. Zum Ende war es dann etwas Arbeit für mich, da es immerhin der dritte Marathon/Ultramarathon innerhalb von vier Wochen für mich war.

Insgesamt war es eine schöne Laufveranstaltung bei schönem Oktoberwetter und mit meinen 04:30 Stunden im Ziel war ich wieder einmal in meiner vertrauten Pace. Erschöpft und überaus zufrieden kam ich dann abends wieder in Berlin an und war froh, dass ich mir den Montag zum regenerieren frei genommen hatte.